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Die vielen Schweizer Freundschaften mit China

Frau hält zwei Ping Pongschläger hoch, einer zeigt Nixon, einer Mao Zedong
Ping-Pong spielte eine Rolle bei der Annäherung des Westens an China - aber nicht nur. Ap1971

Bis 1989 waren es kommunistischen "Freundschaftsorganisationen", später Geschäftspartner: China fand immer Freund:innen in der Schweiz und war auch stets sehr bemüht darum.  

Im Januar 2021 protestierte die chinesische Botschaft in Bern: China werde diffamiert und in absurden Verschwörungstheorien der Unterwanderung bezichtigt. Gemeint war eine Studie der Universität Basel. Ralph Weber, Professor für European Global Studies, beschrieb darin, wie die Kommunistische Partei China sich bemühte, in den Schweiz Verbündete für ihre Politik zu gewinnen. Im Fokus des Berichts standen der «Schweizerische Verband der Kaufleute», diverse Unternehmer:innen chinesischer Herkunft sowie Untergruppen der «Association of Chinese Students and Scholars».

Trotz der Protestnote: Aus historischer Sicht überraschen die Befunde der Studie wenig. Chinas Aktivitäten im «Garten der Welt», wie die Schweiz von chinesischen Diplomat:innen gerne genannt wird, reichen weit zurück. Die Schweiz war seit der Gründung der Volksrepublik China eine wichtige Drehscheibe für maoistische Propaganda in Europa. 

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Die chinesische Botschaft in Bern war ein strategisches Hauptquartier für die Volksrepublik China in Europa, bevor in den frühen 1970er-Jahren andere Länder diplomatische Beziehungen zu Peking aufnahmen. Auch ausserhalb der Botschaft konnten chinesische Diplomat:innen auf die Hilfe von Schweizer «Freund:innen» zählen.

Als Mao-Anzüge in Mode waren

Während der Kulturrevolution (1966-1976) erreichte die «Maomania» auch die Schweiz.  Wie Agenten der Bundespolizei dokumentierten, schätzten sogar Kinder prominenter konservativer Politiker Devotionalien für Mao Zedong sehr. Der Bund war in Sorge ob dieser wachsenden, wenn auch oberflächlichen Begeisterung für die Kommunistische Partei Chinas (KPCh), doch man fand keine rechtliche Grundlage dagegen vorzugehen. 

Katze sagt Mao
Mao Zedong fand Ende der 1960er Jahre viele junge Bewunder:innen. Wandzeitung, Zürich 1968. Zentralbibliothek Zürich

Bei gewissen ging das Engagement doch über das Schwenken von Maos roten Büchlein hinaus. So halfen die Pinkus Buchhandlung in Zürich und die Librairie Rousseau in Genf – zwei linke Buchhandlungen – Peking bei der Verbreitung seiner Propaganda in so genannten «Drittweltländern» wie Kongo, Ghana, Chile oder Costa Rica. In Lausanne diente das Verlagshaus La Cité als Vermittlerin für den Druck und die Verteilung 

All diese Aktivitäten wurden von der BUPO (Bundespolizei) überwacht und schliesslich verboten.  Mitte der 1960er Jahre wies die Schweiz mehrere pro-chinesische Aktivist:innen wie Jacques Vergès und Nils Andersson – den Gründer von La Cité – aus.
Neben diesen Strategien, die auf das Ausland – vor allem den globalen Süden – abzielten, unternahm Peking aber auch zahlreiche Anstrengungen, um Mao Zedongs Gedanken in der Schweiz selbst zu verbreiten.

Die Schweizer «Chinafreunde»

Nach der chinesisch-sowjetischen Spaltung war der Propaganda-Apparat der Volksrepublik China aktiver geworden. Anfang der 1960er Jahre führten geopolitische, ideologische und militärische Streitigkeiten dazu, dass China seine Beziehungen zu Moskau abbrach. Ab 1963 konkurrierte Peking mit der UdSSR, um sich als alternatives revolutionäres Modell zu behaupten, und um Anhänger zu gewinnen, unterstützte es in vielen Ländern pro-chinesische Gruppen. 

In der Schweiz war die von der Volksrepublik China offiziell anerkannte Partei die Kommunistische Partei der Schweiz/ Marxisten-Leninisten (KPS/ml). Diese Organisation war mit rund 250 Sympathisant:innen, von denen die meisten von der BUPO überwacht wurden, eine Randerscheinung. Wie sich ein Mitglied erinnert, funktionierte die Partei sehr elitär und geheimniskrämerisch: «Es gab ein Paar, das an der Spitze stand und alles leitete. Und da es eine extrem geheime Partei war, wussten wir nicht, wer wer war». Die KPS/ml übte jedoch über Gruppen, die China freundschaftlich verbunden waren, durchaus Einfluss aus. 

Diese Gruppen wurden Mitte der 1960er-Jahre gegründet und hiessen in der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz «Freundschaft mit China» bzw. «Connaissance de la Chine» (Kenntnis Chinas). Ihre Hauptaufgabe bestand darin, «wahrheitsgemässe» Informationen über die Volksrepublik China zu verbreiten, d.h. Propagandamaterial wie politische Broschüren, Zeitungen und Zeitschriften der Beijing Foreign Languages Press. 

