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Art Basel – die Mutter aller Messen

Art Basel 1975 - die Messe als Begegnungsort und Verkaufsplattform. Keystone

Als an der ersten Art Basel vor 40 Jahren Kunst in Messehallen wie Kühlschränke gehandelt wurde, löste das eine Kontroverse aus. Doch ihr Erfolgskurs war nicht aufzuhalten: Innert kurzer Zeit avancierte die Art Basel zur grössten Kunstmesse der Welt.

Als erstes sprang dem Besucher der 40. Art Basel das Werk des Schweizer Künstlers Valentin Carron auf dem Messeplatz ins Auge: ein zwölf Meter hohes Kreuz aus Holz.

Schwarz ragte es aus dem Asphalt. Ein Mahnmal für das Ende des Booms auf dem Kunstmarkt, das durch die Wirtschaftskrise herbeigeführt wurde. Ein Mahnmal für die rund 61’000 Besuchenden, die ins Kunst-Mekka nach Basel pilgerten.

Ist es ein weiteres Zeichen für eine Wende auf dem Kunstmarkt, dass das 80 Mio. Franken teure Werk von Andy Warhol, mit dem sich die renommierte Zürcher Gallerie Bruno Bischofberger an der 40. Art Basel präsentierte, unverkauft blieb? Wie hatte der US-Künstler doch gesagt: «Die beste Kunst ist das Geschäft mit der Kunst».

Während in letzter Zeit andere Kunstmessen ihre Veranstaltung zum Teil absagen mussten und in London und New York Galerien leer stehen, bietet die Art Basel jedenfalls der Krise bisher selbstbewusst die Stirn.

Anna Helwing von der renommierten Schweizer Galerie Hauser + Wirth macht sich jedenfalls keine Sorgen um die Zukunft der Basler Kunstmesse: «Die Art Basel ist die Mutter aller Messen – wenn eine bestehen bleibt, dann sie.»

«Offen für alle»

Für Sammler und Kunstliebhaber ist die grösste und prestigeträchtigste Kunstmesse der Welt ein Muss; für Galerien kommt die Teilnahme an der Art Basel einer Auszeichnung gleich: Von den rekordverdächtigen 1100 Galeristen, die sich für die 40. Ausgabe um einen der Messestände bewarben, wurden 308 ausgewählt.

Ganz anders in den Anfängen der Art Basel, die 1970 von den Galeristen Trudl Bruckner, Balz Hilt und Ernst Beyeler gegründet wurde: Damals konnte jeder, der wollte, seine Werke ausstellen.

«Die Kunstmesse in Basel wurde als direkte Reaktion auf den Kunstmarkt Köln gegründet. Die Basler wollten damals eine offene Messe, an der alle teilnehmen können», sagt Annette Schönholzer, Co-Direktorin der Art Basel, gegenüber swissinfo.ch.

Im Gegensatz zum 1967 lancierten Kunstmarkt Köln (heute Art Cologne) – der ersten Kunstmesse überhaupt –, der fast ausschliesslich deutsche Galerien zuliess, war die Art Basel von Anfang an international ausgerichtet.

Die Art Basel etablierte sich als eine Art demokratisches Gegenmodell zum geschlossenen «Kölner Kunst-Kartell» (Die Zeit). Angesichts des Erfolgskurses des Basler Konkurrenten gingen die Organisatoren der Kölner Kunstmesse so weit, zum Boykott dieser Veranstaltung aufzurufen.

Trotz allem überholte die Art Basel den Kunstmarkt Köln bereits 1973 – und gilt seither als grösste Kunstmesse der Welt.

Konsum und Spekulation

Dass die Kunst aus Museen und Galerien hinausgetragen und in einer Messehalle wie Nähmaschinen, Möbel oder Wein verkauft wurde, löste damals heftige Diskussionen aus.

«Galeristen bekennen sich erstmals so offen zu ihren kommerziellen Ambitionen und leugnen damit endlich das sentimentalische Image, Idealisten im Dienste der Kunst zu sein», so der Kommentar eines deutschen Fernsehreporters zur Entstehung der Kunstmessen. «Es wurde nie deutlicher, dass Kunst Ware ist, Konsumgut. Eine Massenproduktion einer Entwicklung, die wohl kaum aufzuhalten ist.»

