«An Kunstmessen stehe ich unter Strom»
Der Zürcher Unternehmer Hans Bollier sammelt mit Leidenschaft und Gespür junge Kunst. "Die Art Basel ist ein Muss für jeden Kunstsammler", sagt er auf dem Rundgang durch seine Wohnung.
Im Treppenhaus der Familie Bollier hängt ein luftiges, fünfteiliges Mobile der jungen polnischen Künstlerin Paulina Olowska. Die aus der Alltagskultur inspirierten, schwebenden Metallplatten thematisieren den Verlust der polnischen Handwerkstradition im Zuge der Globalisierung.
«Mich interessieren von jeher Werke von jungen Künstlern, die noch kaum eine Biografie haben», sagt Hans Bollier. «Dabei ist das Gefühl ausschlaggebend, ich kaufe aus dem Bauch heraus.» Zudem sei junge Kunst noch zahlbar.
Mit grossem Interesse verfolgt Hans Bollier den Werdegang von jungen Künstlern. «Es ist schön und auch eine Art Bestätigung, wenn man nach einigen Jahren sieht, dass sich ein Künstler, von dem man etwas gekauft hat, toll entwickelt», sagt der Kunstsammler.
Das war etwa bei Markus Raetz so, heute einer der international etablierten Schweizer Künstler. «Als ich vor rund 30 Jahren in der Kunsthalle Bern ein Porträt von Raetz für 6000 Franken kaufte, musste ich dafür einen Kleinkredit aufnehmen, weil ich es mir sonst nicht hätte leisten können», erzählt Bollier.
Schattenseiten des Kunstmarkts
Von Raetz ist auch die Doppelkopf-Plastik aus Metall, die je nach Standpunkt des Betrachters in Normalposition oder auf dem Kopf steht. Ausserdem die ironische Draht-Skulptur eines sitzenden Hasen, der im Spiegel zu einem Kopf mit Hut wird, eine Anspielung auf den deutschen Konzeptkünstler Joseph Beuys und seine Aussage: «Ich bin ein Hase.»
Fast eine ganze Wand im Wohnzimmer nimmt ein Bild von David Noonan ein. Erst vor einem Jahr hat Bollier den australischen Künstler an der Art Basel entdeckt. Dabei lernte er auch die Schattenseiten des hektischen Kunstmarktes kennen.
«An Kunstmessen stehe ich jeweils unter Strom, denn ich weiss, dass die guten Werke spätestens nach zwei Stunden verkauft sind, da bleibt weder Zeit noch Raum, eine Entscheidung aufzuschieben, man muss sicher sein, was man will», erzählt der Sammler.
Bei diesem Noonan war sich Bollier so sicher, dass er ihn sofort per Handschlag kaufte. Kostenpunkt 30’000 Dollar. «Als ich den Ankauf schriftlich bestätigen wollte, liessen die Leute dieser australischen Galerie nichts mehr von sich hören, beantworteten weder Mail noch Fax und riefen nicht zurück, wenn ich telefonierte.»
Es sei äusserst frustrierend für ihn gewesen, zu sehen, wie dieser vermeintliche «Ankauf» im Nichts verlaufen sei. Später habe er – allerdings bei einer anderen Galerie – zwei Bilder von Noonan gekauft, die nun im Wohnzimmer hängen.
Astronomische Preise
Der Kunstmarkt ist eine hektische Angelegenheit. Niemand weiss dies so gut wie ein Sammler, der sich selbst in die Arena begibt. «Von den unendlich vielen Künstlern auf der Welt hinterlassen nur wenige kunsthistorische Spuren», erklärt Bollier. «Wenn so einer auftaucht, stürzen sich alle auf ihn, und die Preise seiner Werke schnellen ins Astronomische.»
Die nervöse Stimmung bei der Art Basel und anderen Kunstmessen komme daher, dass Sammler und Kunsthändler hier versuchten, diese Künstlerinnen und Künstler zu entdecken.
Hochzeitsgeschenk als Auslöser
Mit dem Sammeln hat Hans Bollier bereits als 10-Jähriger angefangen. «Ich sammelte damals Münzen, allerdings nicht handelbare, sondern Münzen aus der Archäologie. Das Sammeln lag mir wohl im Blut.»
Das Studium der Architektur habe ihm die Liebe zur Schönheit vermittelt. «Das Hochzeitsgeschenk meines Bruders, eine Mappe mit Schweizer Originalgrafik, war der Auslöser für meine Frau und mich, Kunst zu sammeln.» Anfangs hätten sie nur für höchstens einige tausend Franken im Jahr Kunst gekauft.
«Jetzt gebe ich dafür bedeutend mehr Geld aus. Ab und zu verkaufe ich ein Werk, um neue Ankäufe zu refinanzieren und so in der aktuellen Szene dabei zu sein», sagt Bollier.
Manchmal gehe er abends durch die Wohnung und betrachte die Bilder und Skulpturen. «Dabei entdecke ich immer wieder Neues. Kunst ist eine tägliche Herausforderung.»
swissinfo, Susanne Schanda
Die weltweite grösste und bedeutendste Messe für moderne und zeitgenössische Kunst wird am 3. Juni in der Messe Basel eröffnet und dauert bis 8. Juni 2008.
300 Galerien präsentieren Werke von 2000 internationalen Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts.
Ein Tages-Pass kostet 35 Franken, ein Abend-Eintritt 15 Franken.
Die Messe wurde 1970 von einer Gruppe Galeristen um Ernst Beyeler gegründet. Bis 2007 wurde sie von Samuel Keller geleitet, der 2001 die Art Basel Miami Beach in Florida lancierte.
Danach hat ein Dreierteam die Leitung der Messe übernommen: Cay Sophie Rabinowitz, Annette Schönholzer und Marc Spiegler.
Vor wenigen Wochen hat die künstlerische Leiterin Rabinowitz ihren Rücktritt von der Messeleitung bekannt gegeben.
Neben dem Hauptbetrieb in den Messehallen bietet die Art Basel Art Statements (junge Künstler), Art Unlimited (Grenzen sprengende Werke), Art on Stage (Performance und Theater), Public Art Projects (Shows auf dem Messeplatz).
Art Basel Conversations (Kunstgespräche) bringen internationale Kunstexperten zusammen.
Ausserdem gibt es Filme, Spektakel, Kinder-Workshops und Kunst-Parties.
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