Sie organisierten auch Vorführungen chinesischer Künstlergruppen (Ballett, Akrobatik, Oper), verkauften chinesische Produkte (Scherenschnitte, Frühlingsrollen, Kunsthandwerk), führten chinesische Filme vor und veranstalteten Foto- und Gemäldeausstellungen mit dem Material, das sie von China erhielten. 1972 spielten auch chinesische Tischtennisspieler in mehreren Schweizer Städten im Rahmen der Ping-Pong-Diplomatie.

Was war die Ping-Pong-Diplomatie?  

Offiziell waren diese Gruppen unpolitisch. Doch sie versuchten über die chinesische Kultur Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die den maoistischen Ideen ansonsten ablehnend gegenüberstehen würden. Daher besuchten auch Polizeibeamt:innen  ihre Veranstaltungen regelmässig, um Berichte darüber zu schreiben. Viele Personen, die sich nur für die chinesische Sprache oder asiatisches Essen interessierten, wurden mit Argwohn beobachtet.

Dank ihrer engen Beziehungen zu den chinesischen Behörden hatten die Freundschaftsvereine fast ein Monopol auf die Erteilung von Visa. Ab 1971, nach dem Beitritt der Volksrepublik China zu den Vereinten Nationen und der diplomatischen Anerkennung durch die meisten westlichen Staaten, öffnete sich China schrittweise wieder für den internationalen Tourismus. Dies ermöglichte es Hunderten von Schweizer:innen, das Land jedes Jahr zu besuchen.

Reisen in die Volksrepublik waren sorgfältig choreografiert und erlaubten Ausländer:innen nur, die positivsten Aspekte der chinesischen Revolution zu sehen. Die meisten Tourist:innen kehrten begeistert von ihren Erfahrungen zurück, schrieben Zeitungsartikel oder hielten Vorträge in der Schweiz.

Die Freundschaftsvereine erreichten Mitte der 1970er-Jahre mit rund 1’500 Mitgliedern ihren Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten pro-chinesischen Aktivisten in der Schweiz einer strengen polizeilichen Überwachung unterworfen. Im Gegensatz zu anderen Ländern versuchten die Schweizer Behörden nie, die von Peking so genannte «People-to-People-Diplomatie» auszunutzen, da sie der Meinung waren, die China-Freunde seien nur «langhaarige Linke».

In den späten 1970er -Jahren führten mehrere Enttäuschungen zum Niedergang der chinesischen Soft Power in der Schweiz. Der Tod von Mao Zedong und die Inhaftierung seiner engsten Verbündeten – der sogenannten Viererbande – stellten alles in Frage, wofür die Freunde Chinas über ein Jahrzehnt lang gestanden hatten. 

1979 brachte der chinesisch-vietnamesische Krieg das Image Pekings als antiimperialistische Speerspitze ernsthaft in Verruf – auch in der Linken. Die Unterdrückung der Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989 markierte schliesslich für viele Freunde der Volksrepublik China einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. 

Nachdem sie erklärt hatten, dass «China aufgrund der grossen Beliebtheit ausländischer Geschäftsleute geglaubt hat, skrupellos profitieren zu können und die Entwicklung kultureller und freundschaftlicher Beziehungen zu vernachlässigen», verschwanden die  «Freundschaft mit China» sowie «Connaissance de la Chine». 

Umworben von den Eliten

In den folgenden Jahrzehnten profitierten die pro-chinesischen Organisationen vom weltweiten Triumph der wirtschaftsliberalen Ideologie. Sie arbeiten nicht mehr mit Langhaarigen zusammen, sondern mit den kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Eliten der Schweiz.

Mann zeigt auf Landkarte
1994: Nationalrat und Unternehmer Christoph Blocher zeigt die Standorte der Fabriken der EMS-Chemie auf einer Landkarte von China, Keystone / Str

Da sie nun Unterstützung auch im ehemals antikommunistischen Lager fanden – so bei der Freisinnigen Partei der Schweiz und der Schweizer Volkspartei – sahen sie sich nicht mehr der Überwachung durch die Bundespolizei ausgesetzt. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Namen der führenden Vertreter des Schweizerischen Gewerbeverbandes in dem oben erwähnten Bericht von Ralph Weber auftauchen.

Mit der Zunahme von Reisebüros, Joint Ventures und Städtepartnerschaften entwickelte sich die Lobbyarbeit der Freunde Chinas weiter, diente aber weiterhin der politischen Agenda Pekings. Was sich als Entpolitisierung darstellte, war in Wirklichkeit eine Professionalisierung des damals höchst profitablen Bereichs des chinesisch-schweizerischen Austauschs.

In jüngster Zeit hat die parlamentarische Gruppe Schweiz-China im Zusammenhang mit den zunehmenden Kontroversen über Chinas Einfluss in der Schweiz einige «Freunde» verloren. Die Dichte der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern (insbesondere ein Freihandelsabkommen aus dem Jahr 2014) steht jedoch im Einklang mit den zaghaften Verurteilungen der Menschenrechtsverletzungen und der Machtstrategien Pekings durch den Bundesrat.
 

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