Die Fünfte Schweiz ruft sich in Erinnerung
Das "Parlament der Fünften Schweiz" hat den 82. Auslandschweizer-Kongress eröffnet, zu aktuellen politischen Fragen Stellung genommen und die Wichtigkeit der Verbindungen zum Mutterland betont.
Am Kongress stellte swissinfo den Anwesenden zudem die neue Internet-Diskussionsplattform für Auslandschweizer vor.
Der Auslandschweizerrat (ASR), der am Freitag in Winterthur zusammen getreten ist, hatte sich ein reichbefrachtetes Programm vorgenommen: Die ausgedehnte Personenfreizügigkeit im neuen Europa, die Bilateralen Verträge II sowie das neue Einbürgerungsrecht mit erleichterter Einbürgerung für Kinder von Einwanderern, über das am 26. September abgestimmt wird. Dies war die breite Themenpalette, welche diskutiert wurde.
Der ASR vertritt als oberstes Gremium der Auslandschweizer-Organisation (ASO) die Interessen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, der sogenannten Fünften Schweiz. Er tritt zweimal pro Jahr zusammen und eröffnet jeweils den Auslandschweizer-Kongress, der einmal jährlich in der Schweiz statt findet.
RTVG wichtig für die Fünfte Schweiz
Georg Stucky, Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO), eröffnete den Anlass vor rund 100 Delegierten mit einem anderen wichtigen Thema für die «Lobby der Auslandschweizer»: Dem neuen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG).
Nachdem sich der Nationalrat, die grosse Kammer des Parlaments, bereits damit befasst hat, kommt es im Dezember in den Ständerat, die kleine Kammer.
Stucky betonte die Wichtigkeit des Gesetzes für das Informations-Portal swissinfo, dessen Zukunft stark vom neuen Gesetz abhänge. «Der Bund muss weiterhin die Hälfte der Kosten tragen», forderte er. Die Leistungen von swissinfo seien schon merklich abgebaut worden.
Forum für Auslandschweizer
Stucky würdigte danach die Arbeit von Nicolas Lombard, dem Direktor von swissinfo, der nach 38 Jahren bei Schweizer Radio International in Pension geht.
«Die Information der Auslandschweizer ist eine unserer wichtigen Aufgaben», sagte der abtretende Lombard seinerseits. «Wir freuen uns darauf, weiter mit Ihnen zusammen zu arbeiten».
Er nahm die Gelegenheit wahr und stellte dem Rat seinen Nachfolger Beat Witschi vor. Dieser wird am 1. Januar 2005 den Direktoren-Posten bei swissinfo übernehmen.
«Wir möchten unsere Zusammenarbeit intensivieren», sagte Witschi und verwies auf das neue Forum von swissinfo. «Auf dieser Internet-Plattform können Auslandschweizer Themen diskutieren, die sie interessieren. Untereinander und, wenn möglich, mit Politikern.»
Bilaterale II und Personenfreizügigkeit
«Die Schweiz kann die zunehmenden Probleme nicht allein lösen», sagte ASO-Präsident Stucky und eröffnete damit die Diskussion zu den Bilateralen II und den Abkommen zum freien Personenverkehr.
Vor den Abstimmungen im Rat vertraten Nationalräte und Nationalrätinnen zu den Themen jeweils ein Pro- und eine Kontra-Position.
Der Entscheid fiel danach deutlich aus: Mit 48 zu 6 Stimmen sprach sich der ASR für die Bilateralen II und die ausgedehnte Personenfreizügigkeit aus.
Für eine offene Schweiz
«Dies ist im Sinne der Vision einer offenen Schweiz und im Interesse der Auslandschweizer», kommentierte Stucky das Ergebnis. Rund 370’000 oder mehr als 60% aller Auslandschweizer leben in EU-Ländern. Die Ausweitung der Personenfreizügigkeit bringe auch den rund 4000 Schweizerinnen und Schweizern gewichtige Vorteile, die in den zehn neuen EU-Ländern lebten.
Bezüglich den Abstimmungsvorlagen vom kommenden 26. September votierte das «Parlament der Fünften Schweiz» weiter für die vereinfachte Einbürgerung für Kinder der zweiten und dritten Ausländer-Generation.
Magische Schwelle von 100’000 Wählern angepeilt
Stucky betonte ferner, dass die ASO im regelmässigen Gespräch mit dem Bund die Anliegen der Auslandschweizer thematisiere. So seien beispielsweise die Lage der Schweizerschulen im Ausland und Angelegenheiten der Sozialversicherung mit Innenminister Pascal Couchepin besprochen worden.
Botschafter Peter Sutter vom Aussenministerium nahm Stellung zur Ausdünnung des konsularischen Netzes. Er betonte die Wichtigkeit der «Schweizer Revue», die auch als «Amtsblatt» für die Schweizerinnen und Schweizer im Ausland fungiere.
Bezüglich der elektronischen Stimmabgabe, einem thematischen Dauerbrenner für die Auslandschweizer-Gemeinde, plädierte Sutter für Geduld. «Die Einführung soll zeitgleich im In- und Ausland geschehen und ist aufs Jahr 2010 geplant.»
Die elektronische Stimmabgabe ist für die ASO von Interesse, weil sie wohl mehr Auslandschweizerinnen und -schweizer zur Teilnahme an Wahlen motivieren würde. Stucky hofft, dass sich so die Zahl der auf Wahllisten eingetragenen Auslandschweizern von derzeit 90’000 auf 100’000 erhöht. Das ist die Anzahl Unterschriften, die zum Einreichen einer Initiative nötig sind.
Aussenministerin zu Gast
Für mehr politisches Gewicht der Auslandschweizer dürfte auch die bevorstehende Gründung einer parlamentarischen Gruppe der eidgenössischen Räte sorgen. Über 80 National- und Ständeräte aus allen Fraktionen haben ihr Interesse signalisiert.
Am Samstag steht das Thema «Technologische Innovation – Herausgeforderte Schweiz» im Zentrum des Kongresses. Erwartet wird auch Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.
swissinfo, Philippe Kropf in Winterthur
Die Fünfte Schweiz im Jahr 2003:
Total: 612’562 Personen.
Europa: 381’695
Afrika: 17’602
Amerika: 159’916
Asien: 26’970
Ozeanien: 26’379
433’694 davon sind Doppelbürger.
Fast 90’000 oder 19% sind als Stimmbürger eingeschrieben.
Der Auslandschweizerrat (ASR) gilt als «Parlament der Fünften Schweiz».
Der Rat setzt sich aus rund 150 Delegierten aus der Schweiz und aus der ganzen Welt zusammen.
Der ASR wurde 1916 gegründet und vertritt die Interessen der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.
Der Rat ist auch Ansprechpartner für den Bund, der auch die «Schweizer Revue» finanziert, die seit 30 Jahren erscheint.
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