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Heidi ist Japanerin

Abbildungen von Titelseiten von japanischen Zeichentrickfilmen
Die japanischen Anime verhalfen Heidi weltweit zu noch mehr Bekanntheit. Isao Takahata

Wenn Menschen auf der ganzen Welt an Heidi denken, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um die Tokioter Version handelt. Die Anime-Version von Heidi prägte das Bild von Johanna Spyris Figur massgeblich und stand auch am Anfang der Kinderunterhaltung mit Animefilmen. Das Schweizer Landesmuseum widmet der 1974 produzierten Serie "Heidi – das Mädchen aus den Alpen" eine Ausstellung.

Ausstellung «Heidi in Japan»

Am 17. Juli eröffnete im Landesmuseum die Ausstellung «Heidi in JapanExterner Link«. Sie fokussiert auf die Vermischung zweier Kulturen und die Entstehungsgeschichte der japanischen Trickfilmserie.

Die Serie gilt als Startschuss für die heute florierende Anime-Branche und hat Heidi endgültig zum globalen Phänomen gemacht. 

Die Ausstellung im Landesmuseum dauert bis zum 13. Oktober 2019.

Eigentlich sollte es Pippi Langstrumpf sein, nicht Heidi. Zu Beginn der 1970er-Jahre arbeiteten Isao Takahata und Hayao Miyazaki an einer Zeichentrickversion über die freche Villenbesitzerin aus Schweden. Erste SkizzenExterner Link waren bereits entstanden, da gab Astrid Lindgren, die Schöpferin von Pippi, den beiden Zeichnern einen Korb: Lindgren war lange strikte gegen die Animation ihrer Geschichten, erst in den 1990er-Jahren gab sie ihren Widerstand auf.

Nach dieser Absage geriet eine neue europäische Märchenfigur in den Blick: Heidi. Takahata hatte das Buch als Kind gelesen – wie viele japanische Kinder. Europäische Kindergeschichten wurden seit dem 19. Jahrhundert ins Japanische übersetzt. Spyris Heidi kam relativ spät an die Reihe – 1920, vierzig Jahre nach dem Schweizer Original von Johanna Spyri. Dann aber mit grossem Erfolg.

Böses Erwachen

Die Geschichte wurde als Gegen-Idylle zur Modernisierung, die Japan erfasst hatte, sehr beliebt und verbreitete in Japan das Bild der Schweiz als Insel des Einklangs mit der Natur und des Friedens. 

Dieses Bild war so stark, dass die Feministin Nogami Yaeko, die Heidi übersetzt hatte, sich bei einer Reise in der Schweiz im Jahr 1938 darüber empörte, dass die Schweiz mit Waffen handelte: «Während wir Touristen verträumt auf dieses Land des Friedens sehen, diese Utopie entfernt von der Hetze der Welt, montieren seine Einwohner heimlich Maschinengewehre und bauen Kanonen und Bomben!» 

Ihre Sicht konnte sich nicht durchsetzen – Heidi wurde eine der meist gelesenen europäischen Übersetzungen, insbesondere Mädchen verschlangen die Geschichte aus den Schweizer Bergen.

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In den 1960er-Jahren steckte die japanische Trickfilm-Industrie in der Klemme. Der Konkurrenzdruck hatte die Gewinne auf dem japanischen Markt schrumpfen lassen, man versuchte den europäischen Markt zu erschliessen.

Rein wie Alpenluft 

Dafür griff man auf Geschichten zurück, die ein japanisches wie ein internationales Publikum ansprechen sollten. «Heidi» wurde der stärkste Marktöffner japanischer Animationsfilme. Vorurteilen gegen Comics und Trickfilme, sie seien schädlich für Kinder, konnte die Serie eine Heldin rein wie die Alpenluft entgegenhalten.

Johanna Spyris Plot liessen die Macher von «Heidi» relativ unberührt: Sie erfanden den Bernhardiner Joseph als unterhaltsames Begleittier dazu und sparten die religiösen Szenen aus. Die Tokioter Produzenten der Serie gingen davon aus, dass diese in Asien nicht verstanden würden. 

Billigst-Produktionen

Die Anime-Serie feierte internationalen Erfolg: Sie wurde in zwanzig Sprachen übertragen und  in noch mehr Ländern ausgestrahlt. Mit ihr startete der Boom von japanischer Kinderunterhaltung durch Anime-Filme und Serien wie «Wickie der Wikinger» oder «Biene Maja», die das Kinderfernsehen in den 1980er-Jahren auch in Europa dominierten.

«Heidi» stand am Anfang des Aufstiegs des Animes zu qualitativ hoher Unterhaltung. Zuvor wurden Trickfilme oft sehr billig produziert, mit nur wenigen Bildern. Für mehr war kein Geld da. Auch die Episoden für «Heidi» seien von Woche zu Woche produziert worden, erinnerte sich Takahato in einem Blick zurück. Das änderte sich: Nicht zuletzt legte der Erfolg von «Heidi» den finanziellen Grundstock für das heute berühmte japanische Animations-Studio Ghibli, das regelmässig Anime-Kassenschlager liefert.

Heidi-Skulptur aus einem Animationsfilm
Die Anime-Serie feierte internationalen Erfolg und wurde in zwanzig Sprachen übertragen. Isao Takahata

Zudem prägte Heidi die Schweiz-Sehnsucht einer ganzen Generation von Japanern und Japanerinnen. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kommen jährlich Hunderttausende japanische Touristen in die Schweiz und pilgern nach Maienfeld, wo Takahata und Miyazaki vor fast 50 Jahren recherchierten. Manche von ihnen hören dabei mit Kopfhörern die Titelmelodie von «Heidi – das Mädchen in den Alpen».

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