Die Idee der Messe als Begegnungsort und Verkaufsplattform im Kunstbereich setzte sich jedoch innert kurzer Zeit durch: Heute buhlen weltweit rund 600 Messen um Galerien und Sammler.

Vom Chaos zum Event

Während die erste Ausgabe der Art noch chaotisch und improvisiert wirkte – so hinterliessen etwa Tinguelys erste Wasser speiende Figuren einen Sumpf, weil niemand an Abflüsse gedacht hatte, und auch waren nach der Eröffnung längst nicht alle Bilder ausgepackt -, entwickelte sie sich mit der Zeit zur perfekten Organisations-Maschinerie.

Mit zunehmendem Alter wollte die Art Basel mehr als einfach Kunst vermarkten. In den 1990er-Jahren baute Lorenzo Rudolf, von 1991 bis 2000 Direktor der Art Basel und seit 2009 Leiter der Kunstmesse «Artparis» und «Artparis-Artparis Abu Dhabi», die Messe als Event auf und machte sie durch die Einführung von Selektionskriterien für Galerien zum Qualitätslabel.

Dieses Konzept wurde von seinem Nachfolger Sam Keller mit nicht kommerziellen Crossover-Veranstaltungen und kuratierten Formaten erweitert. Er gründete auch die Tochterveranstaltung Art Basel Miami Beach.

«Kunstmessen sind Volksbühnen»

Die Art Basel spiegelt Trends, nicht nur jene der Künstler, sondern auch jene der Käufer.

Besonders ausgeprägt zeigte sich dies auch vor der Finanzkrise, als namentlich zeitgenössische Kunst als Spekulationsobjekt gehandelt wurde: So ging gemäss den Veranstaltern 2008 die Richtung hin zu bildhauerischen Werken und grossen Arbeiten. Die modernen Werke hätten sich einer neuen Sammlerschicht angepasst, die Co-Direktor Marc Spiegler die «Loftgeneration» nannte.

«Kunstmessen sind recht besehen Volksbühnen, auf denen sich die Kunst zum Zeitstil, zum Indikativ der Epoche, entwickelt und in unvordenklicher Weise popularisiert hat», schreibt der Kunstkritiker Hans-Joachim Müller im kürzlich erschienenen Fotoband des Schweizer Fotografen Kurt Wyss «Looking back at Art Basel». «Nie sind es ja nur die Spezialisten des Kunstbetriebs gewesen, noch entscheidender für den Erfolg wurden jene neuen Massen, die die anarchische Buntheit begierig in ihr Lebensgefühl integriert haben.»

Messe-Standort Schweiz

Wie kommt es, dass die grösste Kunstmesse der Welt gerade in der Schweiz stattfindet? «Basel liegt in einem Länderdreieck, ist leicht erreichbar und weist ein grosses kulturelles Angebot und Sammlernetz auf», sagt Annette Schönholzer.

Als Standortvorteil dürften auch die steuerlichen und rechtlichen Vorteile eine Rolle spielen. So kennt die Schweiz im Gegensatz zur EU bis heute kein Folgerecht, durch das Künstler, deren Werke an Auktionen und Kunstmessen weiterverkauft werden, am Gewinn beteiligt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt für den Erfolg der Art: Der Hauptsponsor, die krisengebeutelte Grossbank UBS, hat gemäss Marc Spiegler die finanzielle Unterstützung für die nächsten Jahre zugesichert.

Corinne Buchser, Basel, swissinfo.ch

Die 40. Ausgabe der Art Basel, die vom 16. bis 20. Juni 2009 stattfand, zog 61’000 Künstler, Sammler, Kuratoren und Kunstliebhaber an. 2008 waren es 60’000 Besucher gewesen.

An der 40. Art Basel präsentierten über 300 Galerien aus 29 Ländern Werke von über 2500 Künstlern.

Galeristen und Publikum waren sich laut den Organisatoren einig, dass die 40. Ausgabe ein sehr starkes Jahr für die Kunstmesse war.

Sie habe klar gezeigt, dass sich das Hochqualitätssegment innerhalb des Kunstmarktes trotz Wirtschaftskrise bester Gesundheit erfreue.

Die Sammler hätten während der ganzen Woche mit konstanten Ankäufen auf das Angebot reagiert.

Begleitet wird die Art Basel mittlerweile von zahlreichen Parallelmessen wie die «Liste 08 – The Young art Fair» oder die «Design Miami/Basel» wie auch von Sonderausstellungen der Basler Museen.

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