Mona (Rebecca Indermaur) erzählt der eifersüchtigen Giulia (Tonia Maria Zindel), wie der Rat des neuen Priesters (Murali Perumal) wieder Gewürz in ihre Ehe bringt.
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Glisch, camera, acziun! Der erste professionelle Spielfilm in Rätoromanisch, einer der vier Landessprachen der Schweiz, war am Filmfestival von Locarno erfolgreich und wurde von einem amerikanischen Verleiher übernommen. Welche Rolle spielt der Film für die romanische Kultur?
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Ich schreibe Artikel über und für die Auslandschweizer:innen, über «die ungewöhnliche Schweiz» sowie tägliche/wöchentliche Briefings. Ausserdem übersetze, editiere und redigiere ich Artikel für die englische Redaktion und spreche Voiceover-Kommentare für Videos ein.
Ich bin in London geboren, habe einen Abschluss in Deutsch/Linguistik und war Journalist bei der Zeitung The Independent, bevor ich 2005 nach Bern gezogen bin. Ich spreche alle drei offiziellen Amtssprachen des Bundes und geniesse es, die Schweiz zu bereisen und sie zu üben, vor allem in Pubs, Restaurants und Gelaterias.
«Romanisch ist zwar die am wenigsten verbreitete Schweizer Landessprache, aber Amur Senza Fin erzählt in einer Universalsprache und mit einem wunderbaren Sinn für Humor eine Geschichte über Liebe und Hingabe. Es ist die Art von Film, die das Publikum auf der ganzen Welt begeistert.»
In dieser poetischen Form erklärte Edward Noeltner, Leiter der Cinema Management Group (CMG), das Potenzial, das sein in Los Angeles ansässiges Unternehmen in Amur Senza FinExterner Link sieht, was wörtlich «endlose Liebe» bedeutet, obwohl der internationale Titel «Hide and Seek» lautet.
Der 91-minütige Film wurde von der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), der Muttergesellschaft von swissinfo.ch, für das Fernsehen produziert. Er entspricht dem klassischen Aufbau einer Fernsehkomödie. Eine ländliche Gemeinde in der Ostschweiz bekommt einen neuen Priester, der sich als Deutscher mit indischen Wurzeln erweist und kein Wort Romanisch spricht. Diese scheinbar unwahrscheinliche Situation ist eigentlich nicht so konstruiert, wie sie klingt.
Die Handlung nimmt jedoch eine Wendung ins Dramatische, als Mona merkt, dass ihr Mann Gieri mit ihrer ehemaligen besten Freundin Giulia herummacht. Wird Mona ihm seine sechsmonatige Affäre verzeihen oder mit dem schneidigen neuen Mann in der Stadt anbändeln? Wie passt der neue Priester und seine unkonventionellen Methoden zu all dem?
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Um ehrlich zu sein, der Trailer lässt den Film lustiger erscheinen, als er eigentlich ist. Er ist ziemlich vorhersehbar, aber dies ist keine Filmkritik: Der Grund, warum wir über Amur Senza Fin sprechen, ist, dass er hauptsächlich auf Romanisch gedreht wurde, einer Schweizer Landessprache, die von rund 60’000 Menschen im Kanton Graubünden gesprochen wird.
«Die SRG machte deutlich, dass der Film im Interesse des Romanischen lag. Es soll der Sprache helfen, eine wichtige Position in der Schweiz einzunehmen und den Schweizern zu helfen, dies zu erkennen», sagt der Regisseur des Films, Christoph SchaubExterner Link, gegenüber swissinfo.ch.
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«Es soll auch das Leben der modernen romanischsprachigen Leute und einen modernen Sprachgebrauch aufzeigen. Viele Leute sagen, das Romanische sei wie ein Museum: Niemand spreche es, es sei nicht lebendig. Das ist offensichtlich nicht wahr. Das sind keine Bauern oder Hirten! Es sind normale Menschen mit normalen Interessen. Das war das politische Ziel dieses Films: zu zeigen, dass das Romanische in der Schweiz normaler Alltag ist.»
