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Der Herr der Buchstaben

Adrian Frutiger in seinem Atelier in der Nähe von Bern. swissinfo.ch

Als 1969 in Paris der Flughafen Charles de Gaulle entstand, wurde der Schweizer Adrian Frutiger beauftragt, ein einheitliches Signalisations- und Beschriftungssystem zu entwerfen.

Frutigers Lettern finden sich überall. Ein Besuch beim Star der Schriftgestalter.

«Ein Leben für die Schrift», so heisst die Autobiographie von Adrian Frutiger. Das Buch wurde bei Schläfli & Maurer in Interlaken im Berner Oberland gedruckt.

Dort, in der damaligen Buch- und Kunstdruckerei Otto Schläfli begann der junge Adrian Frutiger 1944 seine Lehre als Schriftsetzer. Anschliessend besuchte er die Kunstgewerbeschule Zürich. Die Karriere eines der renommiertesten Experten der Schriftgestaltung begann.

Sechzig Jahre später hat Frutiger nichts von seiner Leidenschaft für die Lettern und die Typographie eingebüsst.

In seinem Atelier in der Nähe von Bern, in das er nach vielen Jahren, in denen er Paris wohnte, zurückgekehrt ist, sind die Spuren seines Schaffens allgegenwärtig.

Schnell einmal beginnen wir über «Univers» zu sprechen, dem Star der grossen Schriftenfamilie Frutigers.

In Paris geboren

Die Form für Univers entstand in Paris. Nach dem Studiums an der Zürcher Kunsgewerbeschule zog Frutiger in die französische Hauptstadt.

Dort fand der junge Designer eine Anstellung bei der bekannten Schriftgiesserei Deberny & Peignot.

1952 kaufte der Besitzer der Firma, Charles Peignot, in den USA die Lizenz, um in Europa die ersten Geräte für Fotosatz zu bauen.

Frutigers Aufgabe in der Firma bestand nun darin, die damals bekannten Schrifttypen zu zeichnen, um sie der neuen Fotosatz-Technik anzupassen. Schriften wie Garamond, Bodoni oder Baskerville.

Schnell einmal zeigten sich Probleme. Die vorhandenen Schriften hatten alle Verzierungen, die schlecht oder gar nicht auf Fotosatz umzusetzen waren.

Eine Schriftfamilie

«Vor Univers», sagt Adrian Frutiger gegenüber swissinfo, «hatten die diversen Schrifttypen keine Gemeinsamkeiten. Man hatte zwar schon enge Buchstaben und weite, aber jeder hatte ein anderes Geschlecht, möchte ich fast sagen.»

Also machte er sich an die Arbeit und begann eine Schrift zu kreieren, die sich für Fotosatz eignet.

Die «Univers» baute Frutiger schliesslich zu einer ganzen Schriftfamilie aus, in der magere, fette, kursive Buchstaben wie aus einem Guss zusammen passten.

Das war neu für die damalige Zeit. Die Univers konnte mehr ausdrücken, als alle bisherigen Schriften.

Die Schrift kam 1955 «auf den Markt» und traf genau den Puls der Zeit. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders und die Fachleute waren von Frutigers Kreation begeistert.

Vor allem die Werbeagenturen, die damals wie Pilze aus dem Boden schossen, stürzten sich begeistert auf Univers. Endlich hatten sie eine Schriftart, die moderne Drucke und Kreationen zuliess.

«Wenn ich zurückblicke, war das Auftauchen der Univers schon eine Sensation», sagt Frutiger mit einem Anflug von Stolz. Schnell einmal wurde die Grundstruktur der Schriftart von andern Schriftgestaltern nachgeahmt.

Zum Beispiel mit der Helvetica, die 1957 von Max Miedinger gezeichnet wurde. Mit Univers und Helvetica wurden charakteristische Schriftformen geschaffen, die man weltweit den Schweizer Stil nennt. Sie sind Teil der modernen Schriftgestaltung geworden.

swissinfo, Andrea Tognina
(Übersetzungaus dem Italienischen: Urs Maurer)

Als bekanntester zeitgenössischer Schriftdesigner schuf Adrian Frutiger über 25 Schriften, u.a. Président, Phoebus, Frutiger (1976), die Grotesk-Schriftfamilie Univers und die Computerschrift OCR-B (seit 1973 Weltstandard).

Biographie

Adrian Frutiger wurde am 24. Mai 1928 in Unterseen bei Interlaken geboren.

1944-48 Schulen und Schriftsetzerlehre in Interlaken.

1948-52 Kunstgewerbeschule Zürich.

1952-62 künstlerischer Leiter der Schriftgiesserei Deberny & Peignot in Paris.

1952-60 Lehrer an der Ecole Estienne und 1954-68 an der Ecole Nationale Supérieure des Arts Décoratifs in Paris.

1962 gründete Frutiger mit André Gürtler und Bruno Pfäffli ein Designer-Atelier für Schriften in Arcueil bei Paris.

1967 adaptierte er am National Institute of Design in Ahmedabad (Indien), wo er ab 1952 lehrte, die traditionelle indische Devanagari-Schrift für Maschinensatz. Daneben entstanden Signete, Logotypen, Hausschriften und Beschriftungssysteme u.a für die Métro Paris, den Flughafen Charles de Gaulle und die schweizer Post.

1963-81 war Frutiger für die Gestaltung und Adaption von Schreibmaschinen- und Composerschriften der IBM verantwortlich.

Ab 2003 wurden die schweizerischen Orts- und Wegweisertafeln in der Astra-Frutiger-Schrift erstellt.

Adrian Frutiger ist Träger mehrerer Auszeichnungen (1986 Gutenberg-Preis); Chevalier des Arts et des Lettres.

1980 wurde Ehrenbürger von Interlaken.

Heute lebt Frutiger in Bremgarten bei Bern.

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