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Celestino Piatti – der Mann hinter den Eulen

Mann und Eulenbilder
Thilo Beu

Seine Grafiken prangten auf über 200 Millionen Buchcovern in Europa, seine Plakate prägten die Schweiz über Jahrzehnte: Im Januar 2022 wäre der Grafiker Celestino Piatti 100 geworden. Wer war der Mann hinter den Eulen und worin bestand sein riesiger Erfolg?

Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, in einem Schweizer Antiquariat nicht auf eine Buch zu stossen, dessen Cover Piatti gestaltet hat – er hat über 6300 Buchcover gestaltet, alleine für den dtv-Verlag, die mit einer Gesamtauflage von 200 Millionen gedruckt wurden.

Der Sohn einer Zürcher Bauerntochter und eines Tessiner Bildhauers machte sich nach seiner Ausbildung als Grafiker bereits mit 26 Jahren selbständig. Sein immenses Lebenswerk umfasst nicht nur Buchumschläge, sondern auch Gemälde, Lithografien, Illustrationen, Kinderbücher und Skulpturen. Insbesondere seine Werbe-Plakate haben das Strassenbild über Jahrzehnte geprägt.

Sein Markenzeichen: Leuchtende Farben, umrahmt von schwarzen Konturen. Doch worin bestand die Faszination, mit der er ein weitreichendes Publikum begeisterte?

SWI hat mit Philipp Messner, dem Leiter der Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, darüber gesprochen, was Piatti zu einem der populärsten Schweizer Grafiker des 20. Jahrhunderts machte.

swissinfo.ch: Warum war Celestino Piatti so erfolgreich?

Philipp Messner: Er hat schlicht viel richtig gemacht, er war ein überaus fähiger Grafiker, ein Könner. Seine ersten Erfolge feierte er als Plakatgrafiker: Kurz nachdem er sich als junger Grafiker 1948 selbständig gemacht hatte, wurde eine seiner Arbeiten unter die besten Schweizer Plakate des Jahres gewählt.

Damals herrschte in der Schweiz die Blütezeit des Plakats, die sich nicht zuletzt durch einen produktiven künstlerischen Wettstreit der Grafiker untereinander auszeichnet. Die Messlatte lag hoch, wenn man etwa an Zeitgenossen wie Herbert Leupin und Donald BrunExterner Link denkt – beide einige Jahre älter als Piatti und zur gleichen Zeit ebenfalls in Basel aktiv.

Dass sich Piattis typischer Stil über Jahrzehnte bewähren sollte, ohne gross zu ermüden, liegt wohl daran, dass es dem Gestalter immer wieder gelang, Ideen prägnant und überraschend in einem Bild zu verdichten. Celestino Piatti wurde in seiner Gebrauchsgrafik aber auch nie bequem, sondern hat zeitlebens beharrlich um die bestmögliche Lösung gerungen.

Plakate
Piatti bemühte sich um neue Formen: Links das Plakat für das Basler Ballet, das er direkt mit der Farbtube malte, rechts für die Submariner Rolex Uhr. www.celestino-piatti.ch

Womit hat er den damals herrschenden Zeitgeist so gut getroffen?

Mitte der 1950er Jahren findet er zu seinem typischen illustrativen Stil mit farbigen Flächen und dicken schwarzen Umrisslinien, die an Glasfenster denken lassen. Der «Piatti-Stil» hat einen hohen Wiedererkennungswert und der Gestalter wurde damit gleichsam selbst zur Marke.

Zu der gehörte auch die unmittelbare Liebenswürdigkeit seiner Kreationen. Seine Bilder vermittelten auch in profaner Produktwerbung eine tief empfundene Menschlichkeit.

Darin war er mehr als ein Werbegrafiker, sondern immer auch irgendwo Künstler. Die vermenschlichten Tierfiguren, die seine Plakate seit den 1950ern bevölkern, sind in ihrer Niedlichkeit frei von Berechnung oder Zynismus. Sie vermitteln einen liebevollen Blick auf die Welt. Ich glaube, darin liegt eine besondere Qualität von Piattis Arbeit, mit der es ihm gelang, zu seinem Publikum eine Beziehung herzustellen.

Wie schaffte er es als Schweizer eine internationale Bekanntheit zu erlangen?

Entscheidend für seinen internationalen Erfolg ist vor allem seine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Taschenbuchverlag (dtv), die in den wachsenden Paperback-Markt vorstiessen. Piatti entwickelte für den Verlag 1961 ein wegweisendes, einheitliches typografisches Gestaltungskonzept. Er lieferte er in den folgenden 35 Jahren Illustrationen für über 6000 Buchumschläge, die mit einer Gesamtauflage von über 200 Millionen gedruckt wurden. Im deutschsprachigen Raum ist die Piatti-Grafik damit unwiderruflich ins kollektive Gedächtnis eingegangen.

Brecht Skizzen
Piatti wurde oft für seinen sicheren Strich gelobt. Um Bertold Brecht charakteristisch zu treffen, hat er 28 Versuche mit Pinsel und Tusche unternommen. Rechts: Das ausgewählte Motiv für den Buchumschlag, 1965. www.celestino-piatti.ch

Trotz seiner Experimentierfreude: Ein immer wiederkehrendes Motiv ist die Eule? Können Sie uns dazu noch etwas sagen?

Kein anderes Tier hat Piatti so oft gezeichnet wie die Eule. Das erste Mal taucht sie 1957 als klassisches Symbol der Weisheit auf einem Image-Plakat für die Schweizer Buchbranche auf.

In Piattis Kosmos ist die Eule klug, sanftmütig und hilfsbereit – Qualitäten, die für Piatti grosse Bedeutung hatten. Zum einen lädt Gesicht der Eule, dass sie von anderen Vögeln abhebt, zu einer Vermenschlichung geradezu ein, zum anderen sieht man wenn man eine Piatti-Eule sieht aber auch zuallererst die grossen Augen, den durchdringenden Blick. Piatti war als Grafiker und Künstler ohne Zweifel ein Augenmensch, für den das Schauen ein wichtiger Teil der Arbeit und des Lebens war. Ich sehe in der Auseinandersetzung mit dem Motiv der Eule eine Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Rolle in der Welt – eine Auseinandersetzung, die nicht abzuschliessen ist.

Zwei Eulen
Titelbild des Kinderbuches “Eulenglück”. www.celestino-piatti.ch

100 Jahre Celestino Piatti – Buchhinweis

«Celestino Piatti: Alles, was ich male, hat Augen».Externer Link
Claudio Miozzari, Barbara Piatti. Christoph Merian Verlag. 2021.
Piatti für KinderExterner Link
Celestino PiattiExterner Link

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