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Buchhandel: «Angst ist ein schlechter Ratgeber»

Noch ist das Buch das Mass aller Dinge – doch wie lange noch? Keystone

Der Schweizer Buchmarkt wird derzeit von verschiedenen Seiten bedroht. Die Krise, der starke Franken, der Online-Handel und das E-Book machen der Branche zu schaffen. Nun hofft man auf die Buchpreisbindung und setzt auf Spezialisierung.

«Es ist das dritte Jahr in Folge, dass wir mit Umsatzverlusten zu kämpfen haben. Sie sind deutlich höher als im restlichen Detailhandel», sagt Daniel Landolf, Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbandes (SBVV).

Die Krise im Buchhandel hat laut Landolf verschiedene Gründe: starker Franken, Druck der Discounter und fehlende Buchpreisbindung sowie der Übergang zu den E-Books. Der Buchmarkt steht vor grossen strukturellen Veränderungen.

«Wir haben alle möglichen Probleme», sagt auch Verlegerin Francine Bouchet, Direktorin der Genfer Editions La Joie de lire an ihrem Stand an der Basler Buchmesse. «Wir machen 70% des Umsatzes in Frankreich. Dort ist die Mehrwertsteuer angestiegen, auch für die Bücher.»

Die Basler Buchmesse vom letzten Wochenende zeigte jedoch auch: Das Interesse am Lesen scheint ungebrochen. 20 Prozent mehr Ausstellende und 4 Prozent mehr Besuchende verzeichnete man am Stelldichein des Schweizer Buchmarkts.

Für Buchpreisbindung

Trotzdem fragen sich Buchhändler und Verleger, was man ändern könnte, um dem Buch wieder Aufwind zu geben. Die Branche setzt dabei zu breiten Teilen auf die Wiedereinführung der Buchpreisbindung.

Diese kommt an die Urne, weil Gegner monierten, fixe Buchpreise seien konsumentenfeindlich und führten zu einem «Buchkartell». Mit diesen Argumenten reichten sie erfolgreich ein Referendum ein. Die nationale Abstimmung über dieses Anliegen findet am 11. März 2012 statt.

«Seit die Buchpreisbindung weggefallen ist, herrscht Wildwuchs im Preiswesen», sagt Anne Riesen, verantwortlich für Presse, Vertrieb und Lizenzen beim Berner Zytglogge Verlag an ihrem Stand in Basel.

Mit fixen Preisen hätten «alle die gleichen Chancen. Man muss nicht mit Rabatten die Leute anlocken», sekundiert sie Heinz Scheidegger vom Verlag Edition 8, der wie Zytglogge zu den «Swiss Independent Publishers» (Swips) gehört, einem Zusammenschluss von über 20 Verlagen.

«Vielfalt wahren»

Der SBVV will für den Abstimmungstermin nun eine Kampagne starten, wie Daniel Landolf erklärt. Die Preisbindung gebe dem Buchhandel einen gewissen Schutz «vor Dumpingpreisen, vor Discounter-Konkurrenz».

So könne auch die Vielfalt im Buchhandel gewahrt werden, «damit wir nicht in die Situation kommen wie in England, wo über die Hälfte der Städte keine Buchhandlungen mehr haben und dadurch kulturell verarmen».

Gerade in der Spezialisierung sehen viele eine Chance für den Buchhandel. So auch Fritz Hartmann, Verlagsvertreter Schweiz für den deutschen Suhrkamp Verlag. «Die Erfahrung der letzten Jahre ohne Preisbindung zeigt, dass Buchhandlungen, die sich spezialisieren oder ihrer Art entsprechend positionieren, gut durch die Krise kommen.»

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Referendum

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Das (fakultative) Referendum erlaubt Bürgerinnen und Bürgern, das Volk über ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz entscheiden zu lassen. Falls das Referendumskomitee innerhalb von 100 Tagen 50’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei einreichen kann, kommt es zu einer Abstimmung. Falls das Parlament Änderungen in der Bundesverfassung vornimmt, kommt es zu einem obligatorischen Referendum. Beim fakultativen Referendum…

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E-Book: Gefahr oder Chance?

