Das Museum für Kunst und Geschichte in Genf widmet Gérald Cramer zu seinem 100. Geburtsjahr eine Gedenkausstellung. Der Genfer Verleger und Galerist arbeitete mit Künstlern wie Picasso, Miró und Chagall zusammen. Sein Sohn, ebenfalls Galerist, erzählt von diesem Abenteuer, das heute nicht mehr denkbar wäre.
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Angetrieben von meiner Leidenschaft für die menschlichen Gesellschaften und die Kunst, über diese zu berichten – eine Neugier, die durch Reisen, Begegnungen und Lektüre beflügelt wird – befasse ich mich vor allem mit den Hauptthemen der internationalen Organisationen, die hier in Genf angesiedelt sind. Kürzel: fb
Der Weg des jungen Gérald Cramer scheint vorgegeben: Geboren wird er in eine Genfer Patrizierfamilie, sein unmittelbares Umfeld besteht aus Bankiers. «Aber während des Krieges wird er eingezogen und erkrankt rasch an Tuberkulose», erzählt sein Sohn, Patrick Cramer. «Während seines Aufenthalts in Leysin in den Alpen trifft er den Zürcher Buchhändler Giovanni Rodio. Dieser ist ein grosser Fan des bebilderten Buches. Er schlägt meinem Vater vor, mit ihm zusammenzuarbeiten.»
Gestärkt durch diese berufliche Erfahrung, fasst Gérald Cramer zurück in Genf rasch Fuss. «Er lernt Paul Eluard kennen, der ihm Pablo Picasso vorstellt», so sein Sohn. Nach und nach freundet sich der junge Verleger und Galerist mit den grossen Künstlern seiner Zeit an. Nach dem Krieg spielt sich alles in Paris ab: «Hier ist die Künstlerwelt am Siedepunkt; Drucker, Künstler und Schriftsteller treffen sich Tag und Nacht und zeigen ihre Werke», erzählt Patrick Cramer. «Das Niveau war extrem hoch, mein Vater befand sich im Herzen der modernen Kunst.»
1947 schlägt Gérald Cramer dem Poeten Paul Eluard die Herausgabe seiner Gedichte «A toute épreuve» vor. Zu deren Illustration bittet er Joan Miró, Holzschnitte zu schaffen. Der spanische Maler ist begeistert von dem Projekt. 1958 schliesslich wird das Buch veröffentlicht und mit grossem Erfolg gekrönt.
«Es war pures Handwerk. Das Buch erschien in 140 nummerierten Exemplaren. Zu seiner Herstellung waren 42’000 Druckvorgänge nötig, das ganze dauerte mehr als zehn Jahre», erzählt Patrick Cramer. Die Zeit habe keine Rolle gespielt. Ziel sei es gewesen, etwas Perfektes zu schaffen. «Er vollbrachte das Werk eines Juweliers. Wir, die Familie, waren dem manchmal ein bisschen leid», erinnert sich sein Sohn lachend.
Nach dem Tod seines Vaters 1991 führte Patrick Cramer dessen Arbeit fort. «Ich bin 65 Jahre alt und glücklich, nicht erst 45 zu sein», sagt er. «Denn für die Zukunft der Galerien sehe ich schwarz. Die Auktionshäuser haben den Markt übernommen und die Galerien geschwächt. Sie besitzen die besten Kunstwerke, kennen ihre Kundschaft und bieten den Künstlern die besten Preise.»
Mit Blick auf den Anspruch Genfs, ein Ort für bildende und visuelle Künste zu sein, zeigt sich Patrick Cramer skeptisch. «Genf war nie eine Stadt der Kunst und wird es auch nie sein. Aber die Stadt hat andere Qualitäten.»
Interview in Französisch von Catherine Charbon (RTS) mit Marc Chagall, Genf 1967:
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«Gérald Cramer und seine Künstler, Chagall, Miró, Moore», Kabinett der grafischen Künste, Promenade du Pin 5, Genf, bis am 29. Januar 2017.
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