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«Die Kunst muss sich wieder auf Inhalte besinnen»

Lorenzo Rudolf (copyright : Dan Peterson

Während die Finanzkrise dem Boom auf dem Kunstmarkt ein Ende setzt, feiert in Basel die grösste Kunstmesse der Welt ihren 40. Geburtstag. Auch die Art Basel muss sich Gedanken über ihre zukünftige Ausrichtung machen, sagt der ehemalige Direktor Lorenzo Rudolf.

swissinfo: Die Art Basel ist bis heute die wichtigste Kunstmesse der Welt. Was ist ihr Erfolgsrezept?
Lorenzo Rudolf.: Anfang der 1990-er Jahre war die Art Basel eine Messe von vielen. Wir haben damals die Kunstmesse neu definiert, die bis dahin eine relativ neutrale Verkaufsplattform war, wo man den Galerien einfach eine gewisse Anzahl Quadratmeter Standfläche verkaufte.

Für uns war klar: So wie sich die Gesellschaft verändert, so muss sich auch die Kunstmesse verändern. Wir machten die Kunstmesse zum Event und setzten voll auf Qualität. Die Teilnahme an der Art Basel wurde auf dem Kunstmarkt zu einem Qualitätslabel. Letztendlich hat das den Vorsprung gegenüber den anderen Messen ergeben.

swissinfo: Die Art Basel feiert dieses Jahr ihren 40. Geburtstag. Kommt mit der weltweiten Finanzkrise die Midlife-Crisis?

L.R.: Eine Kunstmesse, die sich kontinuierlich weiter entwickelt, sollte eigentlich nicht in eine Midlife-Crisis kommen. Eine Kunstmesse, die funktioniert, ist letztlich auch ein Spiegel des Marktes und der Gesellschaft.

Die Art Basel ist im Moment in einer relativ komfortablen Situation. Sie ist die Messe, an der der ganze Kunstmarkt festhält. Ich glaube, dass die diesjährige Ausgabe der Art Basel verhältnismässig gut über die Bühne gehen wird, auch wenn nicht so hohe Umsätze wie in den vergangenen Jahren gemacht werden.

swissinfo: Kann die Art Basel also so weiter machen wie bisher?

L.R.: In der heutigen Zeit muss auch die Art Basel sich Gedanken darüber machen, in welche Richtung sie sich konzeptionell weiter entwickeln will. Einfach nur ein Produkt zu verkaufen und zu vermarkten reicht künftig nicht mehr.

Eine Kunstmesse in einer Zeit der Krise erfolgreich in die Zukunft zu führen, heisst in erster Linie, sich intensivst mit globalen Entwicklungen in den Bereichen Kultur, Ökonomie und Gesellschaft auseinanderzusetzen.

swissinfo: Verschiedene Kunstmessen haben ihre Veranstaltungen abgesagt. Auch an der von Ihnen initiierten Art Basel Miami Beach, der Schwestermesse der Art Basel, verbuchten Galeristen klare Umsatzeinbussen. Werden die Messen längerfristig überleben?

L.R.: Heutzutage sind Galeristen auf Messen angewiesen. Es ist nicht mehr so, dass Sammler rund um die Welt von Galerie zu Galerie reisen. Wenn sich eine Galerie nicht in Chelsea in New York befindet, ist sie gezwungen, auf Kunstmessen zu gehen.

Andererseits gab es in den letzten 10 bis 15 Jahren einen unwahrscheinlichen Hype in der zeitgenössischen Kunst. Kunstmessen schossen wie Pilze aus dem Boden, wobei eine Messe der anderen glich: die gleichen Galerien, die gleichen Künstler, die gleiche Kunst. Die Messen wurden immer monochromer und platter, Diversität und leider auch Qualität blieben immer häufiger auf der Strecke – sogar in Basel.

In Folge der Finanzkrise wird es in absehbarer Zukunft sicherlich ein paar Kunstmessen weniger geben. Und diese müssen sich mit Bestimmtheit vermehrt darauf konzentrieren, sich ihre eigene Identität zu schaffen.

swissinfo: In den letzten Jahren wurde zeitgenössische Kunst zum Spekulations- und Investitionsobjekt. Sie wurde zu astronomischen Preisen gehandelt, die traditionellen Käufer wurden verdrängt. Findet durch die Krise nun eine Art heilsame Korrektur statt?

L.R.: Die Finanzkrise ist sicher heilsam für die Kunst und die Kunstszene selbst. Es ist ja verrückt, wenn für Werke junger Künstler, die kaum je eine Museumsausstellung hatten, Preise bezahlt werden wie für historische Meister.

So explodierten etwa die Preise für chinesische Kunst, da zahlreiche Künstler nur noch für den westlichen Markt produzierten. Doch China war bei weitem kein Einzelfall.

swissinfo: Ist der Kunstmarkt in Schwellenländern wie China gleichermassen von der Krise betroffen?

L.R.: Mit der Krise verlagern sich auch auf dem internationalen Kunstmarkt die Gewichte. Ostasien zum Beispiel wird sich viel schneller von der Krise erholen als Europa und Amerika.

Auf den Kunstmärkten in den Schwellenländern taucht ein neues Selbstbewusstsein auf. Die Schwellenländer werden neue Global Player.

swissinfo: In welche Richtung muss sich die Kunst bewegen?

L.R.: Die Kunst muss sich wieder vermehrt auf Inhalt und Qualität besinnen. Kunst soll nicht in erster Linie für den Markt produziert werden, sondern für sich selbst.

Allgegenwärtige Themen wie Ökologie, Kriege, Globalisierung wurden in der letzten Zeit von der zeitgenössischen Kunst kaum aufgegriffen, es wurde vor allem auf ästhetischen Mainstream gesetzt. Die Kunst hat sich leider viel zu oft der neuen Käuferschicht angepasst, einer sehr reichen Gesellschaftsschicht ohne fundierte kunsthistorische Ausbildung. Viele Künstler standen aber auch unter massivem Druck der Galerien und Sammler und suchten häufig den Weg des schnellsten Erfolgs. Eine Krise kann auch eine Chance sein.

swissinfo.ch, Corinne Buchser

Die weltweite grösste und bedeutendste Messe für moderne und zeitgenössische Kunst wird am 10. Juni in der Messe Basel eröffnet und dauert bis am 14. Juni 2009.

300 Galerien präsentieren die Werke von 2500 Kunstschaffenden.

Die Messe wurde 1970 von einer Gruppe Galeristen um Ernst Beyeler gegründet.

Seit 2007 wird die Art Basel von den Co-Direktoren Marc Spiegler und Sabine Schönholzer geleitet (die künstlerische Leiterin Cay Sophie Ravinowitz trat 2008 aus der Dreier-Leitungsspitze zurück).

Der 1959 in Bern geborene Lorenzo Rudolf war von 1991 bis 2000 Direktor der Art Basel. Er ist Initiator der Schwestermesse der Art Basel, der «Art Basel Miami Beach».

Von 2000-2003 leitete er die Frankfurter Buchmesse.

Rudolf gründete 2007 zusammen mit dem Schweizer Galeristen Pierre Huber die Messe für Gegenwartskunst in Shanghai «ShContemporary».

Seit 2009 ist Rudolf Leiter der Kunstmessen «Artparis» und «Artparis-Abu Dhabi».

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