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70 Jahre Schweizer Radio International

Bundesrat Paul Chaudet (1955-1966) vor dem Mikrofon eines SRI-Journalisten. SRI Archive/H. Schlegel

Schweizer Radio International (SRI) – heute swissinfo – feiert in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag. Eine Sonder-DVD erzählt seine Geschichte.

Doch das Jubiläumsjahr wird überschattet, denn noch nie war die Existenz von swissinfo/SRI so bedroht wie heute.

«Hier spricht die Schweiz – 70 Jahre der Information verpflichtet.» So heisst die viersprachige Jubiläums-DVD, die zu diesem ehrwürdigen Geburtstag publiziert wird.

Seit September 1935 war der vielsprachige Kurzwellen-Dienst von SRI unabhängige Informationsquelle und Vermittler schweizerischer Vielfalt. SRI verbreitete seine Sendungen weltweit und bediente so auch die «Fünfte Schweiz», die damals rund 200’000 Auslandschweizerinnen und –schweizer zählte.

Während der zweiten, von politischen Turbulenzen geprägten Hälfte des 20. Jahrhunderts richtete sich SRI indessen nicht nur an die Auslandschweizer Gemeinde. SRI bot jenen Menschen, die das Schweizer Kurzwellen-Radio hören wollten, einen anderen, neutralen Blick auf das Weltgeschehen.

Politisch relevant und multikulturell

Ein Bild von General Guisan im Studio des SRI-Kurzwellendienstes, ein anderes Foto von PLO-Chef Yassir Arafat vor dem Mikrofon eines arabischen SRI-Journalisten, ein weiteres Bild von Südafrikas Präsident Nelson Mandela im Gespräch mit einem Journalisten der deutschsprachigen Redaktion oder ganz einfach nur Fotos hinter den Kulissen von SRI – das alles ist auf der Jubiläums-DVD zu sehen.

Aber auch zu hören gibt es viel: Bundespräsident Rudolf Minger anlässlich der ersten Kurzwellen-Sendung von SRI am 1. August 1935 oder Jean-Rodolphe von Salis, die Stimme der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Aber auch die Stimmen von Thomas Mann, Blaise Cendrars, Friedrich Dürrenmatt oder Max Frisch sind zu hören, Louis Armstrong, im Badzimmer seines Berner Hotels interviewt oder die Musiker der Rock-Band Deep Purple, welche die Geschichte ihres am Montreux Jazz Festival entstandenen Hits «Smoke on the Water» erzählen.

Fernseh-Werbespots, die Geburt des historischen Jingles von SRI «Lueget vo Bärg und Tal» (Komponist: Ferdinand Huber), eine Gruppe von SRI-Journalisten und –Technikern während einer überraschenden musikalischen Jam-Session in einem Studio an der Giacomettistrasse in Bern.

Fünf Kapitel

In fünf Kapiteln («Von der Kurzwelle zum Hypertext», «Die Stimme der Schweiz im Ausland», «Kultur und Musik», «Aus dem Audio- und Videoarchiv», «Bildergalerien») ist all dies auf der Jubiläums-DVD zu hören und zu sehen.

Und noch viel mehr: Die Erinnerungen jener Menschen, welche die Geschichte von SRI geprägt haben, die ihre Geschichte in diesem helvetischen Turm von Babylon erzählen – auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Arabisch und seit jüngerer Zeit auch auf Chinesisch und Japanisch.

Von der Kurzwelle zum Internet

Die Jubiläums-DVD schildert das Abenteuer des internationalen Radios der Schweiz. Die Geschichte der Kriegsjahre, während denen SRI als einzig freie Stimme in Kontinental-Europa eine grosse Verantwortung hatte.

Als Stimme der neutralen Schweiz hatte SRI in der Zeit des Kalten Krieges in Europa eine starke Position. Und weil die Schweiz keine Kolonialgeschichte hat, wurde SRI in zahlreichen afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Ländern gerne und aufmerksam gehört.

