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Schweizer Fotograf hält den Wandel von Grenzen fest

Ellhorn, Schweiz
Während des Zweiten Weltkriegs wollte die Schweiz das benachbarte Liechtenstein in ihr Landesverteidigungs-Programm einbeziehen, weil seine Lage für einen Angriff an der Schweizer Grenze ideal war. Liechtenstein war aufgrund seiner damaligen Beziehungen zu Deutschland nicht bereit, sich selbst auszuliefern. Schliesslich übergab Liechtenstein nach Verhandlungen, finanzieller und territorialer Entschädigung verschiedene strategisch und militärisch wichtige Standorte an die Schweiz, darunter das markante Ellhorn, oben abgebildet. Der 758 Meter hohe Berg gehört seit 1949 zur Gemeinde Fläsch in der Schweiz. Roger Eberhard

In einem kleinen Land und von anderen Staaten umgeben, gehören Grenzen zum Alltag vieler Schweizerinnen und Schweizer. Geschlossen während der Gesundheitskrise, rückten sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Fotograf Roger Eberhard beschäftigte sich drei Jahre mit Grenzen. Entstanden ist ein Buch, von besonderer Relevanz in der Zeit der Corona-Pandemie.

Roger Eberhard sagt, er habe ein Buch über Grenzen machen wollen, um «ein sichtbares und sich ständig veränderndes kartographisches Puzzle unserer Welt» zu zeigen. Für den Künstler und Verleger aus Zürich sind Ländergrenzen «fliessend» und an die Politik gebunden. Er ruft in Erinnerung, wie sich die Zahl der Länder in der Welt seit den 1960er-Jahren verändert hat.

Einreiseverbote, Grenzmauern und «Massenmigration» sorgen in den Weltnachrichten zurzeit regelmässig für Schlagzeilen. Angesichts dessen wollte der Fotograf mit seinen Bildern der «Vergänglichkeit dieser vom Menschen geschaffenen Markierungen» mehr Gewicht geben.

Furggsattel, Walliser Alpen, Schweiz
Die Bergstation des Skilifts zum Furggsattel-Gletscher bei Zermatt gehörte früher zu Italien. Aufgrund des Klimawandels schrumpften die Gletscher der Region und die Wasserscheide zwischen dem südlichen Nachbarland und der Schweiz verschob sich. Roger Eberhard

Eberhard reiste von Land zu Land, um die Bilder für «menschliche Gebietszugehörigkeit» zu machen, die im März 2020 veröffentlicht wurden. Sein Ziel war es, zu zeigen, wie Linien auf einer Karte in der Realität manchmal verblassen, sich bewegen oder überwachsen werden. So fotografierte er nur Orte, an denen sich die Grenzen verändert haben, verschwunden sind oder an denen die Länder, die früher aneinandergrenzten, gar nicht mehr existieren.

Der Gelbe Fluss, China.
Der Gelbe Fluss, der zweitlängste Fluss Chinas, schlängelt sich nahe der Autonomen Region Tibet über 5464 Kilometer bis zum Bohai-Meer. Im Jahr 230 v. Chr. machte sich Prinz Ying Zheng von Qin auf, um die anderen vier Königreiche zu erobern. Die Qin-Dynastie dauerte 15 Jahre und war damit die kürzeste in der chinesischen Geschichte. Auf seinen Tod im Jahre 210 v. Chr. folgte die Han-Dynastie. Das von ihr eingeführte kaiserliche Regierungssystem dauerte mit nur wenigen Anpassungen über zwei Jahrtausende bis 1912. Roger Eberhard


Rakaw, Weissrussland
Rakaw ist eine städtische Siedlung mit rund 2100 Einwohnern. Sie liegt 39 Kilometer westlich von der weissrussischen Hauptstadt Minsk. Die Nationalität einer 1905 in Rakaw geborenen 90-jährigen Person hätte im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrmals geändert. Nach der Geburt im Russischen Reich und der deutschen Besetzung während des Ersten Weltkriegs wäre der Dorfbewohner 1922 Staatsbürger der zweiten polnischen Republik und 1939 der Sowjetunion geworden. Das Dritte Reich besetzte Rakaw im Zweiten Weltkrieg kurzzeitig. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 hätte der Dorfbewohner einen Pass des neu unabhängigen Weissrusslands erhalten. Roger Eberhard

Hinter jedem Bild von Eberhard steckt eine Geschichte. Es hält eine Zeit und einen Ort in der Geschichte poetisch fest und zeigt, was passiert, wenn Politik oder Klimawandel die Art und Weise verändern, wie wir die Welt sehen.

Zwei Schweizer Standorte entsprachen seinen Kriterien: Der Furggsattel, ein Bergpass im südwestlichen Kanton Wallis, und das Ellhorn in der Ostschweiz, das während des Zweiten Weltkriegs für die Schweizer zu einem Brennpunkt wurde.

Die Schweiz wollte das benachbarte Liechtenstein in ihr Landesverteidigungsprogramm einbeziehen, weil dessen Lage für einen Angriff auf die Schweizer Grenze ideal war.

Nach Verhandlungen sowie einer finanziellen und territorialen Entschädigung übergab Liechtenstein schliesslich verschiedene strategisch und militärisch wichtige Standorte an die Schweiz, darunter das markante Ellhorn (im ersten Bild). Der 758 Meter hohe Berg gehört seit 1949 zur Gemeinde Fläsch in der Schweiz.

São Vicente, Brasilien
1494 einigten sich das Königreich Portugal und das Königreich Kastilien – oder Spanien – darauf, alle neu entdeckten Länder ausserhalb Europas unter sich aufzuteilen. Der Vertrag legte die genauen Koordinaten der Grenze nicht fest, und zu diesem Zeitpunkt wusste keine der beiden Parteien, dass die Linie durch das heutige Brasilien verlief. Im Jahr 1500 schliesslich beanspruchte das Königreich Portugal das Land, nun Brasilien genannt, für sich, und die 1532 gegründete Stadt São Vicente wurde seine erste dauerhafte Siedlung. Roger Eberhard


Roger EberhardExterner Link, geboren 1984, studierte Fotografie am Brooks Institute of Photography in Santa Barbara, Kalifornien, und an der Zürcher Hochschule der Künste.

(Übertragung aus dem Englischen: Kathrin Ammann)

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