Der Ruf der Bühne
Monika Niggeler, Schauspielerin und Pendlerin zwischen Bern und Bayern, sucht das Glück auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
Doch die rosigen Theater-Zeiten sind vorbei. Viele arbeitslose Schauspielende konkurrieren um wenige Engagements.
«Mit guten Menschen gutes Theater machen», so lautet das Credo von Monika Niggeler. Sie, die nach einem viel versprechenden Karrierestart in der Schweiz dem Ruf eines Intendanten ans Theater im deutschen Ingoldstadt folgte, weiss wovon sie spricht.
Schliesslich hat sie in ihrer rund 20-jährigen Theaterlaufbahn viele Intendanten und Regisseure kommen und gehen sehen. Sie hat auf grossen und kleinen Bühnen gespielt, hat selten gut, dafür regelmässig wenig verdient, hat Theaterskandälchen und Intrigen miterlebt.
«In der Theaterlandschaft sind viele Megomanen anzutreffen und nicht jedes Wort wird auch gehalten», weiss Monika Niggeler aus Erfahrung.
Gleichwohl kennt sie auch die wunderbaren Zeiten in den Theaterfamilien, genannt Ensembles, die ein guter Intendant (Intendantinnen sind rare Blüten in der Theaterlandschaft; das gilt für die Schweiz, wie auch für Deutschland) jeweils um sich scharrt.
Traumberuf: Schauspielerin
Als jüngstes von vier Geschwistern wächst Monika Niggeler in Scheuren im Berner Seeland auf. Sie liest viel und spielt schon in der Schule gerne Theater.
«Auf den Gedanken – ich, aus Scheuren im Kanton Bern, könnte eine Schauspiel-Ausbildung machen, bin ich gar nicht gekommen. Dies war jenseits meiner Vorstellungskraft. Ich war eine Mischung aus Schüchternheit und Frühreife.»
Dennoch bewirbt sie sich nach einer Buchhändlerinnen-Lehre an der Schauspielschule Bern. Zwei Mal schafft sie es bis in die letzte Runde, aber aufgenommen wird sie nicht. «Mit über 20 Jahren war ich schon zu eigenständig, zu selbstsicher, zu wild.»
Was in Bern nicht klappt, gelingt in Zürich. Sie wird eine «Elevin» von Reinhard Spörri, dem Gründer des Theaters Kanton Zürich. So lernt sie nebst dem Handwerk des Schauspiels auch die Dramaturgie, das Bühnenbild, das Erstellen von Probeplänen sowie das harte Brot einer Assistenz kennen.
Die Bauerntochter aus dem Seeland erobert die Bühne
Bald erhält sie ein Engagement am Stadttheater Bern, später eines am Stadttheater Biel-Solothurn. Niggeler erhält überall gute Kritiken. Ihr Charme, ihr weiblicher Typus, dazu die Fähigkeit, Tiefen und Abgründe einer Figur herauszuschälen, kommen gut an.
«Ich war Everybody’s Darling. Mit meinen langen blonden Haaren konnte ich all die Jungfrauen, die ins Wasser gingen, wahnsinnig wurden, im Herzschmerz versanken, wunderbar spielen», erzählt sie mit einem Flunkern in den Augen.
Anfang der 90er Jahre strahlt das Schweizer Fernsehen einen Magazinbeitrag über die Geheimnisse der Liebe aus. Kurz darauf titelt der Blick «Schöne Moni treibt den Puls von Schweizer Männern in die Höhe». Monika Niggelers Bekanntheitsgrad wächst und ihr Image der jungen blonden Naiven mit Potenzial wird zementiert.
Kündigung mit Folgen
Doch die Herrlichkeit hat ein Ende als Mitte der 90er Jahre auch in Solothurn einschneidende Sparmassnahmen, kulturpolitische Entscheide und ein Intendanten-Wechsel dazu führen, dass etliche aus dem Ensemble kündigen, darunter Monika Niggeler.Die Sparschere kommt auch an den Stadt-Theatern unerbittlich zum Einsatz, Stellen werden nur noch mit Stückverträgen besetzt.
Angebot aus Deutschland
Da erschallt 1998 der Ruf aus Ingoldstadt. Wolfram Krempel, einst erfolgreicher Regisseur am Berner Sprech-Theater erinnert sich an Monika Niggeler und bietet ihr ein Engagement an. Sie, die sich inzwischen in eine Brünette verwandelt hat, greift zu.
Damit ist die Ära der blonden Jungfrauen vorbei. Fortan kann Niggeler (endlich auch) reifere Frauen-Rollen am Theater spielen. Denn noch immer werden am klassischen Sprech-Theater mit Hauptgewicht auf wertbeständigen Texten (Schiller, Lessing, Tschechow etc.) Stellen typengerecht besetzt.
«Es war ein hartes erstes Jahr», erinnert sich Monika Niggeler. «Jetzt war deutsche Massarbeit gefordert, die Bühne war riesig, die Konkurrenz schlief nicht.» Doch Niggeler, die über eine gut tragende Stimme verfügt und – deutsche Wurzeln sei Dank – ein akzentfreies Bühnendeutsch spricht, meisterte diese Hürde.
Ohne festes Engagement
Drei Jahre später und nach einem weiteren Intendanten-Wechsel wird sie auch in Deutschland arbeitslos. Niggeler bezieht Arbeitslosengeld und reist von Gastvertrag zu Gastvertrag.
«In Deutschland hat niemand auf eine arbeitslose Schweizer Schauspielerin gewartet. Zudem kamen in jener Zeit auch die ostdeutschen Schauspieler vermehrt in der BRD zum Zuge».
Neuste Rolle: Mutterrolle
Heute hat Monika Niggeler einen Vertrag mit dem Theater Coburg in Bayern. Sie wohnt mit ihrem Mann, dem Schauspieler Thomas Peters, in der Nähe von München und hat sich aktuell auf eine Rolle vorbereitet, die nur beschränkt geübt werden kann: die Mutterrolle. Ende September kam ihr Sohn zur Welt.
Dank ihres Vertrages erhält Niggeler bezahlten Mutterschaftsurlaub. Das heisst, sechs Wochen vor dem Geburtstermin und acht Wochen danach erhält sie ihren vollen Lohn, der sich auf 1100 Euro netto im Monat beläuft.
Hartes Pflaster
Monika Niggeler ist eine Schauspielerin mit Bodenhaftung geblieben. Eine Seltenheit in einer Berufsgattung in der Eitelkeit, Neid und Konkurrenzdenken weit verbreitet sind.
Bewusst pflegt sie die Kontakte in die Schweiz, denn auch nach fünf Jahren in Deutschland plagt sie manchmal das Heimweh. «Das Leben im Ausland, auch wenn es das nahe Deutschland ist, ist hart.»
swissinfo, Brigitta Javurek
600’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland.
Seit 1990 ist die Fünfte Schweiz um 150’000 Personen gewachsen.
2002 hatten 86’000 Auslandschweizer ihren Wohnsitz in Deutschland.
Monika Niggeler kommt am 2. Dezember 1963 in Bern auf die Welt.
Ausbildung als Sortimentsbuchhändlerin. Anschliessend Ausbildung zur Schauspielerin.
Engagements in der Schweiz.
Seit 1998 in Deutschland.
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