Andreas Gabriel, Sprecher von Lia RumantschaExterner Link, einem Dachverband, der sich für die Erhaltung und Förderung des Romanischen einsetzt, aber nicht an der Produktion von Amur Senza Fin beteiligt war, stimmt zu. «Ich fand die Szenen, in denen sich die Leute auf Romanisch stritten, besonders lustig. Sie zeigen, wie lebendig und phantasievoll die Sprache ist.»
Gabriel weist darauf hin, dass Amur Senza Fin nicht der erste romanische Spielfilm ist, wie einige der Marketingexperten behaupteten. «Diese Ehre gebührt Dino Simonetts La Rusna Pearsa (Das verlorene Loch) von 1993. Aber es stimmt, dass Amur Senza Fin die erste professionelle Filmproduktion auf Romanisch ist.»
«Wunderbare Gelegenheit»
Der Film ist einer von mehreren aktuellen Bemühungen, das Interesse an der romanischen Kultur zu wecken. Dieses Ziel verfolgte zum Beispiel auch der Online-Comic Il Crestomat.
«Die Wahrnehmung und Präsenz in der Öffentlichkeit ist für das Überleben einer Minderheitensprache wie des Romanischen unerlässlich», sagt Gabriel gegenüber swissinfo.ch. «In dieser Hinsicht ist dieser Film eine wunderbare Gelegenheit, die romanische Sprache und Kultur dem Publikum näher zu bringen. Ausserdem beseitigt es alle Zweifel, dass eine kleine Sprache nicht auch als Filmsprache funktioniert.»
Für den internationalen Markt wird der Film natürlich entweder untertitelt oder synchronisiert. «Der Film wird durch die Übersetzung etwas verlieren, weil er ein wenig mit Romanisch und Deutsch spielt, wie Bollywood mit Hindi und Englisch, aber es ist eine Komödie, und es wird funktionieren», sagt Schaub.
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80 Jahre Rätoromanisch als Landessprache
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Rätoromanisch ist vom Aussterben bedroht. swissinfo.ch führte ein Live-Gespräch mit Romanist und Publizist Rico Valär.
Selbstverständlich gibt es Gründe, warum Minderheitensprachen kommerziellen Erfolg haben können: Der walisische Film Solomon a Gaenor wurde für einen Oscar nominiert und Mel Gibson machte Kassenschlager in Maya (Apocalypto) und Aramäisch (The Passion of the Christ).
Für das ausländische Publikum macht es keinen Unterschied, ob die ursprüngliche Sprache des Films, der synchronisiert oder untertitelt wurde, romanisch oder rumänisch war. «Wenn der Film global verständlich ist, glaube ich nicht, dass es ein Hindernis für Erfolge im Ausland gibt – und unser Film hat einen Weg aus der Schweiz gefunden, was sehr schön ist», sagt Schaub.
Keine romanischen Regisseure
Weder Schaub noch die Drehbuchautorin Sabine PochhammeExterner Linkr sprechen Romanisch – das Drehbuch wurde vom preisgekrönten Autor Leo TuorExterner Link aus dem Deutschen ins Romanische übersetzt und die Arbeitssprache bei den Dreharbeiten war Deutsch, das jeder sprechen konnte.
Schaub ist ein erfahrener RegisseurExterner Link. Er hat mehrere Dokumentarfilme in romanischer Sprache gedreht. Aber manche Leute fragen sich, ob sich das Minderheiten-Kino nicht durch Unterstützung der romanischen Regisseure und Drehbuchautoren entwickeln liesse.
«Es gibt keine romanischsprachigen Filmregisseure», antwortet er. «Sie suchten nach ihnen. Es gibt Regisseure aus Graubünden, aber sie sind deutschsprachig. Bei Dokumentationen ist das anders. Es war nicht meine Entscheidung, mich an eine deutschsprachige Drehbuchautorin zu wenden, aber sie hat ausgezeichnete Arbeit geleistet.»
Schaub sagt, dass die 24-tägigen Dreharbeiten in SagognExterner Link, einer sehr fotogenen Gemeinde mit rund 700 Einwohnern am Rande des Naturparks BeverinExterner Link, «viel Spass gemacht hat» und reibungslos verlaufen sei.
