Bührle-Sammlung wagt Schritt an die Öffentlichkeit
Vor zwei Jahren wurden vier Bilder im Wert von 180 Millionen Franken aus der privaten Bührle-Sammlung in Zürich gestohlen. Die Sammlung, die seither für die Öffentlichkeit praktisch unzugänglich war, wird in einer Ausstellung im Kunsthaus Zürich gezeigt.
Am 10. Februar 2008, in einem gehobenen Quartier in Zürich, überfielen drei bewaffnete Männer das Museum der Sammlung Bührle und entwendeten vier Bilder. Der Kunstraub gilt als einer der grössten Europas.
«Wir waren gezwungen, das Museum fast ganz zu schliessen. Die Wiedereröffnung verlief schrittweise, und zwar nur für Gruppen nach Terminvereinbarung. Wir waren kein öffentliches Museum mehr», sagte Lukas Gloor, der Direktor der Stiftung «Sammlung E. G. Bührle» an einem Medienanlass am Dienstag.
«Es ist eine gute Gelegenheit, sich jetzt zu öffnen, und zwar mehr denn je», erklärte Gloor gegenüber swissinfo.ch.
Die gestohlenen Bilder waren Teil einer Sammlung, die Mitte des 20. Jahrhunderts von Emil Bührle angelegt wurde. Bührle war ein Industrieller und Waffenproduzent mit einer Leidenschaft für die Kunst – namentlich für die französischen Impressionisten und Postimpressionisten des 19. Jahrhunderts. Die Sammlung wird als eine der besten privaten Kunstsammlungen gehandelt.
Für ein grösseres Publikum
In der Ausstellung «Van Gogh, Cézanne, Monet – Die Sammlung Bührle zu Gast im Kunsthaus Zürich» werden ungefähr 180 Bilder und Skulpturen ausgestellt. Ein grosser Publikumsandrang ist zu erwarten.
«Wenn Sie sich umschauen, dann sehen Sie praktisch jeden Meister des 19. Jahrhunderts, der von besonderem Wert für die Kunstgeschichte ist: Monet, van Gogh oder eine grosse Bildergruppe von Manet», sagte Christoph Becker, der Direktor des Kunsthauses. Er ist, neben Gloor, Co-Kurator der Ausstellung.
Claude Monets «Mohnfeld bei Véteuil» und Vincent van Goghs «Blühende Kastanienzweige», die beide kurze Zeit nach dem Raub gefunden wurden, sind ebenfalls zu sehen.
Wie Becker gegenüber swissinfo.ch sagte, habe das Kunsthaus ein gutes Sicherheitssystem, deshalb sei es nicht nötig gewesen, zusätzliche Vorkehrungen zu treffen. «Das System basiert auf mehreren Sicherheitsstufen und kann auf fast jede Ausstellung angepasst werden.»
Nach wie vor fehlen Paul Cézannes «Knabe mit der roten Weste» im Wert von rund 100 Millionen Franken, sowie Edgar Degas’ «Graf Lepic und seine Töchter».
«Wir stehen in engem Kontakt mit der Zürcher Kantonspolizei. Wir wissen, dass sie noch am Fall dran ist, doch ich befürchte, das ist bislang die einzige gute Nachricht», sagte Gloor.
Ambitionierter Sammler
Den Höhepunkt der Ausstellung bilden drei riesige Wasserlilien-Bilder von Monet. Ihr Erwerb sei, wie Gloor sagt, einer der grössten Erfolge für den Sammler Bührle gewesen.
Bührle, ein gebürtiger Deutscher, studierte Kunstgeschichte bevor er in eine Industriellen-Familie einheiratete. Er sei ein ambitionierter Sammler gewesen, der einen repräsentativen Überblick der Geschichte des Impressionismus und Postimpressionismus anstrebte, so Gloor.
Doch hat Bührle seine Sammlung noch weiter ausgedehnt: Er ergänzte sie mit alten Meisterwerken sowie Beispielen der Avantgarde und des Kubismus des 20. Jahrhunderts, Picasso mit eingeschlossen.
