Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Die Versuchung des Schweizer Pavillons

Eine erste Ansicht des Pavillons, der die Schweiz an der Expo 2015 in Mailand repräsentieren soll. Keystone/EDA/Praesenz Schweiz/netwerch

"Den Planeten ernähren - Energie für das Leben": So lautet das Thema der Weltausstellung Expo 2015 in Mailand. Die Schweiz wird bei diesem Anlass mit einem Pavillon präsent sein, an dem Lebensmittel verteilt werden. Die Besucher werden bei dieser Gelegenheit eingeladen, über das eigene Konsumverhalten nachzudenken.

«Wie lässt sich eine ausreichende, sichere und gesunde Ernährung weltweit sicherstellen?» Diese Frage stellen die Organisatoren der Weltausstellung Expo Mailand 2015 den teilnehmenden Ländern. Eine Frage, die hochaktuell, aber alles andere als leicht zu beantworten ist.

Denn über der gleichen Frage brüten seit geraumer Zeit etliche Regierungen und internationale Organisationen. Mit bescheidendem Erfolg. Immer noch leiden weltweit 800 Millionen Menschen an  Hunger. Und mindestens die gleiche Zahl von Menschen leidet unter den Folgen von Über- oder Unterernährung.

Das Thema  «Den Planeten ernähren – Energie für das Leben» umfasst eine Vielfalt von Aspekten, die von der Entwicklung unserer Gesellschaft bis zu unserem Lebensstil reichen. Unser Umweltverhalten, der Einsatz natürlicher Ressourcen sowie der Zustand der Böden, die letztlich unsere Nahrungsmittel hervorbringen, gehören ebenfalls dazu.

Die Expo 2015 entsteht auf einer Fläche von 1,1 Millionen m2 im Nordwesten von Mailand sfp.org

Die Zeiten, in denen Weltausstellungen als gigantische Schaufenster für technologische Entwicklungen oder als Plattformen für den Tourismus der Teilnehmerländer dienten, sind definitiv vorbei. Die Weltausstellungen des 21. Jahrhunderts, wie Expo Milano 2015, sollen in erster Linie Orte des Nachdenkens sein, in denen es um die grossen Herausforderungen unserer Zeit geht.

Die Organisatoren der Expo 2015 haben eine Reihe von Unterthemen vorgeschlagen, die um das  Hauptthema kreisen: Wissenschaft und Technologie für die Sicherheit und Qualität der Nahrung, beziehungsweise für die Landwirtschaft und Biodiversität,  Innovation in der Nahrungsmittelkette, Bildung im Bereich Nahrungsmittel, Kooperation und Entwicklung in der Ernährung, Essen und Kultur.

Die Weltausstellung in Mailand (Expo Milano) findet vom 1. Mai bis 31. Oktober 2015 statt.

Das Thema der Expo 2015 lautet: «Den Planeten ernähren. Energie für das Leben.» Ernährungsfragen für die Menschheit und der Respekt für die Umwelt stehen im Vordergrund dieser Weltausstellung.

Die Teilnehmerländer sind eingeladen, ihre spezifischen Kompetenzen in den Bereichen Landwirtschaft, Nahrungsmittelindustrie, Handel und wissenschaftliche Forschung zu präsentieren, um eine gesunde, ausreichende und nachhaltige Ernährung für die Menschheit zu garantieren.

Die Organisatoren erwarten während der sechs Monate rund 20 Millionen Besucherinnen und Besucher: 75% aus Italien, 25% aus dem Ausland, davon 40% aus der Schweiz.

Besuch mit moralischer Komponente

Mehrere Millionen Besucher werden für die  Weltausstellung erwartet. Doch welche Botschaft will man diesen überbringen und in welcher Form? «Bei einer Expo will jedes Land den schönsten Pavillon haben; es ist eine Art Schönheitswettbewerb, um das Publikum anzulocken», sagte Nicolas  Bideau,  Chef von Präsenz Schweiz, anlässlich der Präsentation des Schweizer Pavillons für die Weltausstellung in Mailand. Präsenz Schweiz ist für die Teilnahme der Schweiz an internationalen Grossveranstaltungen verantwortlich.

«Wer ist die Schönste im ganzen Land?» Statt der berühmten Frage aus dem Märchen «Schneewittchen» kommt einem beim Anblick des Schweizer Pavillonprojekts aber eher das Pfefferkuchenhaus aus dem Märchen «Hänsel und Gretel» in den Sinn.  Die Besucher können unter vier Türmen spazieren gehen, in denen sich Schweizer Lebensmittel befinden. Sie dürfen sich frei bedienen. «Confooderatio Helvetica», so der Name des Schweizer Pavillons, geht folglich durch den Magen.

Wie bei Märchen hat auch der Schweizer Auftritt eine moralische Komponente: Über Plakate sowie Video- und Audioinstallationen wird der Besucher dazu eingeladen, sein eigenes Konsumverhalten zu überdenken. Denn mit der Zeit werden die Vorräte aus den Türmen zur Neige gehen und die Speicher werden nicht neu aufgefüllt. Somit kann jeder Besucher mitbestimmen, wie lange die Vorräte nach seinem Besuch noch reichen werden.

