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Béjart ist nicht gleich Béjart

Béjart: "Tanzen durch den Körper der Anderen" swissinfo.ch

Seit 50 Jahren ist Maurice Béjart Chef seiner Truppe … vom Ballet de l'Etoile in Paris über das Ballet du XXe siècle in Brüssel bis hin zum Béjart Ballet Lausanne.

Vom 7. bis 21. Mai ist Lausanne mit 6 Darbietungen Schauplatz der Feier zu diesem Jahrestag.

«Ich glaube an dem Tag, wo er selber nicht mehr tanzte, wo er begann, durch die Körper der Anderen zu tanzen, wurde er Tänzer.“

Aussage eines Kritikers? Nein, seine eigene. Béjart, der doch sonst von sich nicht in der dritten Person spricht. Eine Aussage, die im zweiten Band seiner Memoiren, «La vie de qui?“ (Wessen Leben? (1996), zu finden ist, der auf «Un instant dans la vie d’autrui“ (Ein Augenblick im Leben der Anderen) (1979) folgte.

Béjarts Kommentar gegenüber swissinfo: «Es stimmt, wenn ich Andere zu dem was ich geschaffen habe tanzen sehe, empfinde ich eine viel intensivere Freude, als wenn ich meinen eigenen Körper, sogar als er noch jung war, beim Tanzen betrachte. Durch den eigenen Körper sind wir viel eingeschränkter. Mit dem Körper der Anderen eröffnen sich breitere Perspektiven. Es ist unendlich viel angenehmer … den Anderen zuzuschauen.»

Von Ballett zu Ballett

Um also zu sehen wie sich die Anderen zu seiner Choreografie bewegen, gründete Béjart seine eigene Truppe. Die erste im Jahr 1954: Das Ballet de l’Etoile in Paris. Sein Publikum wurde immer zahlreicher, namentlich im Ausland: Deutschland, Spanien, Italien, Schweiz …

Da erhält das Ballet de l’Etoile einen neuen Namen: Ballet-Théâtre de Paris. Denn das Theater ist nebenbei bemerkt Béjarts zweite grosse Leidenschaft. Deshalb wählte er schliesslich auch den Namen von Molières Partnerin als Pseudonym.

Nach dem Triumph mit dem «Sacre du printemps» 1959 in Brüssel lässt sich Béjart in der belgischen Hauptstadt nieder und gründet 1960 das Ballet du XXe siècle, das Ballett des 20. Jahrhunderts. An der Spitze dieser internationalen Truppe reist er durch die ganze Welt, gleich wie später auch mit dem Béjart Ballet Lausanne (BBL).

Denn 1987 installiert er sich in der Hauptstadt der Waadt. Lausanne, eine Metropole «zwischen Labyrinth und Kasbah, eine barocke Stadt, die von Archimboldo stammen könnte «, meint er und spielt dabei auf die komplizierte Geographie der Stadt an.

«50 Jahre lebte das Ballett unter verschiedenen Namen, mit Hilfe – oder Nichthilfe – verschiedener Länder, aber es ist immer die gleiche Truppe», erläuterte der französische Choreograph vor kurzem an einer Pressekonferenz.

«Die Truppe ähnelt einem lebenden Organismus, der stirbt und sich neu erschafft, wie unser Körper, dessen Zellen sich erneuern», sagte er uns einmal während eines Gesprächs.

Galerie der Persönlichkeiten

Die Truppe als lebender Organismus. Eine Familie mit ihrem Fundus an Liebe und Hass. Mit ihren Glanzlichtern à la Jorge Donn, die verstorbene Ikone, oder Gilles Roman, der gegenwärtige stellvertretende Direktor des BBL.

Auch mit Jenen, die nicht offiziell zum Ballett gehören, die Béjart aber über seine Darbietungen mit eingeschlossen hat. Denn bei ihm gehören Kunst, Freundschaft und Leidenschaft zusammen.

Namen gefällig? Da wäre etwa Fellini zu nennen, Baudelaire, Pasolini, Molière, und in der Musik Strawinsky, Mozart, Beethoven, Wagner, Ravel, Boulez, aber auch Hughes Le Bars, Jacques Brel, Barbara, Freddy Mercury, Duke Ellington, Jerry Mulligan oder Pink Floyd.

Zur Feier des 50-jährigen Bestehens seiner Truppe zeigt Béjart diesen Monat in Lausanne sechs seiner Stücke und eine mit Gilles Roman zusammen realisierte Kreation (siehe «In Kürze»).

Béjart – aber welcher?

Trotz dieser reichhaltigen Retrospektive meint Maurice Béjart, dass er Bilanzen nicht liebt, eher nach vorne schaut als zurück.

Und dass man ihn zu seinen Lebzeiten zur Legende macht, weckt in ihm erstaunte und zwiespältige Gefühle: «Man verlangt immer, dass ich von Béjart spreche … schliesslich hat dies gar nichts mehr mit mir zu tun. Am Abend im Bett, da bin ich mich selber, aber bei diesem Herrn, den man mit Ehren oder Schande überhäuft, weiss ich nicht recht, wer es ist», meinte er vor ein paar Jahren lachend.

Umso mehr als die Zeit läuft und der Mann, wie die Anderen auch, vielschichtig ist: «Wenn man mich fragt, wer Maurice Béjart vor fünfzehn Jahren war, habe ich ein Problem, denn ich weiss das nicht so recht. Es war jemand, den ich kannte, dem ich begegnet war, den ich liebte, mit dem ich oft nicht einverstanden bin, aber ich kann keine wirkliche Kontinuität zwischen den verschiedenen Wesen, den verschiedenen Zeitspannen sehen …»

Und fügt bei: «Vor vierzig Jahren machte dieser Typ Sachen, ich weiss nicht weshalb; das überrascht mich, genau wie es mich überraschen würde, wenn bekannt würde, dass mein Bruder einen Raubüberfall inszeniert hätte, sehen Sie was ich meine?»

swissinfo, Bernard Léchot

Maurice Béjart wurde am 1.1.1927 in Marseille geboren.

In Lausanne, wo er seit 1987 lebt, gründete er das «Béjart Ballet Lausanne».

Der Programm der Retrospektive im Espace Odyssée de Malley, Lausanne:

7. bis 9. Mai: Eine gekürzte Fassung von «Brel & Barbara», gefolgt vom Ballet «Bhakti» in Originalversion.

12. bis 15. Mai: Drei grosse Klassiker: «Le Sacre du Printemps», «Boléro» und «Der Feuervogel».

16. Mai: Eine «Carte blanche à Maurice Béjart», die aus einer neuen Version des Boléro besteht, mit dem Orchestre de chambre de Lausanne, unter der Leitung von Armin Jordan.

Danach steht eine Doppel-Kreation zu Venise auf dem Programm, ein Teil von Béjart, der zweite von Gilles Roman adaptiert.

19. bis 21. Mai: «Die Zauberflöte».

«Danach reist das Béjart Ballet Lausanne nach Japan (10. bis 26. Juni).

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