Der Goldene Leopard trägt Schweizerkreuz
Der Film "Das Fräulein" der Schweizer Filmemacherin Andrea Staka hat am 59. Filmfestival in Locarno den Goldenen Leoparden für den besten Wettbewerbsfilm gewonnen.
Der mit 90’000 Franken dotierte Siegerfilm ist der erste abendfüllende Spielfilm von Andrea Staka – einer jungen Zürcher Regisseurin – mit Wurzeln in Ex-Jugoslawien.
Andrea Staka, Seconda in Zürich mit Jahrgang 1973, hat ihrem Film – eine schweizerisch-deutsche Co-Produktion – mit einer gewissen Ironie den Titel «Das Fräulein» gegeben.
Eine der drei Hauptfiguren ist nämlich ein klassisches «Fräulein». Unverheiratet, ohne Mann. Stakas Film über drei sehr verschiedene Frauen aus den Ländern, die wir immer noch als «Ex-Jugoslawien» bezeichnen, vertrat die Ehre der Schweiz im Wettbewerb von Locarno mit Bravour.
«Das Fräulein» gehörte zwar zu den Favoriten im Wettbewerb. Der Hauptpreis ist nach der Affäre um das österreichische Jurymitglied Barbara Albert trotzdem eine Überraschung.
Befangenheit vorgeworfen
Um den Gewinnerfilm des mit 90’000 Franken dotierten Goldenen Leoparden war nämlich im Vorfeld der Preisverleihung eine Kontroverse entbrannt.
Die Österreicherin Barbara Albert war aus der internationalen Jury des Filmfestivals von Locarno zurückgetreten. Der 36-Jährigen war Befangenheit vorgeworfen worden, weil sie als Beraterin beim Drehbuch von «Das Fräulein» von Andrea Staka mitgewirkt hatte.
Nach Bekanntwerden dieser Beratertätigkeit hatte die Jury zunächst beschlossen, dass Albert bei der Bewertung von Stakas Film in den Ausstand treten soll.
Albert entschloss sich dann aber zum Rücktritt, um jede Diskussion über die Unabhängigkeit der Jury zu vermeiden. «Das Fräulein» war von den Filmkritikern in Locarno mehrheitlich als der beste Beitrag im Wettbewerb gehandelt worden.
Spezialpreis in die USA
Der mit 30’000 Franken dotierte Spezialpreis der Jury ging an den amerikanischen Beitrag «Half Nelson» von Ryan Fleck, «für einen Film, der den Gedanken der Verständigung zwischen den Völkern und Kulturen am stärksten zum Ausdruck bringt», wie die Jury den Spezialpreis begründete.
Den ebenfalls mit 30’000 Franken dotierten Preis für die beste Regie erhielt der französisch-belgische Film «Le dernier des fous». Zur besten Darstellerin wurde Amber Tamblyn im US-Film «Stephanie Daley» von Hilary Brougher gekürt.
Klaussner bester Darsteller
Als bester männlicher Darsteller wurde Burghart Klaussner im deutschen Film «Der Mann von der Botschaft» von Dito Tsintsadze ausgezeichnet. Eine besondere Erwähnung erhielt der portugiesische Beitrag «Body Rice» von Hugo Vieira da Silva «für seine anregende und originelle filmische Ausdruckskraft und seinen kreativen Mut».
Den Leoparden für das beste Erstlingswerk verlieh die Spezialjury dem französischen Film «L’année suivante» von Isabelle Czajka. Ihr Film zeige eine neue Perspektive der ökonomischen Bedingungen und der Härte der Pariser Vororte, begründet die Jury die Auszeichnung für das beste Erstlingswerk.
Leuenberger gratuliert
Bundespräsident Moritz Leuenberger hat die Gewinnerin des Goldenen Leoparden am Filmfestival von Locarno beglückwünscht.
Der siegreiche Film von Andrea Staka «Das Fräulein» sei auch ein Beitrag an den Dialog zwischen den Kulturen, sagte Leuenberger. Durch diesen Dialog könnten die Gesellschaften entstehen.
Und der Dialog sei auch der erste Schritt zur Integration. Wenn es an diesem
Dialog fehle, könnten Misstrauen und Gewalt Fuss fassen, erklärte der Bundespräsident und fügte hinzu, dass man dies zurzeit nur zu oft sehe.
Frédéric Maire zusammengebrochen
Festivalpräsident Marco Solari erklärte vor der Bekanntgabe der Preise, dass Festivaldirektor Frédéric Maire nach seinem Schwächeanfall vom Freitagabend weiter unter ärztlicher Aufsicht stehe. Deshalb schaute sich Maire die offizielle Preisverleihung am Samstagabend am Fernsehen statt auf der Piazza Grande an.
Maire war auf der Bühne der Piazza zusammengebrochen, als er den Abendfilm «Little Miss Sunshine» präsentieren wollte. Laut einer Sprecherin des Filmfestivals hatte sich Maire schon den ganzen Tag über schlecht gefühlt.
Maire habe vor dem Anlass enorm viel gearbeitet und sei schon beim Start des Festivals erschöpft gewesen, sagte Solari.
swissinfo und Agenturen
«Das Fräulein» von Andrea Staka war der einzige Schweizer Film im Wettbewerb (total 21 Filme aus 15 Ländern) um den Goldenen Leoparden.
Beim Siegerfilm handelt es sich um den ersten abendfüllenden Film der Zürcher Filmemacherin, die bereits mit ihrem Kurzfilm (Hotel Belgrad) und dem Dokumentarfilm (Yugodivas) Lorbeeren erntete.
Andrea Staka wirft in «Das Fräulein» einen intimen Blick auf drei eigenwillige Frauen in der Schweiz, die aus verschiedenen Gegenden eines Landes kommen, das es nicht mehr gibt (Ex-Jugoslawien).
Der Film kommt im November in die Schweizer Kinos.
Der letzte Schweizer, der den Goldenen Leoparden gewann, war 1985 Fredi M. Murer mit «Höhenfeuer».
Die Gewinner des Goldenen Leoparden in den letzten 10 Jahren:
2005 – «Nine lives» von Rodrigo Garcia, USA.
2004 – «Private» von Saverio Costanzo, Italien.
2003 – «Khamosh Pani» von Sabiha Sumar, Pakistan.
2002 – «Das Verlangen» von Iain Dilthey, Deutschland.
2001 – «Alla rivoluzione sulla due cavalli» von M. Sciarra, It.
2000 – «Baba» von WANG Shuo, China.
1999 – «Peau d’homme, coeur de bête» von H. Angel, Frankreich.
1998 – «Zhao Xiansheng» von Lü Yue, China.
1997 – «Ayneh» von Jafar Panahi, Iran.
1996 – «Nénette et Boni» von Claire Denis, Frankreich.
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