Parallel-Angebote

Parallel zu den Kurzwellen-Sendungen entwickelte SRI seinen «Transkriptions-Dienst», Programme auf Kassetten, später auf CD, die von Radiostationen auf der ganzen Welt verbreitet wurden. Ebenso strahlten Fernsehketten weltweit das von SRI produzierte TV-Magazin «Swiss World» aus. Und seit 1992, seit die Fünfte Schweiz brieflich an Abstimmungen und Wahlen im Heimatland teilnehmen kann, produziert SRI Abstimmungs-Kassetten bzw. -CDs als Dienstleistung für die Auslandschweizerinnen und –schweizer.

In den 1990er-Jahren entstehen die Satelliten-Programme, und im 21. Jahrhundert geht SRI aufs Internet: swissinfo heisst die Multimedia-Plattform. Im Oktober 2004 werden die letzten Kurzwellen-Sendungen von SRI ausgestrahlt – Verzicht aufs Radio, an dessen Stelle das Internet. Die einen betrachten den Schritt als mutig, andere als selbstmörderisch.

Eine unsichere Zukunft

1935, zu Beginn des Schweizerischen Kurzwellen-Dienstes, lebten rund 200’00 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland. Nach den neusten veröffentlichten Zahlen (2004) sind es inzwischen 623’000.

Dennoch hat die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR idée suisse im März dieses Jahres den radikalen Abbau von swissinfo angekündigt. 70 bis 80 von insgesamt 120 swissinfo-Beschäftigten sollen entlassen werden (26 Stellen waren bereits Ende 2004 gestrichen worden).

Obwohl die Abbaupläne politisch nicht sanktioniert sind, hält die SRG daran fest. Die zahlreichen Reaktionen aus der Politik zeigen, dass diese hinter dem Mandat und der Arbeit von swissinfo steht. Ebenso die swissinfo-Nutzerinnen und –Nutzer in aller Welt, auch in der Schweiz, wie aus unzähligen Reaktionen ersichtlich ist.

In die Geschichte eintauchen

Die Jubiläums-DVD «Hier spricht die Schweiz – 70 Jahre der Information verpflichtet» soll die Erfolgsstory des internationalen Schweizer Mediums aufzeichnen. Die Zukunft wird bald zeigen, ob diese Geschichte endgültig aufhört oder weitergeht.

Jedenfalls können die treuen Anhänger von SRI und swissinfo jetzt dank der Jubiläums-DVD in die 70-jährige Geschichte des Mediums eintauchen, eines Mediums, das immer noch äusserst lebendig ist. «Schweizer Radio International, im Herzen Europas, im Rhythmus der Welt» – so tönte es auf Kurzwelle Ende des letzten Jahrhunderts.

swissinfo, Bernard Léchot
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

1935: Start des Schweizerischen Kurzwellendienstes (KWD)
1939: Einweihung des ersten eigenen KW-Senders der SRG (Schwarzenburg)
1972: KW-Sender Sottens wird in Betrieb genommen
1978: Umbenennung des KWD in Schweizer Radio International (SRI)
30.10.2004: Einstellung des KW-Senders Sottens; Ende der Kurzwellen-Ära

Mit seinem Kurzwellenprogramm in acht Sprachen erreichte Schweizer Radio International (SRI) während des Kalten Krieges weltweit schätzungsweise zwischen 5 und 10 Millionen Zuhörerinnen und Zuhörer.

In Folge der Krise des Kurzwellenradios entschied SRI Ende der 90-er Jahre, auf die Ausstrahlung von Radioprogrammen weitgehend zu verzichten. Die letzte Sendung in englischer Sprache wurde am 12. April 2004 ausgestrahlt, die letzte Sendung überhaupt (in deutscher Sprache) am 30. Oktober 2004.

Seither konzentriert sich swissinfo/SRI ganz auf die multimediale, neunsprachige Internet-Plattform.

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