Bührles Aktivitäten blieben jedoch nicht ohne Kontroversen. Den grossen Erfolg seiner Firma «Oerlikon» verdankte er teilweise der Waffenproduktion und den -exporten während des Zweiten Weltkriegs.
Kontroverse um 13 Bilder
Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass Bührle 13 Bilder erworben hatte, die von Deutschen im besetzten Frankreich gestohlen worden waren.
Nach einem Prozess konnte Bührle neun der dreizehn Bilder zurückkaufen. Es wurde zudem bescheinigt, dass er die Bilder in gutem Glauben gekauft habe. Ab 1948 hielt er ein besonders wachsames Auge auf die Herkunft seiner Kunstwerke.
«Die Klarheit über die Herkunft der Bilder, von denen einige aus den 1930er bis 1950er-Jahren und von verschiedenen Quellen stammen, ist besonders wichtig», sagte Becker.
«Das Publikum interessiert es, woher die Bilder kommen, das Geld genommen wurde, oder wie die Sammlung entstanden ist. In der Ausstellung sind diese Fragen dokumentiert.»
Das Museum sei darauf vorbereitet, sollte künftig eine Kontroverse aufkommen, ergänzte Becker.
Es ist zu hoffen, dass die Bührle-Sammlung einen permanenten Platz im neuen Erweiterungsbau des Kunsthauses erhält. Die Eröffnung ist auf das Jahr 2015 geplant. Die jetzige Ausstellung ist in Räumen zu sehen, deren Bau in den 1950er-Jahren von Bührle finanziert wurde.
Eine imposante Fotografie des Industriellen selber ist am Anfang der Ausstellung zu sehen. Das Foto zeigt ihn stolz sitzend unter den beeindruckendsten Werken seiner Sammlung. Es wird von einem seiner seltenen Zitate begleitet, das vielleicht zeigt, wofür Bührles Herz tatsächlich schlug: «Ich würde es vorziehen zu sagen, dass ein echter Sammler ein gescheiterter Künstler ist.»
Isobel Leybold-Johnson, Zürich, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Sandra Grizelj)
Die Ausstellung «Van Gogh, Cézanne, Monet – Die Sammlung Bührle» dauert vom 12. Februar bis zum 16. Mai 2010.
Die Kunstsammlung von Emil Georg Bührle (1890-1956) wird als eine der wichtigsten ihrer Art angesehen.
1960 legte Bührles Familie 200 Werke in einer Stiftung an und machte sie für die Öffentlichkeit zugänglich.
Das Museum war vor dem Kunstraub ein Geheimtipp, das ungefähr 10’000 Besuchende pro Jahr anzog.
In der Sammlung sind grosse Meister vertreten: Frans Hals, Canaletto, Ingres, Delacroix, Manet, Cézanne, Degas, Gaugin, van Gogh, Signac, Vlaminck, Braque und Picasso.
Werke vom «Goldenen Zeitalter» in den Niederlanden, Venezianische Meister vom 16. bis zum 18. Jahrhundert sowie gotische Holzfiguren, ergänzen die Sammlung.
Am 10. Februar 2008 überfielen drei maskierte und bewaffnete Männer das Museum.
Die Polizei sprach vom grössten Kunstraub, der jemals in der Schweiz, und ziemlich sicher auch in Europa, verübt wurde.
Die Diebe entwendeten vier Bilder im Wert von ca. 180 Mio. Franken. Zur Tatzeit war das Museum geöffnet. 15 Besucher waren anwesend.
Monets «Mohnfeld bei Véteuil» und van Goghs «Blühende Kastanienzweige» wurden eine Woche nach der Tat auf dem Gelände einer psychiatrischen Klinik in einem Personenwagen gefunden.
Experten vermuteten, dass die Diebe die zwei Bilder deshalb liegen liessen, weil sie sehr gross und sperrig sind.
Cézannes «Knabe mit der roten Weste» und Degas’ «Graf Lepic und seine Töchter» werden noch immer vermisst.
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