Des Schweizers liebster Baustoff
Eternit traf im letzten Jahrhundert den Nerv der zeitgenössischen Architekten und prägte das Bauen in der Schweiz. Grosse Namen werden mit dem asbesthaltigen Baustoff assoziiert.
Die ETH Zürich widmet dem 100-jährigen Baustoff eine Ausstellung.
«Leicht, stabil, feuerfest, isolierend, industriell hergestellt und vergleichsweise billig», zählt Bruno Maurer die Vorzüge auf, welche die Architekten im letzten Jahrhundert begeisterten.
Maurer ist Forschungskoordinator beim Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) und mitverantwortlich für die Ausstellung «Eternit Schweiz – Architektur und Firmenkultur seit 1903» im Hauptgebäude der ETH.
Material entspricht Schweizer Mentalität
Seit 1903 produziert die Firma Eternit in Niederurnen im Kanton Glarus gemäss österreichischem Patent den Baustoff aus Portland-Zement und – damals noch – Asbest-Fasern. Nach anfänglichen Akzeptanz-Problemen wurden die Jahre zwischen 1950 und 1970 zur Boomphase für den neuartigen Stoff.
«Eternit war eine Verlockung für Architekten. Es passte gut zur Ideologie der Moderne, die das industrialisierte Bauen propagierte und mit dem ornamentalen Schnickschnack des 19. Jahrhunderts brechen wollte», erklärt Maurer. «Die Moderne hat den Hang zur Abstraktion, zum nackten Körper. In der Schweiz gibt es diese Tendenz auch. Das Material entspricht der Schweizer Mentalität.»
Grosse Namen mit unscheinbarem Grau
Architekten wie Alfred Roth, Hans Brechbühler oder die Architektin Lux Guyer gelten heute als Eternit-Pioniere. Die Ausstellung und das dazu erschienene Buch dokumentieren insgesamt 46 Eternit-Bauten. Darunter befinden sich die Zürcher Wohnsiedlung «Schindelhäuser» (1918), die Gewerbeschule in Bern (1939), die Schriftgiesserei in Neuenburg (1961) oder als neues Beispiel der Zürcher Technopark (1991).
«Wir wollten für einmal nicht Architektur via eine Persönlichkeit zeigen,
sondern über einen Baustoff», sagt Maurer. Die Idee kam von der ETH, die Finanzierung von der Eternit AG.
Ausstellung und Buch sollen Einblick in architektonische und gestalterische Anwendungen der Eternit-Produkte geben und Aspekte der Firmengeschichte der Eternit AG beleuchten.
Asbest als unglückseliges Erbe
Diese wird bis heute oft mit Asbest assoziiert. Noch immer laufen Verfahren gegen die Firma, die seit 1995 zum Holcim-Konzern gehört.
Die gesundheitlichen Risiken hängen mit den im Eternit-Zement verwendeten Asbestfasern zusammen. Diese mikroskopisch feinen Fasern können Krebs verursachen, der erst 20 bis 40 Jahre nach der Verseuchung auftritt.
«Die Firma hat 1976 den Ausstieg beschlossen und nach Ersatzfasern geforscht. Seit zehn Jahren ist Eternit asbestfrei», entwarnt Maurer. Problematisch seien nicht die Asbest-Platten, sondern dessen Produktion und die Anwendung in gespritzter Form.
Diese Problematik steht nicht im Fokus der Ausstellung, wird aber auch nicht ausgeblendet. Die Eternit AG habe zwar das Projekt finanziert, aber in keinem Fall Vorgaben gemacht, wie es auszusehen habe, versichert Maurer auf Nachfrage.
Blumenkisten aus der Kindheit
Die Geschichte der modernen Architektur sei eine Geschichte der Baustoffe, ergänzt Maurer. «Wir wollen aber auch die Alltagskultur zeigen. Eternit-Blumenkisten sind beispielsweise für viele Schweizerinnen und Schweizer eine Kindheitserinnerung.»
swissinfo, Philippe Kropf
Eternit Schweiz – Architektur und Firmenkultur seit 1903
Ausstellung im Hauptgebäude der ETH, Rämistrasse 101
15. Mai bis 5. Juni 2003
Projekt: Michael Hanak, Bruno Maurer
Ausstellung: Philippe Carrard
Die Geschichte der Schweizer Architektur zwischen 1950 und 1970 ist mit dem Baustoff Eternit eng verbunden. Er entsprach dem Wunsch der Moderne, mit dem 19. Jahrhundert zu brechen. Viele Schweizer Architekten und Architektinnen gelten heute als Eternit-Pioniere.
Die ETH realisierte zum 100-jährigen Jubliäum des Baustoffs eine Ausstellung, welche diese Architektur, aber auch den Eternit-Alltag beleuchtet.
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