«Es war ein Risiko, weil es schwierig ist, auf Romanisch zu drehen und die richtigen romanischen Schauspieler zu finden. Es gibt gute romanische Schauspieler, aber nicht viele von ihnen, deshalb muss man die Figuren im Drehbuch auf die Schauspieler anpassen.»
Tatsächlich liefert Rebecca Indermaur, die als Mona eine starke Performance zeigt, ihre Zeilen auf Romanisch, kann es aber nicht sprechen. Sie sei zwar in der Region aufgewachsen, aber ihre Muttersprache sei nicht romanisch, sagt Schaub, der einen romanischen Sprachlehrer hatte, der die Sprache untersuchte, Tipps zur Aussprache gab und Änderungen im Dialog diskutierte.
«Es war eine wirklich gute Zusammenarbeit – auch mit den Einheimischen», erklärt er. «Es war nicht stressig wie beim Drehen in der Stadt.»
«Das Romanische wird überleben»
Wie bei anderen jüngeren Hits, die teilweise in Graubünden gedreht wurden, darunter Heidi, Schellenursli oder SennentuntschiExterner Link, ist die Landschaft einer der Stars.
Die Bedeutung der Jagd ist für die Männer des Dorfes eine der Nebenhandlungen des Films.
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«Es gibt eine Redewendung, wonach man in seinem Film Berge zeigen muss, wenn man in der Schweiz Erfolg haben will» sagt Schaub. «Ich habe in Zürich einen sehr erfolgreichen Film gedreht, Julias VerschwindenExterner Link, aber für den amerikanischen und weltweiten Vertrieb sind die Berge exotisch.»
Ob Amur Senza Fin zu einem Ansturm von Anmeldungen für romanische Kurse führt, bleibt abzuwarten, aber Andreas Gabriel von Lia Rumantscha ist vorsichtig optimistisch.
«Die Zahl der romanisch Sprechenden ist mehr oder weniger stabil, obwohl die Gesamtbevölkerung wächst. Das Wichtigste ist, dass die Sprache mit Freude und Verve verwendet wird. Solange es jeden Tag gesprochen und geschrieben wird, wird das Romanische überleben.»
Amur Senza Fin
Amur Senza Fin wurde mit einem Budget von 2 Millionen Franken für das Fernsehen produziert, hauptsächlich finanziert durch die SRG..
Der Film eröffnete das Locarno-Festival, wurde am 20. August in 20 Kinos im ganzen Land gezeigt und wird auf Langstreckenflügen von Swiss und Lufthansa gezeigt.
Auf SRF wurde der Film am 23. September ausgestrahlt. Er ist auch auf DVD erhältlich.
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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Die Scheidungsrate in der Schweiz ist ziemlich durchschnittlich. Es scheint aber einen Graben zwischen (Vor-)Stadt und Land zu geben, der darauf hindeutet, dass das Leben auf dem Land zum Eheglück beiträgt. Oder doch nicht?
Überträgt man die Scheidungsraten des ganzen Landes auf eine Karte, sieht man, dass Scheidungen in der Umgebung urbaner Zentren am häufigsten vorkommen. Aber auch in vielen Schweizer Pendlerorten – oft in grüner, malerischer Umgebung gelegen – scheint es höhere Scheidungsraten zu geben.
Im Metropolitanraum Zürich waren Scheidungsraten von um die 40 auf 100 Ehen über die letzten vier Jahrzehnte die Norm; höher als in der Stadt Zürich selber (35 auf 100). Im Bemühen, herauszufinden, weshalb das so ist, besuchte ich den kleinen Ort Adlikon bei Andelfingen, rund 30 Minuten Fahrt von der Bankenhauptstadt der Schweiz entfernt. Mit einem Restaurant, einem Coiffeursalon und einer Primarschule ist Adlikon weder ein eigenständiges, noch ein wirkliches ländliches Dorf.
Zur Mittagszeit sind die meisten Tische im Restaurant besetzt. Die Kundschaft reicht von Polizisten, die dienstfrei haben, bis zu Senioren, die sich zum Kartenspiel treffen. Zwei Frauen, die ihre Mittagspause hier verbringen, sind erstaunt, als sie von der hohen Scheidungsrate hören.
