Art Basels erfolgreicher Vorstoss in den Nonprofit-Bereich
Die Art BaselExterner Link geht neue Wege und hat im Internet eine Crowdfunding-Initiative lanciert, um Projekte im nichtkommerziellen Kunstbetrieb zu finanzieren. Damit will die weltgrösste Kunstmesse auf die Veränderungen im globalen Kunstgeschäft reagieren, sagt Direktor Marc Spiegler im Interview zur 46. Ausgabe vom 18. bis 21. Juni 2015.
swissinfo.ch: Sie leiten die Art Basel nun schon acht Jahre. Was war die grösste Veränderung im Kunstbereich in dieser Zeit?
Marc Spiegler: Die Kunst ist wirklich global geworden. Künstler, Galeristen und Sammler reisen um die ganze Welt, vernetzen sich und lernen so die verschiedenen Szenen und deren Geschichte kennen.
Art Basel und Kickstarter
In September 2014, Art Basel lancierte eine digitale Crowdfunding Initiative mit dem Ziel, nicht profitorientierte Organisationen aus dem Kunstbereich, die Probleme punkto Finanzierung haben, zu unterstützen und ihnen mehr Visibilität zu verschaffen.
Die Auswahl trifft eine Jury unabhängiger Kuratoren. Zu den Projekten, die aktuell unterstützt werden, gehören die Herausgabe von Katalogen, lokale Ausstellungen von Kunst im öffentlichen Raum, Residency-Programme (Künstleraufenthalte) und Werkbeiträge.
Die Auswertung zeigt, dass die unterstützten Projekte sehr erfolgreich waren, was das Erreichen ihrer Zielsetzung betrifft.
Es gibt aber auch eine Kehrseite: Viele kleinere Galeristen mit gutem Gespür für kommende Trends, die sich bisher der Förderung von Kunst im nichtkommerziellen Bereich verschrieben haben, werden durch digitales Crowfunding im Bereich Kunst aus dem Markt gedrängt.
Auch die wachsende Zahl von Kunstmessen macht diesen kleinen, aber sehr wichtigen Akteuren des Kunstbetriebs zu schaffen.
swissinfo.ch: Wie haben Sie auf das Phänomen Globalisierung reagiert?
M.S.: Die Art BaselExterner Link ist heute selbst zum globalen Player geworden, mit drei Messen auf den drei Kontinenten Europa, Amerika und Asien, die sich über drei Zeitzonen erstrecken. Wir haben ein erfahrenes Team aufgestellt, das heute in den weltweiten Schlüsselmärkten präsent ist. Gleichzeitig aber haben wir unseren lokalen Fokus stets beibehalten.
An der Art Basel stammt die Hälfte der Aussteller aus Europa. In Miami stellen die Aussteller aus USA, Mittel- und Lateinamerika ebenfalls die Hälfte. Dasselbe Bild herrscht in Hong Kong, wo Aussteller aus dem asiatisch-pazifischen Bereich rund 50% abdecken.
Unsere Rolle in der globalisierten Kunstwelt ist es, Interessierten eine Orientierungshilfe zu geben und Brücken zu bauen zwischen Galeristen und Sammlern sowie Osten und Westen. Es geht aber auch um Brücken innerhalb Asiens, wo sich der Kunstmarkt eben erst entwickelt.
swissinfo.ch: Auch Kunst wird heute im Internet verkauft. Die Auktionshäuser melden jährliche Zuwächse von 20%. Sehen Sie das als Chance oder als Gefahr?
M.S.: Die digitale Welt ist sicherlich eine grosse Chance für Künstler und Galerien. Sie können so ihre Programme fördern und sich weiterentwickeln. Natürlich bietet das Internet auch Möglichkeiten als Marktplattform. Allerdings sind wir noch auf kein Modell gestossen, das wir für tauglich erachten, das volle Potenzial auszuschöpfen. In der Kunst ist immer noch die persönliche Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer entscheidend.
swissinfo.ch: Wie kamen Sie darauf, die digitale Initiative des Art Basel Crowdfunding zu lancieren? Und was kann diese der Art Basel bringen?
M.S.: Wir haben sie in den letzten zwei Jahren entwickelt als Instrument der Exploration, um mit der Art-Basel-Community in den Nonprofit-Bereich vorzustossen. Dieser ist schon heute wichtiger Teil der Kunst und wird künftig noch wichtiger werden. Nichtkommerzielle Kunst aber hat heute das Problem, dass sie nur schwer Geldgeber findet.
