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Der Koloss von Murten

Der Monolith beflügelt die Fantasie - und lädt ein, über die Schweiz nachzudenken. swissinfo.ch

Der Monolith auf der Arteplage von Murten fasziniert: Er ist von einer geheimnisvollen Aura umgeben, weckt Emotionen - und verleitet zu Spekulationen. Eine Annäherung.

Der Monolith ist die Hauptattraktion der Expo.02-Arteplage Murten: ein rostender Würfel, 34 mal 34 mal 34 Meter, 200 Meter vom Ufer entfernt, ein schwimmender Betonsockel als Fundament, mit 24 Seilen im Seegrund vertäut.

Entworfen hat den eckig-geometrischen Trabanten der renommierte Pariser Architekt Jean Nouvel. Ein Star seiner Zunft. In der Schweiz machte Nouvel unter anderem durch das neue Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) von sich reden.

Assoziieren und staunen

Der Monolith scheint unwirklich, irritierend, überirdisch. Bei Sonnenschein strahlt er in feurigem Rot, bei Regen wirkt er fremd und erhält etwas Bedrohliches.

Es gehe darum, Assoziationen auszulösen und die Besucherinnen und Besucher zum Staunen zu bringen, sagte Nouvel im April in einem Interview mit der «Sonntags-Zeitung». «Wenn man nichts weiss, staunt man, was das Ding soll: Hat man hier Öl gefunden, oder versteckt sich die Freiheitsstatue darunter? Hat es jemand hingestellt, oder steht es hier schon seit 300 Jahren? Ist es voll, ist es leer?»

Drei Panoramas

Geräuschlose Katamarane chauffieren die Expo-Gäste vom Murtener Seeufer zum geheimnisvollen Würfel: Im Innern trifft man als erstes auf das «Panorama Schweiz Version 2.1». Eine multimediale Installation mit Momentaufnahmen aus allen Teilen der Schweiz: Tierbilder neben Berglandschaften neben Hochhäusern neben spielenden Kindern. Scheinbar planlos, widersprüchlich, unübersichtlich. Alles ist in Bewegung.

Rolltreppen führen nach oben. Auf halber Höhe Panorama Nummer 2: Durch eine rund 50 cm breite, den Kubus umspannende Öffnung ist die Landschaft von Murten zu sehen.

Und zuoberst Panorama Nummer 3: das historische Rundgemälde «Panorama der Schlacht von Murten» in Öl aus dem Jahre 1894. Das Monumentalwerk des deutschen Künstlers Louis Braun schildert den Sieg der Eidgenossen über Karl den Kühnen 1476. Ein Mahnmal gegen die Grausamkeit des Kriegs – und das Überbleibsel eines mythologisch überhöhten Geschichtsbildes.

Augenblick und Ewigkeit

Der Monolith stösst bei den Expo-Besuchern auf grosse Zustimmung. Dies zeigt ein Augenschein vor Ort. «Ich bin total beeindruckt», gesteht ein Mann aus Sursee, nachdem er vom Monolith wieder ans Murtener Ufer zurückgekehrt ist. Und eine Frau aus Aarau schwärmt: «Wunderbar, eindrücklich!»

Der die Aussenhaut des Monoliths überziehende Rost symbolisiert gemäss Architekt Nouvel die Vergänglichkeit allen Seins – passend zum Thema der Arteplage: «Augenblick und Ewigkeit». Ist die Schweiz am Verrosten? «Auf eine solche Idee wäre ich jetzt gar nie gekommen», sagt ein pensionierter Lehrer aus dem Kanton Waadt.

Auch eine Besucherin aus dem Kanton Zürich will die Symbolik des rostenden Kubus nicht überstrapazieren: «Der Rost zeigt, dass nichts ewig ist. Für die Schweiz heisst dies, dass sie zu sich Sorge tragen muss – beispielsweise bei ihren ethischen Grundwerten.»

Dynamik und Statisches

Ein 17-Jähriger aus Frauenkappelen hat in erster Linie am Schlachtpanorama Gefallen gefunden. «Wenn die Schlacht anders ausgefallen wäre, hätte dies grosse Auswirkungen gehabt – letzten Endes auch für mich heute.» Die Video-Installation hingegen sei ein «unverständliches Wirrwar».

Anders sieht dies ein Sekundarschüler aus Flums. Durch das Nebeneinander der unterschiedlichen Panoramas werde illustriert, dass es «nicht nur eine Schweiz gibt. Die Schweiz hat sehr viele verschiedene Seiten. Sie fliessen im Monolith ineinander.»

Wahrzeichen der Arteplage Murten

Neben dem Monolith gibt es auf der Arteplage Murten zahlreiche weitere Ausstellungen zu besichtigen: zur Landwirtschaft, zur christlichen Religion, zur Gewalt, zum Blind-Sein und zur Landesverteidigung.

Felix Münger

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