Es gab eine Zeit vor dem Handy, eine Zeit, in der Pressefotografen die Augen einer ganzen Nation waren. Viele ihrer Bilder sind heute in Vergessenheit geraten. Zum Beispiel die Porträts von Schweizerinnen und Schweizern, die es schon um 1940 auf 100 Lebensjahre oder mehr brachten.
swissinfo.ch publiziert regelmässig Artikel aus dem Blog des LandesmuseumsExterner Link, die historischen Themen gewidmet sind. Die Artikel sind immer in deutscher und meistens auch in französischer und englischer Sprache verfasst.
1940 gab es in der Schweiz acht Frauen und einen Mann, die 100 Jahre oder älter waren. Es verwundert daher wenig, dass ihre Geburtstagsfeiern Aufmerksamkeit erregten. Nicht nur Verwandte und Bekannte wollten bei diesen seltenen Ereignissen mit dabei sein, auch die Presse gab sich die Ehre.
Auf der Suche nach den Heldinnen und Helden des Alltags schickten Bildagenturen ihre Fotografen in alle Ecken des Landes – und dies durchaus im Auftrag der Leserschaft: das Bedürfnis, nebst Bekannt- und Berühmtheiten auch sich selbst im Blitzlicht zu sehen, war schon damals vorhanden.
Es wurde nach Erzählungen gefragt: Marie Louise Pitiot aus Le Locle (NE) erinnerte sich, wie sie mit 15 Jahren die erste Eiskunstläuferin auf dem gefrorenen Doubs bewundert hatte. Sie selbst wurde die wohl erste Blumenhändlerin im Kanton Neuenburg.
Das Geschäft konnte sie vom Vater übernehmen, nachdem sie ihn bis ins hohe Alter gepflegt hatte. Generell waren Geschichten beliebt, die von Kontinuität und Bescheidenheit berichten: Alois Gabriel aus Ennetbürgen (NW) lebte sein ganzes Leben in demjenigen Haus, das keine zwei Monate vor seiner Geburt fertiggestellt wurde.
Die Schwarz-Weiss-Porträts zeigen Gesichter, die vom Alter gezeichnet sind – von tiefen Falten, die wir so gerne als Spuren der Vergangenheit lesen. Die Geburtstagskinder, von Blumen und Gratulierenden umringt, sitzen oft auf Sesseln, die sie als Geschenk vom Heimatkanton erhalten haben.
Im Kanton Neuenburg galt bis zu Beginn der 2000er-Jahre die Qual der Wahl: ein bequemer Sessel oder eine schicke Wanduhr? Persönliche Glückwünsche von Regierungsvertretern und die Steuerbefreiung gab es für alle gleich mit dazu. Und das übrigens schon zum 99. Geburtstag. Denn zum «Centenaire» wurde man dort bereits mit dem Eintritt ins 100. Lebensjahr.
Gerne gesehene Figuren auf den Bildern sind auch Kinder. Sie erscheinen als pausbäckiger Gegensatz, aber auch als zeremonielle und mediale Absicherung des Fortgangs: der Familie – der Menschheit – der Geschichte. Sie sind noch heute nicht 100 Jahre alt. In ungefähr zehn Jahren ist es soweit.
Und die Presse? Sie wird nur noch in Ausnahmefällen mit dabei sein. Auch das verwundert kaum: Bei inzwischen mehr als 1500 über Hundertjährigen in der Schweiz fehlt der Seltenheitswert – und eine lückenlose Berichterstattung wäre aufgrund der hohen Anzahl im Vergleich mit 1940 wohl ohnehin unmöglich.
Die Pressebild-Agentur ASL
Actualités Suisses Lausanne (ASL) wurde 1954 von Roland Schlaefli gegründet und galt bis zur Schliessung 1999 als wichtigste Westschweizer Pressebildagentur. 1973 übernahm Schlaefli zudem das Archiv der 1937 gegründeten Agentur Presse Diffusion Lausanne (PDL).
Die Bestände der beiden Agenturen umfassen ungefähr sechs Millionen Bilder (Negative, Abzüge, Diapositive). Im breiten Themenspektrum lassen sich die Schwerpunkte Bundespolitik, Sport und Westschweiz ausmachen.
Den Schritt ins digitale Zeitalter machte die Agentur nicht mehr mit. Seit 2007 befinden sich die Archive von ASL und PDL im Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums. Der Blog präsentiert in einer losen Abfolge Bilder und Bildserien, die bei der Aufarbeitung der Bestände besonders aufgefallen sind.
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