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Ein früher Kapitalist aus dem Wallis

Heute erinnern ein Wanderweg, ein Kanal, ein Palast und zwei Türme an den bekannten Walliser Kaspar von Stockalper. Zu seiner Zeit hatte der Politiker und Universal-Unternehmer nicht nur Freunde. Er wurde schliesslich gestürzt und musste ins Exil nach Italien.

Wenn am 14. Juli der 400. Geburtstag des bekannten Wallisers gefeiert wird, stehen neben den touristischen Angeboten auch die verschiedenen Seiten seines Wirkens im Fokus.

«Stockalper ist in der Öffentlichkeit als Wohltäter in Erscheinung getreten. Diese Wohltätigkeit war auch eine Form von symbolischem Kapital», sagt Gabriel Imboden, Stockalper-Experte, Historiker und Leiter des Forschungsinstituts zur Geschichte des Alpenraums in Brig. Er habe sich um die Ausbildung von Mädchen im Oberwallis gekümmert und dazu die Ursulinen-Schwestern nach Brig gebracht.

Für die Knabenausbildung habe er die Jesuiten geholt. Weiter habe er beispielsweise die Kirche von Glis renoviert, und zwar mit seinem eigenen Bautrupp und eigenen Material gegen Entgelt, erzählt Imboden, der sich seit Jahren mit dem berühmten Walliser auseinandersetzt.

Politiker und Ritter vom Goldenen Sporn

Stockalpers politische Karriere begann als Zwanzigjähriger. In den «Rat der Sechser», den Gemeinderat von Brig gewählt, übernahm er das Amt des Säckelmeisters und des Spitalverwalters. Stockalper war noch nicht dreissig, als er das Amts des Kastlans (Richter) erhielt.

Ein Jahr darauf wurde er Hauptmann des Bezirks Brig, oberster militärische Führer seines Bezirks. Etwas später wählte ihn den Landrat in den Kriegsrat der Republik Wallis, dann stieg er zum Oberst der Republik Wallis auf.

Ab 1652 amtete Kaspar Stockalper als Landschreiber. 1670 wurde ihm die höchste weltliche Würde im Wallis zuteil, als er zum Landeshauptmann gewählt wurde.

Stockalper, der zusammen mit seiner zweiten Frau 13 Kinder hatte, liess den alten Familienbesitz in Brig erweitern. Das alte Stockalperhaus war das Wohnhaus, daneben stehen das Handelshaus und der Palast. Heute sind dort ein Museum sowie das Stockalper-Archiv untergebracht.

Auch zu der katholischen Kirche entwickelte Stockalper ein gutes Verhältnis: Er wurde deren Berater und Intimus des Bischofs von Sitten, der sein Schwager war.

Er war auch Vertrauter des päpstlichen Nuntius in Luzern und wurde schliesslich von Erzbischof Hieronymus Fernese zum Ritter vom Goldenen Sporn erhoben, dem zweithöchsten Orden für Verdienste in der römisch-katholischen Kirche.

Korrespondenz und Handelsbücher

Es waren vor allem seine unternehmerischen Tätigkeiten, die dafür sorgten, dass Stockalper bis heute bekannt ist. Seine Handelskorrespondenz und 14 Handels- und Rechnungsbücher geben Aufschluss über das weitläufige Netz an Kontakten und Geschäften, die Stockalper pflegte. Diese Bücher werden seit 1987 von Gabriel Imboden und Gregor Zenhäusern editiert.

Imboden erklärt, wie es zu den Erfolgen Stockalpers kommen konnte: «Gerade durch die Vermengung von Politik und Wirtschaft ist er so weit gekommen. Man versteht die Figur Kaspar Stockalpers mit Sicherheit falsch, wenn man den Aufschaukel-Effekt zwischen politischem und wirtschaftlichem Erfolg nicht in aller Schärfe erfasst.»

Monopolverwalter

Seine Geschäfte waren vielfältig: Stockalper hatte das Monopol auf Salz inne, die Transitmonopole auf Schnecken, Terpentin, Lärchenharz und Lächenschwämmen.

