Deutscher Humor im Schweizer Nationalzirkus
Erstmals touren deutsche Komiker für eine Saison mit dem Cirkus Knie durch die Schweiz. Mit viel Charme und einem beachtlichen Sinn für Helvetisches bringt das Duo Oropax aus dem nördlichen Nachbarland das Schweizer Publikum zum Lachen.
Die beiden Brüder Thomas und Volker Martins rennen in die Manege des grössten Schweizer Zirkus›. Der eine hat ein rotes Kreuz auf weissem Shirt, der andere ein weisses Kreuz auf rotem Shirt. Volker, 41, mit Vollglatze, Thomas, 45, ein wilder Blondschopf. «Wir sind nicht von hier», rufen sie ins Berner Publikum. «Wir sind aus dem Aargau.»
In Tat und Wahrheit – das weiss jeder im Zelt – kommen die beiden Spassvögel aus Freiburg im Breisgau. Und der eine oder andere Zuschauer mag sich fragen, ob jetzt nach den Ärzten und Professoren auch noch die Komiker aus Deutschland importiert werden müssen. «Ist doch logisch, dass wir kommen», sagt Thomas, 45 Jahre alt. «Die Deutschen waren schon immer ein Witz.»
200 Menschen aus 16 Ländern arbeiten in diesem Jahr bei Knie. Die Nationalität spiele in der Zirkuswelt keine Rolle, sagt Volker: «Es gibt scheue und offene, warmherzige und zurückgezogene Menschen hier. Mit den Chinesen kommen wir ungemein gut aus, rein körperlich. Man gibt sich mal einen Schuh in den Hintern oder klopft sich auf die Schulter».
Humor im Doppel
Mit Sprachwitz und Wortspielereien bringt das Brüderpaar die Leute zum Lachen. Sie erzählen von Rapper’s-Will, der Hochburg des Hip Hop, von Inter-Laken, wo man ins Bett pinkelt, oder von Biber-Isst, wo Nagetiere verspeist werden. Zur Inspiration dient ein Atlas, aber nicht nur: «Wir fahren mit offenen Augen und Ohren im Auto durch die Gegend und reden mit den Leuten.»
Das sagt Volker, der in der Manege die Rolle des Kindskopfs übernimmt, gegenüber swissinfo. Oder war es Thomas, der Besonnene, der Intellektuelle? Schwierig zu sagen, meist sprechen die beiden gleichzeitig. Wenn nicht, liegt mehr als ein Satz am Stück nicht drin, schon fällt der Bruder dem Bruder ins Wort.
Die beiden sind schon mehrmals in der Schweiz aufgetreten, in Kleintheatern, an der Kulturbörse in Thun, am Humorfestival in Arosa. Auch kennen sie eine ganze Reihe Schweizer Komiker, so Viktor Giacobbo, Ursus & Nadeschkin, Emil, Lapsus, Lorenz Keiser – «und Monthy Python», scherzt Thomas, der auch zwischen den Nummern nie ernst sein kann.
Nomadenleben
In zwei Wohnwagen reist das Duo Oropax seit dem Frühling mit Kind und Kegel durchs Land und versucht, den Schweizer Zirkusbesuchern zu gefallen. «Wenn die Leute unsere Witze nicht verstehen, sind wir schuld», sagen die zwei, für einmal einhellig. «Wir müssen langsam und akzentuiert sprechen und uns dem Publikum anpassen, die Stimmung im Zelt aufnehmen und spontan reagieren.»
Oder die Kinder. Die kleinen Schweizer seien cool und superlaut. «Es ist schön, diese Energie herauszukitzeln. Mit Kindern kann man frech sein. Aber da den intellektuellen Wortwitz bringen, funktioniert nicht», weiss Volker. «Der Hahn macht Miau – das ist lustig für die Kinder», sagt Thomas.
Schweizerdeutsch verstehen die beiden aus dem süddeutschen Raum praktisch ohne Probleme. Volker wundert sich über den Minderwertigkeitskomplex der Schweizer wegen ihres Hochdeutschs: «Sie können stolz sein auf ihren schönen Dialekt, der alles ein bisschen verniedlicht.» Dafür könnten sie super Schwyzerdütsch», meint Thomas. «Den Witz ‹die Angst ist vobie› (Phobie) können wir in Hamburg zum Beispiel nicht bringen – hier schon.»
Schweiz ade
Das Duo Oropax trat mit dem Knie an Dutzenden von Orten in Städten und in der Provinz auf. Jeweils nachts wurde das Zelt abgebaut, am nächsten Tag stand es am neuen Standort. «Das Mutterschiff ist immer das gleiche, nur die Umgebung ist plötzlich anders», meint Thomas.
Auch wenn man kaum Freizeit habe und keine Zeit zum Zeitungen lesen, mache das einfache Zirkusleben Spass und ein bisschen süchtig. Und man frage sich, so Thomas, wieso zu Hause so viel herumstehe, wenn man auch mit wenig glücklich sei. Die Kinder liebten das Nomadenleben und vor allem die Tiere: «Sie spielen im Ziegengehege, mein Sohn hat Eier geklaut bei den Hühnern, und die Tochter kann schon die Elefanten auseinanderhalten.»
Ende August ist vorläufig Schluss, zumindest für die deutschen Komiker. Dann zieht der Zirkus weiter in die französische Schweiz, in die Romandie, und dort haben die Deutschen nichts zu suchen. «Wir sind einfach nicht romantisch genug dafür», sagt Volker wehmütig. «Um Wortwitze zu machen, müsste man die Sprache kennen. Auf Englisch könnten wir es. Aber es gibt noch keine englischsprachige Schweiz», so der grosse Bruder.
Gaby Ochsenbein, swissinfo
Die Zirkus-Dynastie Knie wurde 1803 von Friedrich Knie gegründet. Sie gehört seit 200 Jahren zu den ältesten und führenden Zirkusunternehmen Europas.
Der Schweizer National-Circus Knie wurde 1919 gegründet.
Zur Unternehmung Gebrüder Knie, Schweizer National-Circus AG, gehören auch das Winterquartier und Knies Kinderzoo in Rapperswil.
Der Tierbestand im Zirkus beträgt über 100 Tiere, derjenige in Knies Kinderzoo über 300 Tiere.
Auf seiner 90. Schweizer Tournee zeigt der National-Cirkus vom 14. März – 23. November in 355 Vorstellungen in 48 Städten sein Programm Bellissimo.
Mit dabei sind rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 15 Nationen, davon sind 45 Artisten.
Mit dabei zum ersten Mal das deutsche Komikerduo Oropax aus Freiburg im Breisgau.
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