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Ein Refugium für das Film-Genie

Die Chaplin-Statue an der Seepromenade in Vevey: Fast ein Pilgerort. Keystone

Auf der Flucht vor der antikommunistischen Hexenjagd in den USA erreicht Charlie Chaplin im Dezember 1952 Corsier-sur-Vevey. Dort lässt er sich im prunkvollen Manoir de Ban nieder.

Der vielgeliebte Filmschauspieler und Regisseur verbringt die letzten 25 Jahre seines Lebens an den Gestaden des Genfersees.

Die Aussicht ist eindrücklich: Berge dominieren das Panorama hinter dem See. Ein herbstlich anmutender August-Tag. An der Seepromenade sind nur wenig Touristen anzutreffen.

Ohne Ausnahme bleiben sie vor einer kleinen Statue stehen. Sie stellt einen Mann mit Melone und Spazierstock dar, und ist nur wenige Schritte vom Wasser entfernt.

Ein wenig Waadtländer

Der Platz ist nach Charlie Chaplin benannt. Er wurde 1989 zum 100. Geburtstag des grossen Kino-Künstlers eingeweiht, der gleichzeitig Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Komponist war. Ein Engländer, aus dem mit der Zeit auch ein wenig ein Waadtländer wurde.

Drei Italiener werfen sich vor dem Denkmal in Foto-Pose. Einer steckt ihm eine Rose zwischen die Hände. Doch keiner von ihnen weiss, dass Charlot lange in dieser Gegend gelebt hat.

Hexenjagd in den USA

1952 befand sich Chaplin in Europa auf Tournee, um seinen neuen Film «Lichter der Grossstadt» («Limelight») vorzustellen. Doch dann untersagten ihm die Vereinigten Staaten die Rückreise, da ihm dort Sympathien für den Kommunismus vorgeworfen wurden. Chaplin gegenüber herrschte Feindseligkeit.

Gleichzeitig entdeckte dieser im Alter von 63 Jahren eine Insel der Ruhe am Genfersee: Das Anwesen Manoir de Ban oberhalb von Vevey.

Ein erstes Anzeichen in Richtung vergoldeter Altersruhe? Mitnichten. Chaplin produzierte weiterhin Filme und komponierte Filmmusiken. Ausserdem arbeitete er an seiner Autobiografie.

«Er war immer aktiv», erinnert sich sein Sohn Michael. «Nichtstun gab es nicht bei ihm. Wenn er geschrieben hat, sass er am Schreibtisch oder auf dem Sofa der Bibliothek und diktierte seiner Sekretärin.»

Ruhe dank der Distanz zu Hollywood

«Der Umstand, dass er weit weg von Hollywood war, erlaubte es ihm, ein Familienleben zu führen, einen geregelten Tagesablauf einzuhalten und emotional stabil zu bleiben», erzählt Michael Chaplin.

In Corsier sur Vevey erarbeitete Charlie Chaplin den glühenden Anti-McCarthysmus-Film «Ein König in New York» («King in New York»), der den Obskurantismus jener Jahre in den USA verurteilt.

Ausserdem konzipierte er in Vevey auch seinen letzten Film: «Die Gräfin von Hongkong» («A Countess from Hong Kong») – ein Streifen, der das Exil thematisiert.

Wenn er nicht gerade arbeitete, genoss Chaplin seine grosse Familie mit den acht Kindern und die schweizerische Landschaft. «Meine Mutter ging mit ihm oft in das Freiburgerland spazieren.»

Integriert in seiner Umgebung

Oft spazierten die Chaplins auch auf der Seepromenade von Vevey. Chaplin, einer der meistverehrten und produktivsten Künstler des 20. Jahrhunderts, genoss es, in die Öffentlichkeit gehen zu können, ohne gleich von Fans bestürmt zu werden, wie dies im Ausland oft der Fall war.

Quasi zum jährlichen Ritual wurde sein Besuch im Zirkus Knie. Das Publikum quittierte seine Anwesenheit jeweils mit grossem Applaus.

Chaplin verschied im Alter von 88 Jahren am Weihnachtstag 1977 im Manor de Ban. Sein filmisches Vermächtnis bleibt unvergleichlich. Begraben ist er auf dem Friedhof von Corsier sur Vevey.

swissinfo, Marzio Pescia und Dale Bechtel
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

Chaplin wird am 16. April 1889 in London geboren.

Seine Schauspieler-Karriere beginnt 1903 in einem englischen Theater.

1910 geht er auf Tournee in die Vereinigten Staaten.

1914 erscheint erstmals die Landstreicher-Figur, die ihn unsterblich gemacht hat, im Kurz-Film «Kid Auto Races».

Das Aufkommen des Tonfilms kontert er mit zwei sehr erfolgreichen Stummfilmen: «Lichter der Grossstadt» (1931) und «Moderne Zeiten» (1936).

1947 wurde ihm in den USA vorgeworfen, ein Kommunismus-Sympathisant zu sein. 1952 verliess er Amerika endgültig und liess sich in der Schweiz nieder.

1973 erhält er in Hollywood einen Spezial-Oscar. Zwei Jahre später wird Sir Charles von der englischen Königin geadelt.

Er stirbt am 25. Dezember 1977.

Charlie Chaplin verbrachte seine 25 letzten Lebensjahre in Corsier sur Vevey.
Sein Anwesen, das Manoir de Ban, wird ab 2006 zu einem Museum.

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