Auffallend an der Buch Basel vom letzten Wochenende war der Auftritt von Thalia Schweiz, einem der grössten Buchhändler in der Schweiz: Kein einziges Buch war am Stand zu finden, dafür jede Menge E-Books. «Wir glauben, dass das digitale Lesen auch in der Schweiz zunehmen und für uns in Zukunft ein wichtiges Standbein sein wird», sagt Irina Jermann, Leiterin Marketing und Kommunikation bei Thalia Schweiz.

Die elektronischen Bücher stossen auf grosses Interesse. Auch der Schriftsteller Guy Krneta hat sich diese am Thalia-Stand angesehen. Er findet es interessant, «dass dies plötzlich Texten zu einer neuen Bedeutung verhelfen kann, die verschollen waren». Trotzdem ist für ihn das Buch immer noch eine «unglaubliche Erfindung» mit vielen Vorteilen.

E-Books sind eines der drei Standbeine, mit denen Thalia versucht, der negativen Entwicklung entgegenzuhalten, die auch grossen Buchhandlungen zusetzt. Das Zweite ist laut Jermann der Online-Bereich, drittens würden vermehrt «buchnahe Sortimente» angeboten, «die das Buchsortiment sinnvoll abrunden».

Wache Buchbranche

«Die Buchbranche ist seit Jahren dabei zu versuchen, die Fehler, welche die Plattenindustrie gemacht hat, nicht zu wiederholen», sagt SBVV-Chef Landolf zum Thema Digitalisierung. Und es scheint, dass auch die kleineren Verlage die Entwicklung nicht verschlafen haben. Obwohl derzeit noch kaum jemand Gewinne mit E-Books macht.

Die Digitalisierung sei zwar eine Herausforderung. Aber: «Die Angst ist ein schlechter Ratgeber», sagt Francine Bouchet. Es bringe nichts, sich vor den Veränderungen zu verstecken. «Wir haben mit der Digitalisierung aller unserer literarischen Titel angefangen. Wir erhalten dafür Hilfe vom Centre National des Lettres in Paris.»

Auch der Zytglogge Verlag rüstet digital auf. «Es ist eine grosse Chance für Bücher, die vergriffen sind oder die man nur noch in ganz kleinen Beständen hat», sagt Anne Riesen. Heinz Scheidegger vom Verlag Edition 8 ist überzeugt, dass das E-Book das Buch nicht verdrängen wird. «Es wird in den nächsten Jahren sicher ein Miteinander geben.»

Dass schliesslich der weltgrösste Online-Buchhändler Amazon nun auch ins Verlagswesen eingestiegen ist, macht den Branchenprofis keine Angst. Das Angebot sei zwar «eine Konkurrenz, die den Markt belebt», so Landolf, aber: Es gehe Amazon hauptsächlich darum, bereits bekannte Autoren weltweit zu vermarkten.

Laut dem Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV) ist die Datenlage zum Schweizer Buchhandel «sehr rudimentär»: «Es gibt wenig offizielle Zahlen und deshalb kaum einen verlässlichen Gesamtüberblick über die Branche», heisst es auf der Website.

Fakt ist aber: Die Anzahl der Buchhandlungen ist seit Jahren rückläufig.

Laut Bundesamt für Statistik ging sie zwischen 1991 und 2005 gesamtschweizerisch von 622 auf 599 zurück.

2005 existierten 415 Buchhandlungen in der Deutschschweiz, 154 in der französischsprachigen und 30 in der italienischsprachigen Schweiz.

Laut der Handelszeitung waren Ende 2010 in der Deutschschweiz noch 290 Buchhandlungen tätig.

Zahlen von Media Control zeigen einen Einbruch des Umsatzes zwischen August 2010 und August 2011 von über 13%.

Auch den Verlagen geht es nicht besser: Laut der Handelszeitung mussten seit 1990 neun Verlage dichtmachen, 20 retteten sich mit der Übernahme durch einen Konkurrenten.

Die Festlegung von fixen Preisen für Bücher ist in der französischsprachigen Schweiz seit Anfang der 1990er-Jahre, in der Deutschschweiz seit Mai 2007 verboten. Die italienischsprachige Schweiz kannte noch nie eine Buchpreisbindung.

In Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Griechenland, den Niederlanden, Spanien und Portugal hingegen sind Fixpreise festgelegt.

Keine Preisbindung kennen Belgien, Estland, Finnland, Grossbritannien, Irland, Island, Polen, Schweden, und die Tschechische Republik.

(Quelle: Wikipedia)

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