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Die Kuh bei den Hörnern gepackt

Nicolas Steiner kurz vor Beginn der Berlinale. swissinfo.ch

Erst im Ausland habe er die Bräuche seiner Heimat schätzen gelernt, sagt Nicolas Steiner. Der junge Filmemacher aus dem Oberwallis stellt am Donnerstag an der Berlinale sein neues Werk vor – eine Hommage an den traditionellen Walliser Kuhkampf.

Kämpfende Milchkühe? Über den «Combat des Reines», den Ringkampf der Eringer Kühe, der im Wallis jedes Jahr vor dem Almaufzug ausgefochten wird, hat Nicolas Steiner als Teenager nur den Kopf geschüttelt. Er fand es absurd, dass seine Fussballkumpel manchmal mitten beim «Tschutten» ihre Sachen zusammenpackten und sich hektisch verabschiedeten, weil irgendwo eine Regionalausscheidung anstand. Ein Fussballspiel war doch allemal spannender als ein paar Rindviecher, die ihre Köpfe gegeneinander schlagen.

Doch nun hat der junge Filmemacher die Kuh sozusagen bei den Hörnern gepackt. Der 27-jährige Walliser ist vor wenigen Tagen aus San Francisco ins winterlich kalte Berlin angereist. Im Gepäck: eine 70-minütige Hommage an den «Combat des Reines», die Steiner an den 61. Internationalen Filmfestspielen vorstellen wird.

Steiner muss schmunzeln, wenn er daran denkt, wie viele Nachtschichten ihn die 750-Kilo-Kolosse mit den dunklen Samtaugen und den beeindruckend geschwungenen Hörnern gekostet haben, bis deren Kämpfe auf Zelluloid gebannt waren. Buchstäblich bis zur letzten Minute haben Steiner und sein Team gearbeitet, um den Film rechtzeitig für die Berlinale fertig zu stellen.

Nun läuft «Kampf der Königinnen» diesen Donnerstag und Freitag in der Sektion Perspektive Deutsches Kino, der Plattform für Nachwuchs-Filmschaffende in Deutschland.

«Weit weg von der coolen Stadt»

Erste Erfahrungen mit dem Film sammelte Steiner schon während seiner Maturzeit. Als Schauspieler wirkte er in mehreren Schweizer Spielfilmen mit, unter anderem in der erfolgreichen Komödie «Achtung, fertig, Charlie». Doch dann entschied er sich, fortan hinter der Kamera zu stehen.

Er besuchte in Dänemark das European Film College und studiert seit 2007 Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Sein Kurzfilm «Ich bin’s Helmut» lief letztes Jahr an über 100 Festivals auf allen Kontinenten und heimste zahlreiche Preise ein. Derzeit ist Steiner Stipendiat am Art Institute in San Francisco.

«Es ist schon so, dass ich erst im Ausland meine Wurzeln schätzen gelernt habe», sagt der Oberwalliser. Steiner ist im 1000-Seelen-Dörfchen Turtmann bei Leuk aufgewachsen – «weit weg von der coolen Stadt». Als Jugendlicher in einer derart ländlichen Umgebung, das sei nicht immer einfach gewesen, meint er.

Doch heute, aus der Distanz, nehme er die Traditionen seiner Heimat mit ganz anderen Augen wahr. So auch den «Combat des Reines»: Als Steiner sich vor ein paar Jahren überreden liess, einen Kuhkampf zu besuchen, war er derart fasziniert von der Ästhetik und den Emotionen des Spektakels, dass er beschloss, über dieses Ur-Walliser Thema einen Film zu drehen.

Der typische Walliser Dickschädel

Steiners Ansatz ist dabei mehr experimentell als dokumentarisch. Er zeigt die ganz eigene Welt rund um den Kuhkampf, ohne sich mit Erklärungen aufzuhalten; über das komplizierte Prozedere zur Wahl der Siegerin etwa erfährt der Zuschauer nichts.

Er habe, sagt der junge Filmemacher, mit seiner Dokumentation den Spagat zwischen Tradition und Moderne schaffen wollen. «Mein Fokus war dabei der eigentliche Kampf, den ich aus verschiedenen Perspektiven und aufs Elementarste vereinfacht zeigen wollte», erklärt er.

«Gleichzeitig sollten die kämpfenden Kühe mit den Mitteln des Kinos ästhetisiert werden.» Gedreht wurde in Schwarz-Weiss, was nicht nur schöne Bilder schafft, sondern dem Thema etwas Zeitloses verleiht.

Ein weiteres Stilmittel sind extreme Zeitlupen. Der brachiale Kampf der schweren Leiber mutiert zum Tanz, begleitet von aufgewirbelten Sägemehlspänen und herum fliegenden Speicheltropfen. Getragen wird der Film durch die Stränge verschiedener Nebenfiguren. Da ist der Bauer, der wortkarg, aber mit viel Herzblut seine «Dominga» Runde um Runde bis ins Finale führt; ein Radioreporter aus Zürich, der sich an einer Reportage abmüht und die jugendliche Moped-Gang auf der Suche nach dem hübschen «Cowgirl».

«Combat des Reines» ist ein Heimatfilm – und der junge Regisseur steht dazu. «Die Bodenständigkeit und Schlichtheit der Bauern, der typische Walliser Dickschädel, das fasziniert mich einfach.» Das Klischee der Schweizer Alpenidylle mit seinem urigen Brauchtum dürfe ab und zu sein, findet Steiner, solange es von einem gesunden Augenzwinkern begleitet werde.

«Denn wir haben so schöne Geschichten im eigenen Garten. Da muss man nicht nach Amerika gehen, um einen Film zu drehen.»

Berlin ist im Filmfestival-Fieber. Noch bis Sonntag, 20. Februar, dauern die 61. Internationalen Filmfestspiele.

Gezeigt werden heuer rund 400 Filme, die Auswahl für das Wettbewerbsprogramm umfasst dabei 22 Filme, 16 davon werden im Wettbewerb laufen.

Hinzu kommen zwei Sondervorführungen. So wurde aus Solidarität mit dem verurteilten iranischen Regisseur Jafar Panahi am 11. Februar, dem Jahrestag der Iranischen Revolution, sein Film «Offside» gezeigt.

Schweizer Filme und Koproduktionen sind auf der diesjährigen Berlinale gleich mehrere vertreten.

Im Internationalen Wettbewerb läuft der von der Zürcher Vega Film koproduzierte Film «The Turin Horse» des Ungaren Béla Tarr.

In der Sektion Forum wird Thomas Imbachs «Day is Done» gezeigt, in der Reihe Panorama «Off Beat» von Jan Gassmann und in der Sektion Perspektive Deutsches Kino «Kampf der Königinnen» von Nicolas Steiner.

Ebenfalls im Wettbewerb, allerdings bei den «Berlinale Shorts», läuft «Stick Climbing» von Daniel Zimmermann, ein 14-minütiger Kurzfilm ohne Dialog.

In der Sektion Generation 14plus ist «Mit dem Bauch durch die Wand» von Anka Schmid zu sehen, ein Dokumentarfilm über drei Teenager-Mütter und ihre Babys.

Im Rahmenprogramm Kulinarisches Kino schliesslich wird der Dokumentarfilm «Unser Garten Eden» von Mano Khalil gezeigt, der bereits für den diesjährigen Schweizer Filmpreis nominiert wurde.

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