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Das Vermächtnis des Jahrhundertchirurgen

Chirurg und Mäzen Maurice E. Müller 2005 bei der Eröffnung des Zentrums Paul Klee. Keystone

Im Alter von 91 Jahren ist Maurice E. Müller, Initiant und Mäzen des Zentrums Paul Klee in Bern, gestorben. Der weltbekannte Chirurg und erfolgreiche Unternehmer verstand sein Wirken stets als Dienst an der Menschheit.

Im Juni 2005 wurde das Zentrum Paul Klee (ZPK) am Stadtrand Berns eröffnet. Das vom italienischen Stararchitekten Renzo Piano konzipierte Gebäude in der Form von drei Hügeln mit wellenartigen Dächern ist längst zu einem Symbol für die Schweizer Hauptstadt geworden.

Das ZPK beherbergt mit 4000 Werken die weltweit bedeutendste Sammlung mit Werken Paul Klees. Nur wenige Besucher wissen, dass dieses Zentrum ohne das finanzielle Engagement von Maurice E. Müller und seiner Ehefrau Martha Müller-Lüthi nie gebaut worden wäre. Das Paar steuerte 70 Millionen Franken für das 120 Millionen Franken teure Gebäude als Schenkung bei.

Woher kam das Geld? Müller war ein hervorragender Chirurg, aber auch ein Pionier der orthopädischen Chirurgie sowie Erfinder der künstlichen Hüftgelenkprothese.
Mit seiner 1967 gegründeten Firma Protek, welche diese Erfindung weiterentwickelte und vermarktete, sowie weiteren Lizenznehmern machte er ein Vermögen. Das bekannte Unternehmen Sulzer kaufte 1990 die Firma Protek.

Glück im Leben

Das Geld floss nie allein in Müllers eigene Taschen. Er gründete zahlreiche Stiftungen, wissenschaftliche Institute und alimentierte diverse Lehrstühle rund um den Globus. Er wollte das Kapital stets «in den Dienst der Menschheit» stellen.

In diesem Sinne ist auch das Engagement Müllers für das Zentrum Paul Klee zu verstehen. Er war dankbar, Glück im Leben gehabt zu haben. Eine gute Stellung, einen Lehrstuhl in Bern, eine Familie und drei Kinder.

«Davon wollte er der Stadt und dem Kanton Bern etwas zurückgeben», erinnert sich der Berner Alt-Regierungsrat Peter Schmid, Präsident der Stiftung Paul Klee.

Alexander Klee, Enkel von Paul Klee, sowie Livia Klee-Meyer, Witwe des einzigen Sohns von Paul Klee, hatten 1990 der Stadt und dem Kanton Bern eine Schenkung von rund 650 Klee-Gemälden angeboten – mit der Auflage, bis Ende 2006 ein Klee-Museum zu errichten.

Willen durchgesetzt

Die Berner Behörden wollten zuerst ein Museum in einer Schule errichten, in die Klee als Kind gegangen war. Doch im Juli 1998 kam dann die Schenkungsofferte von Maurice E. Müller und seiner Frau Martha. Sie offerierten zudem die Landparzelle Schöngrün in direkter Nähe zu ihrem Wohnhaus in Bern.

«Müller war kein gewöhnlicher Donator», erinnert sich Schmid. Zum einen setzte er durch, dass nicht ein Museum, sondern ein Zentrum gebaut wurde. Das heisst: Auch der wissenschaftlichen Forschung wurde Platz eingeräumt, genauso wie einem Kindermuseum und einem Auditorium (Musiksaal).

Zudem setzte er die Wahl des Architekten Renzo Piano durch. Müller hatte dem bekannten italienischen Pianisten Maurizio Pollini vor Jahren durch eine Operation die Fähigkeit zum Klavierspielen zurückgegeben. Nun rief er Pollini an, damit dieser den Kontakt zu Renzo Piano herstellte. Maurizio Pollini und Renzo Piano waren Fussball-Freunde aus der Kindheit

Nicht reinreden

Und so willigte Renzo Piano ein und tauchte nach kurzer Zeit in Bern auf. Dabei kam es gelegentlich zu kleinen Spannungen. Als Maurice E. Müller beim Projekt gelegentlich mitsprechen wollte, sagte Piano: «Ich rede auch nicht rein, wenn Sie ein Gelenk operieren.»

Laut Alt-Regierungsrat Schmid blieb Maurice E. Müller trotz seines grossen beruflichen Erfolgs, seinem Reichtum und einem Dutzend Ehrendoktortiteln stets «ein bescheidener Mensch.» Und Andreas Marti, Direktor des Paul Klee Zentrums, lobt die gute Zusammenarbeit mit Müller: «Er gab Richtungen und Ziele an, aber erteilte nie Befehle.»

Bern und die ganze Schweiz verdanken Maurice E. Müller und seiner vor zwei Jahren verstorbenen Ehefrau Martha das Zentrum Paul Klee. Gedenktafeln für den Gründer sucht man dort vergebens – ganz in der Tradition der Bescheidenheit.

Einzig der Name des Auditoriums ist eine Hommage an die Stifter. Besser gesagt: An die Stifterin. Der Saal ist Martha Müller-Lüthi gewidmet.

Gerhard Lob, swissinfo.ch

Geboren am 28. März 1918, aufgewachsen in Biel, französischer Muttersprache
Besuch der zweisprachigen Schule in Biel

Medizinstudium, spezialisiert auf Orthopädie, Arzttätigkeit in Äthiopien, Holland und der Schweiz

Chefarzt der orthopädisch-traumatologischen Abteilung am Kantonsspital St. Gallen (1960-63)

Ordinarius für Orthopädie und Chirurgie des Bewegungsapparates an der Universität Bern und Direktor der Universitätsklinik für Orthopädische Chirurgie am Inselspital Bern. (1963-1980)

Gründung der Firma Protek für die Entwicklung von Gelenkprothesen (1967)
Gründung der Maurice E. Müller Stiftung (1974)

Eröffnung des Zentrums Paul Klee (2005)

Verstorben am 10. Mai 2009 in Bern

Neben 12 Ehrendoktortiteln (Dr. med. h.c.) und Vesalius-Ehrenring der Universität Basel war Maurice E. Müller Ehrenmitglied von 24 Gesellschaften weltweit, u.a. Honory Fellow des Royal College of Surgeons of England, sowie Gewinner zahlreicher internationaler Preise.

2002 wurde er von der Société Internationale de Chirurgie d’Orthopédie et de Traumatologie (SICOT) als «Chirurge des 20. Jahrhunderts» geehrt.

Die Stadt Bern hat dem Ehepaar Müller für seine Verdienste 2006 das Ehrenbürgerrecht verliehen. Dieses galt nicht allein dem Mäzen, sondern auch dem Chirurgen, der in seiner Tätigkeit als Arzt mehr als 20’000 Operationen ausführte und 4000 Hüftgelenke implantierte

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