Bunter Kunstbasar mit Inseln der Irritation
Die 38. internationale Kunstmesse Art Basel ist ein Ort für Entdeckungen, Provokationen und ein gigantischer Basar, der aus allen Nähten platzt.
Ein Rundgang durch Ausstellungskojen der Messe, ein Besuch bei der alternativen Art für junge Kunst und Gespräche mit einer Galeristin und einem Künstler.
Ein unvergessliches Bild: Vor einem riesigen, schweren Eisbrecher geht ein Mann im gleichen Tempo ruhig und regelmässig über das zugefrorene Meer auf die Betrachter zu. Er wirkt klein und gefährdet. Auf der Tonspur ist das Getöse von brechendem Eis zu hören, untermalt von Piano-Klängen.
Das ruhige und subtile Video des Niederländers Guido van der Werwe in der «Liste 07 – Young Art Fair» zieht in Bann.
Die Bewegungen auf dem Bildschirm sind kaum wahrnehmbar, doch manchmal hebt sich der Bug des mächtigen Schiffes leicht und senkt sich dann wieder, mal läuft der Mann etwas links, mal mehr rechts vom Bug. Sonst geschieht nichts. Doch man kann den Blick nicht abwenden. Wird das Eis unter den Füssen des Mannes brechen?
Die «Liste» in der ehemaligen Brauerei Warteck existiert seit 12 Jahren als die wichtigste von zahlreichen Nebenausstellungen der Art Basel. Gezeigt wird junge Kunst von Galerien, die seit höchstens fünf Jahren im Geschäft sind. Ein Ort für Entdeckungen. Und ein Sprungbrett in die Hauptmesse.
Käufer aus der ganzen Welt
Auch die Berner Galeristin Francesca Pia hat ihre Künstler in früheren Jahren mehrmals in der «Liste» präsentiert. Jetzt hat sie es in die Hauptmesse geschafft und belegt eine Koje mit rund 30 Quadratmetern Ausstellungsfläche in der Halle 2.1.
«Schon damals an der ‹Liste› fand ich Käufer aus der ganzen Welt, die kommen auch jetzt noch zu mir. Ja, eine Teilnahme an der Art Basel lohnt sich finanziell ganz sicher», sagt Francesca Pia gegenüber swissinfo. Für ihre Koje an der Art zahlt sie 20’000 Franken.
Mit ihrer kleinen Galerie ist Francesca Pia in der Schweizer Szene weniger präsent als die Grossen aus Zürich und Basel. Dennoch habe sie bereits in den ersten zwei Tagen der Art rund 20 Kunstobjekte verkauft und damit zwischen 150’000 und 200’000 Franken umgesetzt, erzählt sie.
«Damit habe ich meine Kosten für den Stand hier und die Galerie in Bern während dieser Zeit längst bezahlt.» Die Galeristin spürt die starke Kauffreudigkeit der Sammler, die von vielen als «überhitzter Markt» apostrophiert wird, durchaus: «Aber ich glaube, das wird noch zunehmen.»
Wie sie eine Künstlerin oder einen Künstler für ihre Galerie auswählt, kann sie nur schwer erklären: «Es ist ein kleiner Funken, der sprüht», sagt Francesca Pia. Sie selbst ist seit ihrer Pubertät an der Kunst interessiert, hat das Metier in einer Zürcher Galerie gelernt und schliesslich 1991 eine eigene Galerie in der Berner Altstadt eröffnet.
Bewegliche Raumzeichnungen
Bereits ein Jubiläum feiert der in München lebende österreichische Künstler Knopp Ferro. «Vor 30 Jahren bin ich das erste Mal an der Art Basel aufgetreten, und zwar mit einer Art Punk-Kunst-Modeschau mit meiner damaligen Kunstgruppe Jet Ferro», sagt der Künstler und Performer im Innenhof der Halle 2 gegenüber swissinfo.
Den Namen Ferro hat er behalten, weil er auch heute wieder mit Eisen arbeitet. «Raumzeichnungen» nennt er die beweglichen Gebilde aus filigranen Eisenstäben, die in der Koje der Münchner Galerie Thomas von der Decke hängen oder auf dünnen Sockel stehen.
«Je nach Luftzug bewegt sich die Skulptur und verändert sich die dreidimensionale Zeichnung im Raum», erklärt Knopp Ferro, der zwölf Jahre in der Schweiz gelebt hat und dann über New York nach Köln zurückgekehrt ist.
Wiederholt war der Künstler an grossen internationalen Kunstmessen wie der Art Basel und der Dokumenta in Kassel präsent, doch erst seit wenigen Jahren kann er von der Kunst leben.
«Ich spüre, dass die Leute Spass haben, Kunst zu kaufen, und zwar nicht nur die Spekulanten, die den Markt anheizen, sondern die breite Masse der Sammler, auch viele junge. Das ist etwas Positives», sagt der Künstler.
Art Unlimited, nichts für die gute Stube
Attraktiv und nicht zu verpassen ist das Programm «Art Unlimited» in der Halle 1, das 70 Künstlerinnen und Künstler aus 28 Ländern präsentiert. Zu sehen sind Werke, die den Rahmen von Ausstellungskojen sprengen, provokativ und in den meisten Fällen nichts für die gute Stube, also weniger kommerziell.
Drei mächtige Container, zwei beschädigte und verdreckte Wohnwagen voller Abfall, vergammelter Essensreste, zerrissener Kleider, ein Berg zerlegter PC-Bildschirme, ein Vorrat Mecca-Cola und rund 20 Ausgaben von Hitlers «Mein Kampf» auf Arabisch versammelt der Schweizer Künstler Christoph Büchel auf seinem monströsen Schrottplatz.
«Unplugged/Simply Botiful» heisst die begehbare Installation sarkastisch. Der Parcour führt durch ein Pissoir und eine heruntergekommene Bar von einer Elendskammer zur nächsten. Ein Bild der Gegenwart? Eine Warnung vor dem Zusammenprall der Kulturen? Die Art reizt die Sinne, verstört, stellt Fragen und lässt sie offen.
swissinfo, Susanne Schanda, Basel
Die 38. Ausgabe der internationalen Kunstmesse Art Basel dauert noch bis am 17. Juni 2007.
Sie fasst 300 Galerien, die 2000 Künstlerinnen und Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts ausstellen.
Neben der Hauptmesse finden an der Art Basel zahreiche Sonderausstellungen und Veranstaltungen rund um die Kunst statt.
Die Liste 07 präsentiert junge Kunst, die Art Unlimited steht für grossformatige, die gängigen Rahmen sprengende Kunst.
Performance gibt es an der Art on Stage, Kunstgespräche an der Art Basel Conversations und Filme im Stadtkino Basel.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch