Diplomatie – Das zweitälteste Gewerbe der Welt
Hinter den Kulissen schwierige Aufträge bewältigen: Die Sonderausstellung "In heikler Mission" im Landesmuseum Zürich thematisiert die Geschichte der Schweizer Diplomatie.
Sie erzählt von Erfolgen und Misserfolgen, von der Weitsicht einzelner Diplomaten und Diplomatinnen sowie von deren Fehleinschätzungen.
«Diplomatie ist sehr alt, fast so alt wie die Menschheit. Böse Zungen behaupten sogar, die Diplomatie sei das zweitälteste Gewerbe.» Das schreibt der Schweizer Historiker Claude Altermatt in der Publikation zur Ausstellung.
Wenn sich Menschen zu Gruppen zusammengeschlossen hätten, sei nicht nur die Bereitschaft zur Verteidigung einer Gruppe gegen die andere entstanden. «Die einzelnen Gruppen wollten vielmehr auch Beziehungen zu anderen Gemeinschaften aufnehmen und pflegen», so der Historiker.
Das Landesmuseum in Zürich will die tatsächliche Entwicklung der Schweizer Diplomatie auf dem roten Teppich ausrollen, und zwar chronologisch seit der vom Basler Gesandten Wettstein verhandelten Loslösung vom Deutschen Reich im Jahre 1648.
Sechs Stationen
Sechs Stationen beschreiben die wesentlichen Aspekte der Schweizer Diplomatie-Geschichte. Sie heissen: «Allianzen – bis 1798», «Geburtsstunde – 1798 bis 1848», «Rotes Kreuz als Ausweis – 1848 bis 1914», «Missionen im Krieg – 1914 bis 1945», «Mitten in der Weltdiplomatie – 1950 bis 1990» und «Neue Diplomatie? – seit 1990».
Gleichzeitig schränken die Ausstellungsmacherinnen aber ein und betonen, «unter vielen bemerkenswerten Geschichten nur einige wenige» auswählen und exemplarisch darstellen zu können.
Wenig politische Auseinandersetzung
Die gelungene Gestaltung lässt den Mangel an politischer Auseinandersetzung nicht ganz überdecken. Das Verhältnis der Schweiz zum Dritten Reich oder die heutige Europa-Politik werden in der Ausstellung nicht thematisiert.
Über das schwarze Kapitel der Schweizer Diplomatie zu Zeiten des weissen, südafrikanischen Apartheidregimes ist nichts zu sehen. «Wir mussten natürlich auswählen», sagt Kuratorin und Co-Projektleiterin Pascale Meyer gegenüber swissinfo.
«Ausstellen heisst immer auswählen, sich beschränken, reduzieren. Wir müssen diese Auswahl, die wir machen wollen, möglichst klar rüberbringen, wir müssen ganz viel weglassen. Sie werden hier bestimmt sehr viele Kapitel vermissen.»
Sichtbare Aspekte geheimer Sachen
Diplomatie ist eine sehr geheime Sache. Eine Ausstellung darüber zu machen, sei nicht einfach, erklärt Meyer.
«Wir haben sehr viele Objekt- und Bild-Recherchen in Museen, Archiven gemacht und haben auch sehr viel Unterstützung erhalten. Vor allem durch das Bundesarchiv, dort sind die ganz wichtigen Dokumente zur Diplomatie-Geschichte.»
Auch das Gespräch mit Museums-Verantwortlichen sei sehr wichtig gewesen, so Meyer. «Wir mussten herausfinden, gibt es zum Beispiel eine Darstellung von Pictet de Rochemont, der am Wiener Kongress 1815 eine Anerkennung der immerwährenden Neutralität erreichte – wir haben das Musée d’art et d’histoire in Genf gefragt, und die haben uns seine Totenmaske ausgeliehen.»
Schweizer Aussenministerin in roten Turnschuhen
Sie dürfen nicht fehlen und sind hinter Glas zu sehen: die roten Turnschuhe mit Schweizer Kreuz an der Verse von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Mit ihnen überquerte sie am 20. Mai 2003 die Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea.
Ebenso wenig fehlen darf das Kleid, das Shawne Borer-Fielding, Gattin des damaligen Schweizer Gesandten in Deutschland, Thomas Borer, an der Einweihung der Schweizer Botschaft in Berlin trug.
Kontroverse Verhaltensweisen
Neben 100 Objekten begegnet man in der Ausstellung in Bildern, Schriftstücken, Film-, Ton und Bilddokumenten auch prägenden Figuren der Schweizer Diplomatie.
Wir sehen Carl Lutz, der 1942 als Vizekonsul nach Budapest kam und Zehntausenden von Juden mittels Schutzbriefen und Pässen die Auswanderung nach Palästina ermöglichte.
Dann sehen wir aber auch seinen Zeitgenossen Hans Fröhlicher, den umstrittenen, als Nazi-freundlich verdächtigten Schweizer Gesandten in Berlin.
Schweizer Geschichte ist Weltgeschichte
Bemerkenswert der mittlerweile 83-jährige alt Bundesrat Kurt Furgler, der in einem Video-Interview in nach wie vor beeindruckender Rhetorik schildert, wie er als Bundespräsident 1985 in Genf Gastgeber der US- und Sowjet-Präsidenten Reagan und Gorbatschow war.
Dieses Stück Schweizer Geschichte ist zugleich Weltgeschichte, gilt doch das Genfer Gipfeltreffen heute als Beginn vom Ende des Kalten Krieges.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Die Ausstellung im Zürcher Landesmuseum «In heikler Mission – Geschichten zur Schweizer Diplomatie» dauert bis 16. September.
Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag, 10-17 Uhr.
Zur Ausstellung erscheint die Publikation «In heikler Mission».
Parallel zur Ausstellung zeigt das Landesmuseum die Fotoausstellung «Excellences, Exzellenzen. Botschafter und Diplomaten in der Schweiz» von Thomas Adank und Florian Joye.
Die Geschichte der Schweizer Diplomatie – eine reine Männersache? Kuratorin und Co-Projektleiterin Pascale Meyer ist nicht ganz einverstanden. «Heute ist das diplomatische Korps zu 50% mit Frauen besetzt», sagt sie gegenüber swissinfo.
«Klar, in Spitzenpositionen ist es schwer für Frauen. Aber wir haben zum Beispiel Heidi Tagliavini, sie ist eben stellvertretende Staatssekretärin geworden», so Meyer.
«Ich glaube, Frauen sind sehr erfolgreiche und gute Diplomatinnen, und Micheline Calmy-Rey fördert ja auch bewusst in ihrem Departement die Frauen.»
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