Dem Buch Gehör verschaffen
Schweizer Autorinnen, Verleger, Buchhändlerinnen und Bibliothekare spannen zusammen: Zum "Welttag des Buches" 2004 gründen sie die "Buchlobby Schweiz".
Die Buchbranche sorgt sich um die Lesegewohnheiten – und will Gegensteuer geben.
«Die Buchbranche steckt auf allen Ebenen in der Krise», sagt Erica Benz-Steffen, Abteilungsleiterin für Literatur und Geisteswissenschaften der Kulturstiftung «Pro Helvetia».
Seit 20 Jahren nehme die für das Lesen aufgewendete Zeit stetig ab, Kurzfutter und Instant-Konsum drängten immer weiter hinein in die Literatur: Benz-Steffen ist überzeugt, dass die Schaffung der etwas provokativ genannten «Buchlobby» nötig ist.
«Das Buch muss seinem Stellenwert entsprechend behandelt werden. Das heisst, sowohl mit finanzieller Unterstützung wie auch mit sonstigen Massnahmen, die garantieren, dass es weiterhin eine lebendige Buchszene in der Schweiz gibt.»
Schulterschluss
Erstmals haben sich nun alle Beteiligten des Buchsektors, von Autorinnen und Autoren über Branchenorganisationen und Verlegern bis zu den Bibliotheken, landesweit zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie mit der Buchlobby Schweiz an die Bedeutung des Buches erinnern.
Dabei geht es nicht nur um die schöne Literatur, sondern auch um das Sachbuch, das Wissenschaftsbuch und allgemein um das Lesen und die Lesefähigkeit.
Es gehe nun darum, «den Aufbau eines breiten Verständnisses für das Buch und den Buchsektor zu erzeugen», sagt Men Haupt, Direktor des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbandes (SBVV) gegenüber swissinfo. «Wir haben kaum eine Branche, die einen Welttag für ihr Produkt ausweisen kann. Das haben wir, und davon wollen wir profitieren.»
Oft werde das Buch schlicht vergessen, wenn von der Medien- und Kulturlandschaft gesprochen werde. Als positives Vorbild nennt Haupt die Filmbranche, die sich durch hervorragende interne Zusammenarbeit während der letzten Jahre gut positionieren konnte.
Denkanstoss
Mit einer Broschüre als «Denkanstoss» in den Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch wird nun am Freitag die Lobbykampagne für das Buch lanciert. Konkrete Forderungen sind noch nicht formuliert, sollen aber folgen. Denn die Buchlobby hat sich einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren gesetzt.
Aus den Organisationen, die mitwirken, kämen «sehr viele Ideen, die wir in den nächsten Monaten und Jahren weiterentwickeln, konkretisieren und zu Forderungen umbauen wollen», so Haupt. «In erster Linie wird die Arbeit auch Hintergrundarbeit sein. Wir werden Leute im Gespräch zu sensibilisieren versuchen.»
Ein Beispiel für die zukünftige Lobbyarbeit sei das Kulturförderungs-Gesetz. «Der Buchlobby Schweiz ist es ein Anliegen, dass das Buch als solches in diesem Kulturförderungs-Artikel Eingang findet.»
Bereits kann die Buchlobby mit einem breiten Patronatskomitee aufwarten. Darunter befinden sich namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wissenschaft. So beispielsweise Ständerätin Anita Fetz, Schriftsteller Adolf Muschg und der Medizin-Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel.
Finanzierung mit Eigenmitteln
Eher bescheiden nimmt sich die Finanzierung aus. Die Organisationen berappen die Kampagne aus ihren eigenen Mitteln. «Die Branche lebt aber in bescheidenen Verhältnissen und die Mittel, die wir einsetzen können, sind dementsprechend bescheiden», betont Haupt.
Zahlen will sich Haupt keine entlocken lassen. Über die drei bis fünf Jahre werde die Arbeit aber sicher einige hunderttausend Franken kosten. «Für den Start sind es weniger als hunderttausend.»
Laut SBVV-Geschäftsführer Martin Jann steht für die Aktivitäten seines Verbandes ein Rahmenbudget von 50’000 Franken zur Verfügung.
Auch die Kulturstiftung Pro Helvetia trägt die «Buchlobby» mit. «Wir werden sicher im Rahmen unserer Möglichkeiten Initiativen unterstützen, die unserem Aufgabebereich entsprechen», sagt Benz-Steffen. «Wir haben jetzt auch für diese Broschüre eine kleine Unterstützung gewährt.»
Chance für Tessin und Romandie?
Die «Buchlobby» hat sich auf die Fahne geschrieben, für Bücher aus allen Teilen der Schweiz zu werben. Dazu könnte beispielsweise gehören, Schweizer Autoren nebem dem Original auch in anderen Landessprachen herauszugeben oder zu propagieren.
«Ich hoffe, dass die Sensibilität für die Gegebenheiten der einzelnen Regionen grösser wird», sagt Benz-Steffen. «Dass man auch durch dieses Netz, das jetzt aufgebaut wird, aufeinander aufmerksam wird.»
«Es ist nicht der Kern dieser Kampagne», gibt Haupt zu bedenken. «Aber alles, was wir für das Buch tun, kommt natürlich Allen zu Gute.»
swissinfo, Christian Raaflaub
Pro Jahr werden in der Schweiz ca. 40 Mio. Bücher verkauft, 80% davon werden importiert.
Der jährliche Umsatz des Schweizer Buch- und Literaturmarkts (ohne Presse) beträgt rund 2 Mrd. Franken.
Er ist damit der grösste Sektor der Schweizer Kulturwirtschaft.
Schweizer Verlage veröffentlichen jährlich 10’000 Buchtitel.
Den UNESCO-Welttag des Buches (23. April) gibt es seit 1995.
Der 23. April ist der Todestag von Miguel Cervantes und William Shakespeare (beide 1616) sowie der Geburtstag von Vladimir Nabokov (1899) und Halldor Laxness (1902).
Folgende Organisationen unterstützen die Buchlobby Schweiz:
– Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV
– Association suisse des Diffuseurs, Editeurs et Librairies ASDEL
– Società Editori della Svizzera Italiana SESI
– Verband der Bibliotheken und der Bibliothekarinnen / Bibliothekare der Schweiz
– Stiftung Bibliomedia Schweiz Suisse Svizzera
– Autorinnen und Autoren der Schweiz
– Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia
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