"Das ist interessant! Wahrscheinlich ist das der Grund, wieso ich nicht heirate", scherzt die Frau mittleren Alters, während die jüngere kichert. Vielleicht sei die ruhige Umgebung zu langweilig für gewisse Leute, sinniert ein Beamter. "Die Leute träumen von einem Haus auf dem Land, doch dann ist es vielleicht allzu 'ländlich' – zumindest für die eine Hälfte eines Paars. Und dann hat man ein Problem."
Rolle der Religion
Als sie die Karte mit den Scheidungsraten sieht, erklärt eine ältere Frau, der Grund, wieso es in gewissen Gegenden der Schweiz so wenige Scheidungen gebe, sei die Religion.
"Das sind die katholischen Regionen. Wir sind hier viel freier", sagt sie, wobei das "hier" für die allgemein protestantisch geprägten Gemeinden im Kanton Zürich steht. In Adlikon gibt es gar keine Kirche, im benachbarten Andelfingen dafür sowohl eine katholische wie eine protestantische.
Im bergigen – und mehrheitlich katholischen – Kanton Wallis gibt es zwei Dörfer, in denen sich scheinbar noch nie ein Paar hat scheiden lassen. Die Einheimischen hier können sich ein paar Gründe für diese Tatsache vorstellen.
Asked whether religion is really such a key factor, University of Zurich sociologist François Höpflinger is sceptical – but says it could have some influence in terms of divorce rates.
“Rural areas are more likely to be Catholic, and urban Protestant, though I think the differences are blurring,” Höpflinger told swissinfo.ch. In any case, social mores have changed. Back at the restaurant in Adlikon, the grandmother observes: “It’s OK for children to be born out of wedlock today. But 40-50 years ago, they were taken away.” Another patron, a silver-haired man, adds that it’s also more acceptable for people to not marry at all these days. But both say they know a number of couples who’ve been married for 20-40 years.
Living apart together
As Höpflinger points out, it’s tricky to interpret marriage and divorce statistics.
“In cities, couples often don't even get married. So any ‘divorces’ are then unofficial, as it were, since nobody records those break-ups. That’s part of the reason why the Swiss divorce rate has gone down – because fewer people are getting married,” Höpflinger says.
In 2014, about 42,000 couples tied the knot in Switzerland. In comparison, the late 1960s saw about 46,000 weddings per year, and the year 1991 saw an all-time high of 47,567. The Federal Statistical Office has marriage records dating back to 1801.
Among those who do marry, staying married doesn’t necessarily mean that they’re happy, points out Höpflinger. “It seems that in most countries, the divorce rates have been going down because people have more ways of mitigating conflict than before. For example, by ‘living apart together’ or via open relationships.”
Leaving Adlikon I meet a man walking his dog, and strike up a conversation. Hearing that divorce is so common in the area intrigues him – and seems to cheer him up.
“I’m going through it myself,” he says. As it turns out, he and his wife separated in January.
Switzerland compared to the US
Religion plays a bigger role in the United States than it does in Switzerland. In the US, divorce is often more common in rural areas – and less so in the Northeast, where levels of education and the ages of the brides and grooms tend to be higher.
“In the United States, belonging to a religion is a big deal – more so than in Switzerland or Europe. There are religions that ban divorce, and sex before marriage, and they exact a certain amount of social control,” according to University of Zurich sociologist François Höpflinger.
University of Texas sociologist Jennifer Glass says it is religion and culture – more so than location – that influence divorce rates in the US.
“In the South, conservative religious beliefs (Christian religious fundamentalism) lead communities to deny comprehensive sexuality education and encourage youth to abstain from sex until marriage,” Glass told swissinfo.ch.
She notes that shotgun weddings are still common in the South, as many believe that both contraception and abortion are sinful.
“Youth who do engage in sex tend to get pregnant quickly and marry to resolve the pregnancy. So it’s the combination of conservative beliefs about sex and less emphasis on educational attainment that result in lots of early marriages between two young people with inadequate education and training to support themselves, coupled with early and frequent childbearing. It’s a recipe for higher divorce rates,” Glass says.
Contact the author on Twitter: @SMisicka
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