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Die ewige Ruhe im Wandel der Zeit

Eine Sitzbank oder ein Schiff als letzte Ruhestätte im Museum Bellerive Zürich. Keystone

Das Museum Bellerive in Zürich widmet dem Reich der Toten eine umfassende Schau. "Friedhof: Design" ist eine Ausstellung über Ewigkeit und Vergänglichkeit.

Zu betrachten sind funktionale und dekorative Objekte wie Grabsteine, Särge, Urnen, Grabschmuck – alles Zeugen ihrer Zeit.

Grabanlagen, Gräber und Grabschmuck verraten viel über die Zeit, in der sie gestaltet wurden. «Der Friedhof ist ein Spiegel unserer Gesellschaft», sagt Eva Afuhs, Direktorin des Museums Bellerive und Kuratorin der Ausstellung, gegenüber swissinfo.

Bis um 1800 gab es in Europa keine eigentlichen Friedhöfe, Normalsterbliche wurden in Massengräbern verscharrt. Nur wenigen reichen Leuten war es vergönnt, sich in einem Einzelgrab oder einer Familiengruft zu verewigen.

Die Bestattungskultur hat sich stetig weiter entwickelt, bis zum heutigen Tag. In der jetzigen Zeit sind die Menschen nicht mehr bereit, ihre errungene Individualität nach dem Tod einfach abzugeben.

Wo und wie wir einmal ruhen wollen, können wir bis zu einem bestimmten Grad selber bestimmen, und der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt.

Innovative Särge und moderne Urnen

Für den Bescheidenen gibt’s den Do-it-yourself- oder den Karton-Sarg, für den Extravaganten ein Schiff als Sarg. Wer sich bereits zu Lebzeiten an sein letztes Bett gewöhnen möchte, kann sich den Sarg als gepolsterte Sitzbank zimmern lassen und im Innern beispielsweise die Bettwäsche oder die Plüschtiere der Kinder versorgen.

Seit etwa 10 Jahren dürfen Angehörige von Verstorbenen in der Schweiz die Urne mit nach Hause nehmen. Dies ein Grund, weshalb Urnen auch zum Design-Objekt geworden sind.

Für Umweltbewusste gibt’s die Bio-Urne, für den modernen Menschen die Kugel-Urne. Es gibt Behälter aus Alu, Edelstahl, Keramik, Glas, Pappmaché. Beliebt ist auch, die Asche von Verstorbenen im Fluss oder auf dem Berg zu verstreuen oder sie in einem Friedwald beizusetzen.

Bestattung in einer globalisierten Welt

Die Schweizer Firma Algordanza bietet die Umwandlung der Asche in einen Kunstdiamanten an, was es möglich macht, den geliebten Verstorbenen in einem Ring am Finger zu tragen.

Ausgestellt sind im Bellerive-Museum auch kleine Behälter, dank denen zum Beispiel die Asche des Grossvaters auf die fünf Enkelkinder verteilt werden kann.

Der Mensch hat auch die Möglichkeit, übers Internet an Begräbnissen dabei zu sein. «Ein typisches Zeichen der Globalisierung», sagt Eva Afuhs.

Starker Verdrängungs-Mechanismus

Eva Afuhs hat mit der Gestaltung der Ausstellung einen entspannteren Bezug bekommen zu all den Fragen rund um die Bestattung. «Man kann sich ruhig zu Lebzeiten Gedanken machen. Der Tod kann jederzeit vorbeikommen, man kann ihn nicht planen. Je mehr ich vorbereite, desto besser ist es für die Hinterbliebenen.»

Auch wenn heutzutage die Möglichkeit besteht, die eigene Ruhestätte zu Lebzeiten bis ins Detail zu planen, wird das Thema Tod doch gerne verdrängt. «Jetzt, wo man immer länger jung und agil bleiben muss, will sich kein Mensch mit dem Tod auseinandersetzen», sagt Eva Afuhs.

Rituale verschwinden

Vor 200 Jahren gingen die Menschen noch ungezwungener mit dem Tod um. Laut der Kuratorin verschwinden viele Rituale aus früheren Zeiten aus dem allgemeinen Gedächtnis.

«Zum Beispiel, dass ein Leichentuch weiss war, weil man in weiss getauft und konfirmiert wurde, in weiss geheiratet hat und als Mitgift das weisse Leichenhemd gleich mitgekriegt hat. Teils wurde es gar unter dem Hochzeitsgewand getragen. Der Tod war ein Teil des Lebens.»

Der Gang ins Bellerive-Museum lohnt sich. Die Ausstellung gibt einen Einblick in ein Kapitel der Kulturgeschichte und zeigt auf, was uns einst erwartet in Sachen letzte Bleibe.

Früher oder später

Die Ausstellung um Tod und letzte Ruhestätte ist bei weitem kein Picknick und kann düstere Gedanken auslösen. Denn wer wird schon gern auf die eigene Vergänglichkeit hingewiesen.

Für die meisten von uns ist und bleibt der Tod unfassbar und unergründlich, bringt Trauer und Leid und trifft jeden und jede von uns – früher oder später.

Wer will, kann sich im Museum auf einen Sarg setzen und die Hitparade der klassischen und der Pop-Trauermusik anhören. Möchte ich, wenn mein letztes Stündchen geschlagen hat, dass für mich ein Ave Maria gespielt wird oder doch eher «Candle in the wind» von Elton John – wie damals beim Tod von Lady Di?

swissinfo, Gaby Ochsenbein

Die Ausstellung «Friedhof: Design» ist bis am 01.04. 06 im Museum Bellerive in Zürich zu sehen.
Schon 1917 und 1933 gab es im Museum für Gestaltung in Zürich zwei Friedhof-Ausstellungen.

Die Ausstellung «Friedhof: Design» zeigt bewährte und moderne Gestaltungs-Konzepte rund um den Friedhof, alte und neue Särge und Urnen, Grabsteine und Grabkreuze, Grabschmuck sowie Kunstwerke zum Thema.

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