Weil der Nonprofit-Sektor im Kunstbetrieb schon heute bedeutend ist, müssen wir ihn unterstützen, damit innovative und aufstrebende Künstler auf längere Sicht überleben können. Die Crowdfunding Initiative erlaubt es einem globalen Publikum, wichtige Projekte aus jeder Ecke der Welt direkt unterstützen zu können.
swissinfo.ch: Das Internet ist für Sammler ein Segen. Sie aber sagen, dass dies auch für die Künstler selber zutrifft. Inwiefern?
M.S.: Im Internet werden Informationen über Künstler überall auf dem Globus geteilt. Der Künstler hat heute nicht mehr nur ein lokales oder regionales Publikum. Innerhalb sehr kurzer Zeit kann dieses zu einem globalen Publikum anwachsen.
swissinfo.ch: Art Basel hat sich schon 1999 der Filmkunst geöffnet. In der heutigen Medienkunst schaffen Künstler Werke mit Hilfe des und für das Internet. Existiert ein Markt für Medienkunst?
M.S.: Es gibt bereits ein grosses Interesse und eine starke Nachfrage nach Werken so genannter «Digital Native»-Künstler. Nicht alle nutzen das Web zu ihrer Produktion. Aber sie sind vom Internet inspiriert, es prägt ihr Denken und ihre Annäherung an die Welt und die Kunst.
Ryan McNamara ist ein gutes Beispiel dafür. Wir haben sein Werk MEEM 4 Miami im letzten Dezember an der Art Miami gezeigt. MEEM 4 Miami ist eine Performance oder ein Ballett, das eine Interpretation der schichtweisen Architektur des Internets darstellt. Dessen Portalen entströmen unendliche nie versiegende Flüsse von Informationen, die auf unseren Laptops und Smartphones landen.
swissinfo.ch: Sie scheinen richtig fasziniert vom Potenzial dieser technologischen Entwicklungen.
M.S.: Ich denke, dass das Internet heute Teil des Lebens von uns allen ist. Einige Menschen sind besorgt und verängstigt wegen der technologischen Entwicklung. Ich sehe diese jedoch als grosse Chance für neue Formen des Austauschs zwischen den Menschen.
Klassiker als Höhepunkte der Art Basel 2015
An der 46. Ausgabe zeigen führende Galerien ihre besten Werke moderner Kunst von 1900 bis 1970. Mit diesem thematischen Fokus will die Art Basel die Türen weit öffnen für jene klassischen Sammler und Experten, die bisher der exklusiven Maastrichter Kunstmesse TEFAF den Vorzug gegeben haben gegenüber der «wild-experimentellen» Art Basel.
Gleichzeitig wirft dieser Schwerpunkt aber auch die Frage auf, warum immer noch so viele Werke mit Museumsqualität auf dem Markt erhältlich sind. Ebenfalls fragt sich angesichts der explodierenden Auktionspreise, ob Museen künftig überhaupt noch in der Lage sein werden, Werke solcher Qualität noch ankaufen zu können..
Gegenwartskunst an der Art Basel 2015
Basel ist auch Mekka für Stars der internationalen Kuratorenszene. Diese verhelfen dem Anlass ihrerseits zu zusätzlichem Hype.
Acht Spezial-Sektoren dürften besonders interessieren. Hier eine Auswahl:
UnlimitedExterner Link: In dieser Ausstellung eröffnet der in New York tätige Schweizer Kurator Gianni Jetzer eine politische und ökologische Dimension in der Gegenwartskunst. Zu sehen sind u. a. «Stacked» von Ai Weiwei und Werke des verstörenden Kader Attia oder des militanten Öko-Aktivisten Olafur Eliasson.
StatementsExterner Link: zeigt neue Solo-Arbeiten von jungen, aufstrebenden Künstlern. Ein Fokus liegt auf dem Schweizer Künstler Raphael Hefti, der vor Ort Skulpturen aus Aluminium schafft.
ParcoursExterner Link: Eigens angefertigte Kunstwerke, die rund um den Münsterplatz bei der Kathedrale in der Altstadt Basels zu sehen sind.
Das FilmExterner Link-Programm wurde vom Kurator Maxa Zoller ausgewählt, der in Kairo lebt und arbeitet. Es enthält u. a. die Europa-Premiere von «Peggy Guggenheim: Art Addict». Erstmals arbeitet hier die Art Basel mit dem Film Festival Locarno zusammen.
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)
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