Calmy-Rey: «Ein wunderbares Fenster zur Welt»
Für die Schweizer Aussen-Ministerin Micheline Calmy-Rey ist Filmförderung ein Mittel zur Förderung der Menschenrechte und der Entwicklungs-Zusammenarbeit.
Das Filmfestival Locarno zeigt deshalb neben viel Unterhaltung auch thematische Reihen über Menschenrechtsverletzungen und Filme aus Entwicklungsländern.
«Dass wir mit Locarno eine Partnerschaft eingegangen sind, ist kein Zufall. Das Festival ist ein wunderbares Fenster zur Welt», lobte die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey an einer Medienorientierung in Locarno.
«Die Filmkunst leistet im Rahmen der schweizerischen Friedenspolitik einen konkreten Beitrag zur Entwicklungs-Zusammenarbeit und zur Verteidigung der Menschenrechte, führte die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) aus.
Das EDA unterstützt am Filmfestival Locarno drei thematische Reihen mit 620’000 Franken. Seit dem Amtsantritt von Calmy-Rey hat das Aussenministerium sein Kulturengagement deutlich ausgebaut.
Unbekannte Seite deutscher Vergangenheit
Vom breiten Publikum am stärksten wahrgenommen wird «Human Rights» mit Filmen über Menschenrechts-Verletzungen. Dies schon deshalb, weil drei dieser Filme im Abendprogramm auf der «Piazza Grande» vor einem grossen Publikum gezeigt werden.
Für einen Höhepunkt im bisherigen Programm auf der «Piazza Grande» sorgte «Der neunte Tag» des deutschen Oscar-Preisträgers Volker Schlöndorff («Die Blechtrommel», «Homo Faber».)
Schlöndorff beschäftigt sich in seinem neusten Film mit einer bislang wenig bekannten Seite der deutschen Vergangenheit. Der Luxemburger Abt Henri Kremer wird 1942 zu seinem Erstaunen aus dem KZ Dachau entlassen und nach Hause geschickt.
Dort sagt ihm der Gestapo-Mann Gebhardt, dass er lediglich für neun Tage beurlaubt sei. In dieser Zeit soll Kremer den Bischof von Luxemburg dazu bringen, dass die Kirche mit dem SS-Regime zusammenarbeitet.
Wesentliche Fragen der Ethik und der Moral
Wenn Kremer den Widerstand des Bischofs brechen kann, sind er und seine Priester-Kollegen in Dachau frei. Sonst muss er zurück und die Kollegen werden hingerichtet.
Kremer muss sich entscheiden, ob er seinen Glauben verraten oder nach Dachau zurückkehren will. Er bleibt standhaft, verweigert sich den Nazis und kehrt in die Hölle zurück.
Schlöndorff hat den Film in beklemmenden Bildern, dialektisch und direkt inszeniert. Die Dialoge sind spannend, fordern heraus und drehen sich um wesentliche Fragen von Moral und Ethik.
«Der neunte Tag» hinterliess bei seiner Uraufführung ein betroffenes und nachhaltig beeindrucktes Publikum.
«Die Kirche wurde immer wieder – zu Recht – angegriffen. Dabei ging aber vergessen, dass einzelne Priester gute Leute sind. Ich war Schüler in einem Jesuitenkolleg und habe dort tolle Priester kennen gelernt. Dank ihnen bin ich Regisseur geworden. Der Film ist nun mein Dank», so Volker Schlöndorff zur Wahl des Themas, das auf einer wahren Geschichte beruht.
Menschenrechtsverletzung in Filmen
Die «Human Rights» Schiene zeigt auch zwei Beiträge aus der Schweiz: «Notre musique» von Jean-Luc Godard und «Das Leid der Anderen» von Peter Egloff.
Volker Schlöndorff sagte an der Medienorientierung, es sei erfreulich, aber auch alarmierend, dass ein Festival eine spezielle Reihe von Filmen über Menschenrechtsverletzungen zeige.
«Denn eigentlich sollte sich jede künstlerische Arbeit für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen. Doch das ist mit all den Filmen und Videospielen, welche die Gewalt verherrlichen leider nicht der Fall.»
Ebenfalls vom EDA unterstützt werden thematische Reihen von Filmen aus Laos, Kambodscha und Vietnam sowie aus dem frankofonen Afrika. Das EDA will diesen Filmschaffenden eine Plattform für den internationalen Erfahrungsaustausch und die Suche nach Mitteln bieten.
«Diese Länder verfügen zwar über ein filmisches Potenzial, das weit über die Landesgrenzen reicht, bleiben aber ähnlich wie andere Filmnationen für eine tatsächliche Weiterentwicklung auf die westliche Unterstützung angewiesen», unterstrich der Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), Walter Fust.
swissinfo, Andreas Keiser in Locarno
Das 57. internationale Filmfestival Locarno dauert vom 4. – 14. August.
Einer der bisherigen Höhepunkte war die Uraufführung «Der neunte Tag» des deutschen Oscar Preisträgers Volker Schlöndorff.
Für die Schweiz ist die Unterstützung thematischer Filmreihen ein Bestandteil der Aussenpolitik.
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