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Ausgezeichnete Architektur in der Provinz

Versteckte Perle: 1999 erbautes Wohn- und Geschäftshaus im Ortskern. swissinfo.ch

Gut erhaltene und gepflegte historische Bausubstanz und eine Reihe von architektonisch hochstehenden Neubauten: Altdorf erhält den renommierten Wakker-Preis.

Der Schweizer Heimatschutz zeichnet damit eine Gemeinde aus, die seit mehr als 15 Jahren Raumplanung und Baupolitik unbeirrt in Richtung Qualität steuert.

«Ich muss sagen: als ich das erste Mal hörte, dass wir auf der Liste für den Wakker-Preis stehen, war es mir nicht ganz wohl», gesteht Anton Arnold und verweist auf die vielen Bauten ohne gestalterischen Anspruch im Dorf.

«Dennoch ist es uns gelungen, einige markante Punkte zu definieren», stellt der Leiter der Bauaubteilung Altdorf zufrieden fest.

Dass der lediglich 8000 Einwohner zählende Urner Hauport den Wakker-Preis erhält und damit nationales Aufsehen erregt, freut auch Gemeindepräsidentin Barbara Bär-Hellmüller. Die Auszeichnung sei für Architekten und Bauherrn ein Ansporn. «Es wird künftig etwas besonderes sein, in Altdorf bauen zu können.»

Versteckte Perlen

Der Ortskern von Altdorf liegt neben den internationalen Gotthard-Transitachsen. Prägend sind die restaurierten Kirchen und Klöster und die genauso herausgeputzten Herrensitze, die zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert gebaut wurden.

Entscheidend für die Vergabe des Wakker-Preises war jedoch nicht alleine die gut erhaltene, historisch bedeutende Bausubstanz, sondern auch die «erstaunliche Vielzahl gelungener Neubauten», wie der Schweizer Heimatschutz in seiner Begründung lobt.

Ein Spaziergang bringt die Perlen zum Vorschien. Da ein Neubau mit städtischer Anmutung, eine gelungene Erweiterung eines Schulhauses, dort ein puristisches Einfamilienhaus aus Sichtbeton oder eine Glassfassade in zeitgenössischer Formensprache.

Gewerbe war gegen Fussgängerzone

Seit bald 20 Jahren praktiziert Altdorf eine konsequente Raumplanungs- und Baupolitik, die auf einem dichten Regelwerk basiert.

Das heisst: Für Neubauten und Sanierungsaufträge der öffentlichen Hand führt die Gemeinde konsequent Architektur-Wettbewerbe durch. Quartierrichtpläne verhindern eine Zersiedelung. Die Bauprojekte werden von einem Fachgremium begleitet.

«Diese vorwärts gerichtete Politik hat regelmässig zu Auseinandersetzungen geführt», erzählt Anton Arnold im Gespräch mit swissinfo. «Die Exekutive der Gemeinde hat ihre Entscheide jedoch immer integer und unbeirrbar durchgezogen und nicht Angst gehabt. Die Verfahren sind zudem klar und transparent.»

So habe das Gewerbe jahrelang gegen die Fussgängerzone im Zentrum opponiert. Heute könne man sich kaum mehr vorstellen, dass in diesen engen Gassen jemals Autos und Lieferwagen zirkulierten.

Markt und Feierabend-Bier

Konflikte gab es auch dann, wenn auswärtige Architekten den Wettbewerb gewonnen haben und auswärtige Bauunternehmen mit der Ausführung beauftragt wurden.

Das sei in einer kleinen Gemeinde schwieriger als in einer Grosstadt. «Der Markt hier ist beschränkt und ringsum sind Berge.»

So kommt es vor, dass Arnold im Restaurant ein Bier trinkt «und nebenan sitzt der Baumeister oder der Architekt, dem ich eine Absage schreiben musste».

Da gebe es halt Hochs und Tiefs und damit auch Situationen, in denen ihm, dem Architekten, sogar Studienkollegen aus dem Weg gingen. «Aber es kommt auch vor, dass mir Kollegen Komplimente machen und einräumen, der Konkurrent habe es besser gemacht.»

Kegel-Kollege baut

Auch bei privaten Bauten hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren die Qualität der Architektur gefördert. Mit Wettbewerben, Beratung und finanziellen Zuschüssen. «In diesem Bereich macht es genauso Sinn, mehrere Denkmodelle zu prüfen und die besten auszuwählen.»

Denn wer sich eine Zahnbürste kaufe, der vergleiche das Angebot verschiedener Anbieter und wähle zusätzlich noch zwischen dem roten, blauen oder grünen Modell. «Aber wer sich mit dem ganzen Ersparten ein Haus baut, der geht oft zum Kollegen vom Kegelclub und gibt ihm den Auftrag.»

swissinfo, Andreas Keiser, Altdorf

Der Preis des Schweizer Heimatschutzes geht zurück auf das Vermächtnis des Genfers Henri-Louis Wakker (1875-1972).

Altdorf feiert die Preisübergabe am 12. Mai mit einem Fest.

Der Preis wird seit 1972 jährlich an eine politische Gemeinde vergeben.

2006 ging er an Delsberg im Kanton Jura, 2004 an die Stadt Biel.

Aus Anlass seines 100-Jahre-Jubiläums zeichnete der Schweizer Heimatschutz 2005 die Schweizerischen Bundesbahnen aus.

Charakteristisch für Altdorf sind auch die historischen Natursteinmauern.

Sie gelten auf der Alpennordseite als einzigartig, haben eine Länge von insgesamt 16 Kilometern und sind im ganzen Dorf anzutreffen.

Die Mauern waren vom Zerfall bedoht. In den vergangenen Jahren wurden 8 Kilometer restauriert.

Der Rest wird in einer zweiten Etappe saniert werden.

Bei einem Teil der Mauern handelt es sich um Trockenmauern, beim andern um bis zu 3 Meter hohe Mörtelmauern.

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