Der Geschäftsmann hatte erkannt, dass sich Brig von der Lage her bestens eignete, um den Simplon zu kontrollieren: Er zog Zölle, Weggelder und Transportgebühren ein und liess den Säumerweg ausbessern und neue Wegstrecken erstellen.

Dieser Weg wurde unter dem Namen «Stockalperweg» wieder instandgestellt. Als Güterumschlagplatz benutzte er im Dorf Simplon einen alten Turm, und in Gondo, nahe der Landesgrenze, diente ihm zu diesem Zweck ein siebenstöckiger Turm.

Er liess einen Kanal für den Warenverkehr von Vouvry nach Collombey graben, der bis heute Stockalperkanal heisst. Stockalper betrieb auch Bergwerke: so liess er im Gantertal Eisen, im Aletschgebiet – in Mörel und Goppenstein – Blei und in Zwischenbergen Gold abbauen, im Val d’Hérence war er am Kupferbergwerk beteiligt.

Ein weiteres seiner Betätitungsfelder waren die Söldner. Zwar führte er selber keine Truppen, betrieb aber Solddienst als Geschäft.

Früher Kapitalismus

Feinde geschaffen hat sich Stockalper jedoch mit seinen Geldgeschäften. Er bezahlte seine Schulden mit Schulden, die andere bei ihm hatten, bis das System ein undurchschauberer Klüngel war.

«Die Verfahren, die wir beim Immobilienkollaps der letzten Zeit hautnah erfahren haben, hat Stockalper exerziert», sagt Experte Imboden.

Es sei genau dasselbe Prinzip gewesen: «Man gibt einem nicht-zahlungskräftigen Kunden eine Hypothek, diese Hypothek geht weiter an eine kleine Bank. In der kleinen Bank werden mehrere Hypotheken darauf aufgetischt, es geht zu einer grösseren Bank, wo schliesslich alles nochmal aufgestockt und umverteilt wird, bis am Schluss kein Mensch mehr weiss, wie was zusammenhängt. Das ist ein Kennzeichen dieses frühen Kapitalismus», sagt Gabriel Imboden.

Das war laut Imboden auch der Grund, warum Stockalper sich ins Exil zurückziehen musste. Fünf Jahre später konnte er nach Brig zurückkehren.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

14. Juli 1609 geboren in Brig

30. September 1627 Immatrikulation an der Uni Freiburg im Breisgau.

24. Oktober 1629 Abschluss der Ausbildung

Knapp 20-jährig Wahl in Gemeinderat von Brig

Noch nicht 30-jährig Kastlan, Richter der freien Gerichtsbarkeit im Simplongebiet

1636 Kastlan, oberster Richter vom Bezirk Brig

1637 oberster militärischer Führer von Brig

1637 Wahl in den Kriegsrat der Republik Wallis

1642 Erhebung zum «Ritter vom Goldenen Sporn» (kirchlicher Orden)

1645 Oberst der Republik Wallis

1652 Landschreiber der Republik Wallis

1653 Schlag zum Reichsritter von Thurm

1670 Wahl zum Landeshauptmann der Republik Wallis

1673 Die Baronie von Duin wurde ihm verliehen

1678 Stockalper wurde aller Ämter und Würden enthoben

1680 Flucht ins Exil nach Italien

1685 Rückkehr nach Brig

29.4.1691 Tod in Brig

Zwischen Brig und dem Simplonpass liegt auf 1500 Metern eine Alp. Als diese gerodet wurde, liess man die Wurzelstöcke stehen, deshalb erhielt die Alp den Namen «Stockalp». Die Familie, die dort wohnte, nannte sich «Stockalper» und nahm drei Stöcke in ihr Wappen auf.

Später glaubte die Familie, ihre Herkunft veredelen zu müssen und führte ihre Abstammung auf das Geschlecht der Olteri aus Mailand zurück.

Als Kaspar von Stockalper zum Reichsritter von Thurm geschlagen wurde, erhielt die Familie gleichzeitig ein neues Wappen.

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