«Die sieben Zimmer von Zürich» zu Gast in Berlin
Zürich ist zu Gast in der deutschen Hauptstadt. Eine Ausstellung in Berlin widmet sich dem Städtebau der Schweizer Metropole und gibt einen Einblick in die Arbeitsweise der Zürcher Städteplaner.
Der Besucher wird durch sieben Zürcher Stadtteile geführt, denen verschiedene städtebauliche Konzepte zu Grunde liegen.
Das Wohnzimmer ist gemütlich eingerichtet – nur die Eisenbahnlinie, die mittendurch führt, stört ein wenig.
Im Badezimmer ist Tag und Nacht was los, es wird gefeiert, flaniert und Sport getrieben. Das Arbeitszimmer haben Künstler und Kreative in Beschlag genommen, am Wochenende treffen sich da die Tanzwütigen.
Was sich anhört wie ein Tollhaus, ist nichts anderes als eine Metapher für die Stadt Zürich. Die Ausstellung «Das 7. Zimmer», die derzeit im Architekturforum «Aedes» in Berlin zu sehen ist, stellt sieben Zürcher Stadtteile vor, die exemplarisch für den konzeptionellen Städtebau stehen. Jedem Stadtteil wurde dabei ein Zimmer zugeordnet, um sein Konzept und den typischen Charakter aufzuzeigen.
Hinter der Idee mit den Zimmern stehen der Zürcher Städtebaudirektor Franz Eberhard und seine damalige Stellvertreterin Regula Lüscher. Die 46-jährige Architektin ist vor bald einem Jahr an die Spree gezogen und seit März dieses Jahres Senatsbaudirektorin in Berlin.
Kultur statt Zahnräder
In der Ausstellung präsentieren sich die sieben Zimmer als bunte, rund 30 Kubikmeter grosse Würfel, die der Besucher einen nach dem anderen betritt. Ausgekleidet sind die Kubi mit großformatigen Ansichten der Stadtviertel; Kopfhörer, die von der Decke baumeln, informieren über Quartiergeschichte und -entwicklung.
Das bereits erwähnte Wohnzimmer etwa zeigt den Bezirk Zürich-Affoltern: ein ländlicher, aber mit dem Zug oder Auto gut erreichbarer Stadtteil, und gleichzeitig eines der grössten Entwicklungsgebiete für Wohnungsbau in der Stadt Zürich. Affoltern sei beispielhaft für eine attraktive Wohnlage mit hohem Bevölkerungszuwachs, heißt es in der Ausstellung.
Der Rundgang durch die «Wohnung Zürich» führt weiter ins Arbeitszimmer, das für die ehemalige Industriezone Zürich-West steht. Da wo einst Gas-Turbinen und Zahnräder hergestellt wurden, befindet sich heute Zürichs hippste Kultur- und Ausgehmeile. «Der für Zürich-West typische Mix aus Arbeit, Wohnen und Kultur konnte nur dank einem Dialog zwischen Eigentümern, Nutzern und Öffentlichkeit entstehen», sagt die Senatsbaudirektorin Lüscher.
Kooperative Stadtplanung
Eine kooperative Stadtplanung mit gleichberechtigten Akteuren benötige zwar viel Zeit, steigere jedoch die Attraktivität der Bauprojekte für alle Interessengruppen, betont Lüscher. In Berlin sei man von dieser Art der Zusammenarbeit leider weit entfernt. «Stadtplanung funktioniert hier sehr hierarchisch.»
Noch etwas könnten sich die Berliner von den Zürchern «abgucken», meint die Architektin – und zwar die Nutzung des «Badezimmers». Zürichs «Badezimmer», das Seebecken, sei heute ein öffentlicher Raum, der über die Landesgrenzen hinaus von Bedeutung sei. Dazu beigetragen hätten zahlreiche städtebauliche Maßnahmen. So wurden Plätze entlang des Seeufers aufgewertet und Raum zum Flanieren und Verweilen geschaffen.
Berlins «Badezimmer» dagegen – Spreeufer, Havel und Landwehrkanal sowie die unzähligen Seen in der Umgebung – seien größtenteils vernachlässigt und städtebaulich wenig entwickelt. «Berlin hat seine Wasserkante noch nicht entdeckt», bedauert Lüscher.
Das «Regierungszimmer» – eine neue Erfahrung
Nach bald einem Jahr als Stadtplanerin in Berlin sieht Lüscher auch Parallelen zwischen den beiden Metropolen. So passe das Konzept der Zimmer insgesamt auch zu Berlin. «Der Berliner ist sehr mit seinem Kiez, seinem Quartier, verbunden. Das führt dazu, dass sich die Stadtteile individuell entwickeln und jedes Viertel eine eigene Identität besitzt.»
Manche Zimmer ähnelten sich sogar, findet Lüscher. Etwa das «Studierzimmer», also das Hochschul- und Universitätsviertel: «Beide Städte haben eine zentral gelegene Uni und mindestens einen Hochschulcampus am Stadtrand.»
Ein Zimmer indes sucht man in Zürich vergeblich – nämlich das «Regierungszimmer». «Das Regierungsviertel mit Kanzleramt und Bundestag übt einen irrsinnigen Impuls auf Berlin aus», sagt Lüscher. Dieser Impuls habe die Stadtentwicklung sehr geprägt. Für eine Architektin aus Zürich sei dies eine ganz neue und spannende Erfahrung.
swissinfo, Paola Carega
Die Ausstellung «Das 7. Zimmer» ist noch bis zum 18. Januar 2008 in Berlin zu sehen, und zwar im Architekturforum «Aedes».
Danach geht die Ausstellung auf Wanderschaft, zuerst in die Schweiz und später quer durch Europa.
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