Der Schweizer Greis rappt in Damaskus
Neu und ungewohnt für Damaskus: die syrische Jugend im Rap-Fieber. Der zweisprachige Schweizer Musiker Greis hat dem Publikum an den Tagen der Frankophonie eingeheizt.
«Kef halak? Ça va bien? My name is Greis and I hope you enjoy this evening!», ruft er gut gelaunt in die Menge. Bereits mit den ersten Worten hat es der mehrsprachige Schweizer Rapper in der Tasche, sein mehrsprachiges Publikum im Mutanabbi-Saal des Hotels Dedeman mitten in Damaskus. Enthusiastische Zustimmung brandet ihm entgegen.
In den vordersten Reihen wippen einige junge Frauen mit eng gebundenem Kopftuch im Rhythmus, den Greis und seine Musiker auf der Bühne vorgeben. Ob er seinen Sprechgesang französisch hervorstösst oder schweizerdeutsch, die jungen Fans gehen mit. Auch viele Ausländer sind unter ihnen, die meisten aber sind Einheimische. Für sie ist dieses Konzert einmalig. Rap in Syrien – das ist neu. Hier ist klassische arabische Musik oder kommerzieller Arab-Pop in allen Qualitätsklassen angesagt. Anderes ist kaum zu hören.
Politik ist kein Thema
Greis gibt sich betont poetisch in Damaskus, singt von Liebe und Verzweiflung, von der Kraft, die in jedem von uns steckt. «Wisst ihr, wozu wir auf der Welt sind? – Um hinzufallen. Dann stehen wir wieder auf. Und fallen wieder hin. Und stehen wieder auf. Das ist das Leben. Das grösste, was ihr habt, seid ihr selbst», ruft er in die Menge. Und die ruft lautstark zurück.
Als er sich schliesslich mit einem «Mumtaz, fantastic, shukran» verabschiedet, gibt es kein Halten mehr. Jetzt wollen sie alle mit Greis zusammen fotografiert werden, sein Autogramm bekommen, ein paar Worte mit ihm wechseln. Er selbst ist überwältigt. «Das war eines der besten Konzerte meines Lebens», sagt er anschliessend gegenüber swissinfo.
Obwohl der grösste Teil dieses Publikums ihn verbal nicht verstehen könne, habe er sich noch selten so verstanden gefühlt wie hier. «Die Ausdrucksweise des Rap, der Sprechgesang im 4/4-Takt, ist in Syrien neu. Dass die Leute trotzdem nicht nur gepeilt haben, was ich sage, sondern auch, wie ich es sage, macht mich glücklich», sagt Greis. Und er wünsche sich, dass einige der Leute, die ihn an diesem Abend in Damaskus gehört hätten, selbst anfingen, solche Texte zu schreiben.
Sprachflexibler Rapper
Im Nahen Osten tritt Greis zum ersten Mal auf, aber in der Schweiz spielt er oft vor oder mit Exilarabern. Er kennt zahlreiche Palästinenser und Menschen aus dem Maghreb, die in der Schweiz im Exil sind. Mit Samir Essahbi aus Marokko und seiner Raï-Band hat er bereits mehrmals gespielt.
Zwei Tage zuvor trat Greis in der jordanischen Hauptstadt Amman auf. Dass er sich in so kurzer Zeit ein paar Sätze Arabisch aneignen konnte, hängt mit seiner biografisch bedingten Sprachflexibilität zusammen. «Ich kam als französisch sprechende Person nach Bern und musste dort mühsam Berndeutsch lernen. Das tat ich über die Phonetik. Das Arabische hat zahlreiche phonetische Bezüge zum Schweizerdeutschen, daher kann ich mir leicht ein paar Wortfetzen aneignen.»
Dennoch masst er sich nicht an, auf Arabisch zu rappen, bevor er sich nicht eingehend mit der Sprache befasst hat. Auch politisch lässt Greis die Finger von Syrien, obwohl er in seiner Heimat kein Blatt vor den Mund nimmt. «Für mich ist Rap eine militante Ausdrucksform, die auch Lautsprecher sein kann, darf oder muss, für ungehörte Meinungen. Das ist in Syrien schwierig. Ich hatte ursprünglich grosse Bedenken, in Syrien aufzutreten, weil ich mich hier nicht so äussern kann wie in der Schweiz. Ausserdem wäre es dilettantisch, für zwei Tage aus der Schweiz hierher zu kommen und mich mit politischen Statements aufzuspielen. Das wäre respektlos.»
Des Botschafters Idee
Die Initiative zu dem Konzert geht auf den Botschafter Martin Aeschbacher zurück, der nach früheren Aufenthalten in Damaskus, Kairo und Bagdad seit einem Jahr die Schweiz in der syrischen Hauptstadt vertritt. Obwohl selbst nicht vertraut mit dieser Art Musik, wollte er im Rahmen der Tage der Frankophonie etwas für die jungen Leute in Damaskus organisieren. So kam er auf Rap und beauftragte eine Schweizer Praktikantin auf der Botschaft, nach Musikern in der Schweiz zu suchen.
Greis nahm die Einladung nach Damaskus gerne an. «Ich habe Glück, dass ich immer noch als frankophoner Musiker wahrgenommen werde, obwohl ich längst in Bern lebe und neben Französisch auch Schweizerdeutsch singe», sagt der Rapper.
swissinfo, Susanne Schanda, Damaskus
Die Botschaften der Schweiz und Frankreichs führen zusammen mit dem Centre Culturel Français jedes Jahr im Frühling die Tage der Frankophonie durch. Dieses Jahr fanden sie vom 22. bis 29. März statt.
Dabei wurden zahlreiche Veranstaltungen angeboten, welche die frankophone Kultur präsentieren und den Austausch zwischen Vertretern der frankophonen und der arabischen Kultur fördern.
Dazu gehören, Autorenlesungen, Diskussionen und Debatten, Ausstellungen und Konzerte. Der Eintritt ist in der Regel frei oder die Tickets sehr billig.
Für das Konzert von Rapper Greis hat die Schweizer Botschaft gratis Einladungen abgegeben. Wer keine Einladung hatte, konnte am Konzertabend Tickets für 100 syrische Lira (rund CHF 2.50) bekommen.
Der Schweizer Rapper Greis ist zweisprachig. Je nach Publikum (Romandie/Deutschschweiz) rappt er auf Französisch oder Schweizerdeutsch.
Er arbeitet mit verschiedenen Musikern zusammen, so mit Züri West, Sens Unik und Stress. Sein erstes Soloalbum «Eis» (Berndeutsch für Eins) erschien 2003.
Weitere Alben heissen «Eifach nüt» (2004), «Ke Summer» (2005), «2» (2007) und «Rollin 500» (2008).
Von einzelnen Stücken gibt es je eine berndeutsche und eine französische Fassung: «Teil vo dr Lösig/ La methode», «Nur 1 Tropfe/ Une seule goutte».
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