Anthony Hopkins fesselt Locarno, auf und neben der Leinwand
Der walisische Schauspieler und Regisseur war am Freitag der bisherige Höhepunkt der 60. Ausgabe des Filmfestivals Locarno.
Mit seinem Film «Slipstream», der im internationalen Wettbewerb läuft, präsentierte Hopkins ein virtuoses Werk mit experimenteller Struktur, dem eine gewisse Ironie nicht fehlt.
Bundesrat Pascal Couchepin beendete seine Pressekonferenz am Freitag genau in jenem Augenblick, als Anthony Hopkins, seine Frau Stella Arroyave und der Schauspieler Christian Slater ankamen.
Sie wurden von den Journalisten frenetisch beklatscht und ausgiebig fotografiert.
Der Waliser (Hopkins) und der Walliser (Couchepin) wechselten daraufhin einige Worte. Ersterer ging wieder auf das Podium und zog weiterhin die Aufmerksamkeit aller auf sich. Der Minister zog sich zurück, fast unerkannt.
Dieses Jahr ist Sir Anthony Hopkins fast alleine verantwortlich für den Glamour-Faktor an einem Festival, das sich wenig aus roten Teppichen macht. Doch der Schauspieler ist in seiner Funktion als Regisseur gekommen.
«Wir wurden nach Rom und an andere Festivals eingeladen», erklärte Stella Arroyave, Produzentin von «Slipstream». «Doch wir haben Locarno ausgewählt, wegen seines wirklich unabhängigen Geistes.»
Achterbahnfahrt
Der Film, der als internationale Premiere in Locarno gezeigt wurde, ist durch seine Form und seinen Inhalt typisch für das unabhängige (amerikanische) Filmschaffen. Und er scheint beim Publikum anzukommen.
«Slipstream» ist eine Achterbahnfahrt zwischen Realität und Einbildung, die mit der Freiheit des Gedankenguts spielt. Hopkins hat sein Alterswerk mit extremer grafischer Tiefe und schnellem Schnitt ausgestattet.
Er selber spielt einen Drehbuchautoren am Rande des Wahnsinns. Zwischen Träumen und Hirngespinsten spielt ihm sein Hirn Streiche, vermischen sich Film und Wirklichkeit, während er einen Krimi schreibt. In weiteren Rollen sind John Turturro und Christian Slater zu sehen.
Ein Rebell
Während «Slipstream» auch ein Actionfilm und eine humorvolle Persiflage auf das Filmgeschäft ist, bietet es zudem einen Einblick in die Arbeitsweise des Gehirns von Sir Hopkins.
«Meine Frau hat mir vorgeschlagen, einen Film zu machen», betonte er an der Pressekonferenz. «Ich habe zu mir gesagt: wenn es misslingt, komme ich nicht ins Gefängnis. Und so haben sich die Szenen aneinandergefügt – und der Film ist wie ein Fluss aus dem Unterbewussten entstanden.»
Eigentlich habe er etwas Abgedrehtes, Experimentelles machen wollen, ergänzte er. «Meine erste Intention war es, zu destabilisieren, die Leute verrückt zu machen. Ich bin ein Rebell.»
Es sollte also ein unkonventioneller Film werden über das Leben, «das wie alles andere nur eine Illusion ist. Dieser Film ist eine Metapher des Lebens, das einen Anfang und ein Ende hat und sonst nichts».
Grosse Freiheit
Um «Slipstream» zu realisieren konnte Hopkins auf private Geldquellen zurückgreifen.
«Produzenten wollen immer auch im Film mitreden. Das wollte ich nicht», erklärte er.
«Ich habe mir so viel Mut zugesprochen, wie ich konnte; und das hat mir eine grosse Freiheit gegeben.»
Schauspieler Slater, der von Begin weg bei «Slipstream» dabei war, erklärte, er sei «sofort vom Drehbuch inspiriert» gewesen. «Meine Rolle hat mir sehr gefallen; sie liess mir viel Platz zum kreativen Experimentieren.»
swissinfo, Pierre-François Besson, Locarno
1937 in Wales geboren, studierte Hopkins Dramaturgie, bevor er von Laurence Olivier an das National Theatre in London geholt wurde.
Seine Karriere als Filmschauspieler beginnt im Fernsehen mit 40 Jahren in «A flea in her ear».
Zu den wichtigsten Filmen seiner Karriere gehören «The Elephant Man» von David Lynch (1980), «Desperate hours» von Michael Cimino (1990) oder «Das Schweigen der Lämmer», der ihm den Oskar für die beste Hauptrolle eingetragen hat.
Unvergesslich auch seine Auftritte in «Howard’s End» (1992) und «The remains of the day» (1993) von James Ivory.
Vor «Slipstream» hat Hopkins «Dylan Thomas: return journey» (1990) und «August» (1996) realisiert.
Die 60. Ausgabe des Filmfestivals Locarno, dem grössten Schweizer Filmfestival, findet vom 1. bis 11. August 2007 statt.
Gezeigt werden insgesamt 160 Langspielfilme, davon sind allein 80 in den Hauptprogrammreihen zu sehen.
80 internationale Erstaufführungen, davon rund 20 Debütfilme. Am Filmfestival Locarno sind rund 30 Länder vertreten.
35 Schweizer Filme in der Auswahl 2007, verteilt auf die verschiedenen Programmreihen.
19 Filme stehen im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden der 60. Festivalausgabe. Die Schweiz ist vertreten mit «Fuori dalle corde» des Tessiner Regisseurs Fulvio Bernasconi.
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