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Ein Museum für Marksteine der Geschichte

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Kostbare Handschriften, Bilder und Erstausgaben aus drei Jahrtausenden: Die Sammlung der Bodmer Stiftung gilt als eine der bedeutendsten Privat-Bibliotheken überhaupt.

Seit vergangenem Herbst ist sie in Genf öffentlich zugänglich – in einem Bau des Schweizer Stararchitekten Mario Botta.

Die Bibliotheca Bodmeriana des Privatgelehrten Martin Bodmer (1899-1971) umfasst mehr als 160’000 Objekte. Die 237 wertvollsten und aufschlussreichsten Gegenstände sind im neuen Museum im Genfer Edel-Vorort Cologny ausgestellt: Papyri, Bücher, Kunstwerke und erlesene Handschriften aus aller Welt.

Darunter befinden sich die älteste erhaltene Fassung des Johannes-Evangeliums und ein seltenes Exemplar der Gutenberg-Bibel.

Ein Zeitrahmen von 3000 Jahren

1920 hat Albert Einstein einen Vortrag über seine Relativitäts-Theorie gehalten. Seine handschriftlichen Notizen dazu sind in Cologny ausgestellt. Ebenso ein Manuskript der Nibelungen-Lieder und handgekritzelte Noten von Mozart.

Die Literatursammlung von Martin Bodmer ist stark humanistisch geprägt und baut im Wesentlichen auf den fünf Pfeilern Bibel, Homer, Dante, Shakespeare und Goethe auf.

Zu sehen sind aber auch die Erstausgaben des kommunistischen Manifests (1848), von «Ulysses» von James Joyce (1922) oder «On the Road» von Jack Kerouac (1957).

Auch im Bereich der bildenden Künste umfasst der Zeitrahmen die letzten 3000 Jahre bis zur Moderne. Berühmt ist das Dante Porträt von Sandro Boticelli.

Kunstsammler aus begüterter Familie

Martin Bodmer stammt aus einer begüterten Zürcher Industriellen-Familie. Bereits als Schuljunge sammelte er Bücher. In seiner Zeit als Gymnasiast konkretisierte er seine Sammler-Tätigkeit und erwarb Erstausgaben und kostbare Manuskripte.

Auch später konnte er es sich leisten, seine Sammlung gemäss eigenen Kriterien auszuweiten.

Er sammelte die Objekte immer in der Form, die dem Moment der Kreation am nächsten kam: Als Handschrift, Zeichnung oder Erstausgabe. Materielle Grenzen waren dem Kunstgelehrten kaum gesetzt.

Während des zweiten Weltkrieges stellte sich Bodmer in den Dienst des Roten Kreuzes. 1939 liess er sich in den Rebhängen in Cologny bei Genf nieder und baute auf seinem Landgut für seine Sammlung zwei Pavillons.

Nach Bodmers Tod im März 1971 wurde die Sammlung in eine Stiftung eingebracht. Bis vor kurzem standen die Schätze der Bibliotheca Bodmeriana nur Forschern offen.

Das Museum unter der Erde

1998 konnte die Stiftung die Michelangelo-Zeichnung «Christus und die Samariterin» für 10 Millionen verkaufen. Damit waren die Mittel da für den 11-Millionen-Neubau des Tessiner Architekten Mario Botta.

Botta baute – ähnlich wie beim Museum Dürrenmatt in Neuenburg – einen schlichten Bau, der den Inhalt in den Mittelpunkt stellt. Von Aussen ist das Werk lediglich durch seine fünf Lichtschächte und einen grau-schwarzen Bodenbelag aus Marmor und Granit sichtbar. Der eigentlich Bau liegt auf zwei Geschossen unter der Erde.

Bereits bei der Eröffnung im November reagierte die Schweizer Presse begeistert auf die Präsentation der Objekte. So schrieb die «Neue Zürcher Zeitung»: «Beide Säle sind nachtschwarz gehalten – vom Buchenparkett über die glänzenden Stucco-lucido Wände bis hin zu den ebenfalls von Botta entworfenen Vitrinen – und zudem von kleinen Spots beleuchtet, so dass sich der Eindruck von glitzernden Katakomben einstellt.»

Laut NZZ ist Botta «das seltene Kunststück einer unterirdischen Raumsequenz gelungen, in der man sich kaum unter der Erde und nie in den lastenden Tiefen eines Luftschutz-Bunkers fühlt.»

Sakrale Räume

Auch Botta selbst sieht in seinem Werk eine spirituelle Dimension. «Es hat hier Objekte, welche uns von den Ursprüngen der Kulturen erzählen und davon, wie die Menschen damals gedacht haben. In der Tat handelt es sich um sakrale Räume», sagt der Meister.

Das Bodmer Museum ist bereits wenige Wochen nach der Eröffnung ein Publikumsmagnet und auch ein beliebter Ausflugsort. Dies auch wegen seiner einmaligen Lage mit einem Panorama auf die andere Seeseite mit dem Palais des Nations und der Jurakette.

In Zukunft will das Museum neue Werke zukaufen. Zudem sind Wechselausstellungen geplant. Die erste soll im Herbst dieses Jahres stattfinden mit der Sammlung «Erotica» des Genfers Gérard Nordmann.

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Das Museumsprojekt geht auf das Jahr 1998 zurück.

Der Neubau von Mario Botta kostete 11 Millionen.

Botta hat unter der Erde zwei Stockwerke gebaut.

Der Kunstsammler Martin Bodmer lebte von 1899 bis 1971.

Er war der Sohn einer Zürcher Industriellen-Familie.

Seit 1939 lebte er in Cologny bei Genf.

Er sammelte seit seiner Schulzeit Objekte.

Seine Sammlung gilt weltweit als einmalig.

Bodmer war auch Mäzen. So hat er den Schriftsteller

Herrmann Hesse unterstützt.

Diesem baute er sein Tessiner Haus in Montagnola.

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