Der «kleine Prinz» verneigt sich
Stéphane Lambiels Rückzug vom Wettkampfsport ist kein Abschied vom Eiskunstlauf. Seinen Fans bleibt der "kleine Prinz" auf dem Eis erhalten. An Schauläufen und Gala-Auftritten dreht er neue Pirouetten.
Bereits mit 23 Jahren ist der Unterwalliser mit zwei WM-Titeln und dem Gewinn von Olympia-Silber nicht nur ein erfolgreicher Eiskunstläufer, sondern auch ein Star mit grosser Ausstrahlung.
Als Lambiel 2007 seinen Verzicht auf die EM in Warschau bekannt gab, begründete er dies mit fehlendem inneren Feuer. Es ging ihm nicht nur darum, die geforderten Elemente sauber aneinanderzureihen und damit möglichst viele Punkte zu sammeln, sondern er wollte auch im Wettkampf seine Emotionen rüberbringen und die Zuschauer mit seiner Leidenschaft in den Bann ziehen.
Alles kommt bei ihm von innen heraus. Deshalb tat er sich mit dem Bewertungssystem, das nur noch wenig Freiräume zulässt, äusserst schwer. Mit seiner Art Eiskunstlauf zu zelebrieren, gehörte Lambiel zu den wenigen, für die das Wort Kunst auch im Wettkampf Bedeutung hatte.
Es drängte ihn immer zum Besonderen. Bestes Beispiel war seine in den letzten beiden Saisons gelaufene Flamenco-Kür, ein Meisterstück, für das er einen immensen Aufwand betrieb.
Kreativ und schnell
Lambiels Kreativität in den Wettkämpfen waren keine Grenzen gesetzt. Er brauchte die Abwechslung geradezu. Zudem lernte er schnell neue Programme. Nach der EM 2005 in Turin entschied er sich kurzerhand, die Kür zu wechseln und wurde rund zwei Monate später in Moskau zum ersten Mal Weltmeister.
Dass sein damaliger Trainer Peter Grütter und die Choreografin Salome Brunner der neuen Kür-Musik («King Arthur») skeptisch gegenüber standen, hinderte ihn nicht daran, es dennoch zu versuchen, weil er wusste, dass sie für ihn das Richtige war.
«Ich bin kein Einfacher»
Der Umgang mit Lambiel ist nicht immer einfach. Er ist sehr sensibel und lebt seine Emotionen extrem aus. Daher wird es mit ihm nie langweilig, er ist immer wieder für eine Überraschung gut. Sein Umfeld kann er manchmal schier in den Wahnsinn treiben.
Er gilt als launische Diva, stur und extravagant. «Ein Narzisst», soll seine Schwester über ihn gesagt haben. Er streitet nichts ab. «Ich bin kein Einfacher. Ich komme zu spät, kann meine Gefühle nicht verstecken», gestand er in einem Interview.
Die ältere Schwester macht’s vor
Das Klischee von Eiskunstlauf als Mädchensport stört Lambiel nicht. «Wer Eiskunstlauf als Mädchensport bezeichnet, versteht meine Art von Kunst nicht», kommentiert er.
Doch war es seine ältere Schwester, die ihn auf diesen Sport brachte. Der 1985 in Martigny im Kanton Wallis geborene und in Saxon aufgewachsene Stéphane Lambiel war sofort begeistert, als er sie eislaufen sah. Darauf begann er jeden Abend Eislaufvideos anzusehen und in der Garage Sprünge zu üben, wie auf seiner Website nachzulesen ist.
Als 12-Jähriger lief er an der Eiskunstlauf-Weltmeisterschaft in Lausanne ein Showprogramm. Damals war er Schweizer Nachwuchsmeister und gewann alle nationalen Wettkämpfe.
2002 begann sein Aufstieg in die Weltelite, als er sich für die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City qualifizierte.
Neues Kapitel aufschlagen
Seinen Rückzug vom Wettkampfsport will er nicht als Abschied verstanden wissen. Er habe ein Kapitel beendet. Nun könne er ein neues beginnen, in das er alles schreiben könne, was er wolle: «Ich will mir eine neue Zukunft bauen.»
Neben dem Eiskunstlaufen will Stéphane Lambiel weiter künstlerisch tätig sein. Zudem erwägt er eine akademische Laufbahn. Aber erst einmal will er die Welt entdecken und Abenteuer erleben, wie er sagt. Seine Lieblingslektüre ist – wen wundert’s – «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupéry.
swissinfo und Agenturen
Am 2. April 1985 wurde Stéphane Lambiel in Martigny im Kanton Wallis geboren.
Aufgewachsen in Saxon, lebt heute in Lausanne.
1997 erster Auftritt im Showprogramm der Weltmeisterschaften in Lausanne.
Wichtigste Erfolge: Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2006 in Moskau. Weltmeister 2005 und 2006. Europameister 2006 und 2008. Achtfacher Schweizer Meister.
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