Externer Inhalt

An bester Lage

Im Januar 2012 hatte die Jury das Projekt «Confooderatio Helvetica» der netwerch GmBH in Brugg aus 103 eingereichten Projekten ausgewählt. «Der Pavillon überbringt eine einfache und überzeugende Botschaft: Nahrung lässt sich nicht nach Belieben konsumieren. Nahrung ist nicht unbegrenzt vorhanden, nur weil wir in einem Laden immer alles finden. Wer die Weltausstellung verlässt, sollte sich bewusst geworden sein, was im Bereich der Ernährung weltweit passiert. Es geht um Verschwendung, ungleiche Verteilung und die Zentralisierung der Produktion», sagt Giuseppe Domeniconi, Jurymitglied und ehemaliger Direktor von Slow Food Schweiz.

Diese Botschaft soll bei Millionen von Besuchern ankommen. Dabei kann «Confooderatio Helvetica» auf eine optimale Lage an der Weltausstellung zählen, zwischen den Pavillons von Italien und  Deutschland. Mit Sicherheit wird auch für mediale Aufmerksamkeit gesorgt sein. Denn der Schweizer Pavillon wird sich täglich verändern – infolge des Konsumverhaltens seiner Besucher. Diese Entwicklung kann über die traditionellen Medien, über Social Media, aber auch via Internet und Mobiltelefon verfolgt werden.

Der Schweizer Auftritt an der Expo Milano 2015 liegt in der Verantwortung von Präsenz Schweiz, einer Abteilung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), die für die Wahrnehmung der Schweiz im Ausland zuständig ist.

Regierung und Parlament haben einen Verpflichtungskredit von 23,1 Mio. Franken für die Teilnahme der Schweiz an der Weltausstellung 2015 in Mailand gesprochen. Dabei müssen 8 Mio. Franken über Drittmittel aus der Privatwirtschaft, den Kantonen und den Städten beschafft werden.

Umgesetzt wird das Projekt «Confooderatio Helvetica».  Der Schweizer Pavillon ist hinter dem italienischen und deutschen der drittgrösste Pavillon an der Weltausstellung. Er umfasst vier Türme aus Glas und Holz, in denen Schweizer Lebensmittel gelagert werden. Das Material wird am Ende der Expo rezykliert.

Neben der Ausstellung zum Expo-Thema sind auf insgesamt 4433 Quadratmetern Fläche Ausstellungsmodule für Partner, ein Restaurant, ein Bereich für die Sponsoren und eine Verkaufsfläche vorgesehen.

Um eine nachhaltige Präsenz der Schweiz in Italien zu gewährleisten, ist vor, während und nach der Weltausstellung 2015 in Mailand ein Schweizer Rahmenprogramm mit dem Namen «Verso l’Expo Milano 2015» vorgesehen.

Innerhalb dieses Rahmenprogramms beginnt am 1. Mai 2014 der «Giro del gusto» (Gastro-Tour). In den italienischen Städten Mailand, Rom und Turin werden Schweizer gastronomische Spezialitäten präsentiert, aber auch mehrere kulturelle, wissenschaftliche und ökonomische Aktivitäten durchgeführt.

«Der Schweizer Pavillon macht insbesondere die Nachhaltigkeit in der Entwicklung und die Verantwortlichkeit im Konsumverhalten zum Thema, so wie es von der Expo Milano vorgeschlagen worden war», sagt Andrea Arcidiacono, Leiter des Programms Italien/ Expo Milano 2015 bei Präsenz Schweiz. «In der thematischen Ausstellung wollen wir aufzeigen, was die Schweiz im Bereich der Nachhaltigkeit leistet, etwa in der biologischen Produktion, in der Berglandwirtschaft, in der Landschaftspflege, in der wissenschaftlichen Innovation und in der Entwicklungszusammenarbeit.»

Soziale Verantwortung

Im Schweizer Pavillon werden auch die Gotthard-Kantone Tessin, Graubünden, Wallis und Uri mit einem eigenen Themenbereich  «Wasser» vertreten sein. Zudem sind die Städte Basel, Genf und Zürich präsent. Sie werden innovative Projekte aus den Bereichen  Ernährung, Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie präsentieren. Zu den Partnern von «Confooderatio Helvetica» gehören zudem namhafte Schweizer Unternehmungen wie Nestlé und die Rheinsalinen.

Dass diesen Privatunternehmen im Schweizer Auftritt viel Platz eingeräumt wird, hat Kritik von Seiten einiger Nichtregierungs-Organisationen (NGO) ausgelöst. Andrea Arcidiacono meint: «Auch die Unternehmungen tragen soziale Verantwortung im Lebensmittelbereich. Sie können so zeigen, wie sie das Thema der Nachhaltigkeit in den jeweiligen Produktionsprozessen angehen, von der Auswahl der Rohstoffe über die Verarbeitung bis zur Verpackung und dem Verhältnis zum Endkonsumenten.» Arcidiacono präzisiert zudem, dass auch die NGOs während der Weltausstellung ihre Aktivitäten präsentieren können.

Für die Schweizer Regierung stellt die Expo Milano 2015 eine einmalige Gelegenheit dar, die Schweiz in Italien besser bekannt zu machen und die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern zu vertiefen. Als Vorgeschmack auf die Weltausstellung führt Präsenz Schweiz ab 1. Mai 2014 in drei italienischen Städten (Mailand, Rom und Turin) einen «Giro del gusto» (Gastro-Tour) durch. Bei diesem Anlass werden gastronomische Spezialitäten aus der Schweiz präsentiert, aber auch eine Reihe von kulturellen, wissenschaftlichen und ökonomischen Aktivitäten, um Italien und die Schweiz noch näher zusammenrücken zu lassen.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft