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Ein Schweizer Held auf grosser Leinwand

Ausschnitt aus dem Dokfilm "Jo Siffert: live fast – die young" von Men Lareida. (Bild: Hugofilm) Hugofilm

Er war der erfolgreichste Schweizer Autorennfahrer aller Zeiten. Jo Siffert gewann zu seiner Zeit alles, was zu gewinnen war und starb früh.

Am Filmfestival von Locarno wurde ihm am Mittwoch Abend mit dem Schweizer Film «Jo Siffert: live fast – die young» auf der Piazza Grande die Ehre erwiesen.

Er lebte gefährlich. Immer am Limit, und manchmal auch darüber hinaus. Jo Sifferts Schwester erinnert sich im Dokumentarfilm des Bündners Men Lareida an Spritzfahrten mit dem Bruder, die einem die Haare kräuseln lassen.

Sie schaltet dabei fast ebenso schnell wie ihr Bruder: von französisch zu deutsch und wieder zurück. Die Rennfahrerlegende Siffert war nicht nur ein Grenzgänger, sondern lebte in Freiburg auch auf und mit der Sprachgrenze, dem Röstigraben, der sich durch den ganzen Film hindurchzieht.

Einige Zeitzeugen sprechen Französisch, einige Schweizerdeutsch, andere beides, wie dies auch Siffert in diversen Interviews tut. «Jo Siffert war idée suisse», sagt Regisseur Lareida im Gespräch mit swissinfo. «Es kommt mir keine andere Figur in den Sinn, die so funktioniert.»

Vom Lumpensammler zum Star

Die Geschichte tönt wie ein Märchen. Der aus einfachsten Verhältnissen stammende Bub, der schon im zarten Alter Formel 1-Pilot werden wollte – und es schliesslich mit 35 sogar aufs Siegerpodest in der höchsten Rennklasse der Welt schafft.

Um diesen Traum zu verwirklichen, macht Siffert fast alles. Zuerst sammelt er alte Lumpen und verkauft diese weiter. Zu den ersten Rennen fährt er oft durch die Nacht hindurch und ohne etwas im Magen, weil ihm schlicht das Geld fehlt.

Diesen Aufstieg dokumentiert Lareida mit diversen nie zuvor veröffentlichten Aufnahmen aus den Privatarchiven von Mechanikern und Rennställen. Und diese zeigen Siffert nicht nur rasend auf, sondern – auch immer in Bewegung – neben den Rennpisten.

Ein klassisches Drama

1971 schliesslich – als es zum tödlichen Unfall kommt – steht Siffert auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er war Vierter im WM-Klassement der Formel 1 und bereits zwei Mal Sieger eines Rennens der höchsten Klasse. 50’000 Menschen nahmen in Freiburg Abschied von der Legende.

Die langjährige Begeisterung für Siffert hat Lareida zu seinem ersten grossen Film motiviert, der nun gleich auf der Piazza Grande von Locarno gezeigt wird. Der Film folgt dem Aufstieg des Schweizer Helden zur Weltspitze chronologisch.

«Alles andere machte für mich keinen Sinn», erzählt Lareida. «Es hat eine natürliche Dramaturgie in sich. Man könnte das nicht besser, dramatischer erfinden.»

Süchtig nach Geschwindigkeit

Siffert war ein Getriebener. Seinen ersten Sieg in der Formel 1 (1968 in England) feierte er nicht etwa überschwänglich. Nein, er zwängte sich noch im Renndress in den Swissair-Flieger, um Stunden später bereits wieder bei Porsche in Deutschland als Testfahrer zu fahren, wie ein Zeitzeuge erzählt.

Sifferts Mechaniker Heini Mader beschreibt Sifferts Ehrgeiz im Film als Sucht: «Wenn man einmal Benzin gerochen hat, kommt man nicht mehr davon los. Auch wenn man einen hohen Preis dafür bezahlen muss.»

Der Preis, den Siffert bezahlt, ist erst einmal das fehlende Privatleben, wovon seine beiden Ehefrauen berichten. Viel lieber als zu Hause ist er auf der Rennpiste. «Der Ehemann Siffert, der fuhr 40 Rennen pro Jahr», gibt Lareida zu bedenken. «Den gibt es nur auf zwei, drei Fotos.»

Seine Kinder kennen ihn nur von diesen Bildern. Er starb, als sie noch sehr klein waren. Das tödliche Risiko war zu diesen Zeiten im Rennsport noch ungleich höher als heute.

Immer 100 Prozent

Doch Ziel des Films sei es nicht, zu moralisieren oder zu werten. Ein Held zu sein, habe nun mal einige Vorteile, so Lareida. «Ein Held darf das, er kennt keine Familienpflichten.»

Und Produzent Christian Davi ergänzt mit einer Frage: «Welche Persönlichkeiten von heute werden in dreissig Jahren noch existieren, wie Siffert das heute in den Köpfen von vielen Menschen tut?»

Womit wir wieder zurück bei Siffert als Ausdruck der idée suisse sind. «Sein Leben eignet sich gut als Projektionsfläche», sagt Lareida «Es geht durch alle Schichten, durch die Landesteile. Er hat Leute fasziniert, die nichts mit dem Motorrennsport zu tun hatten.»

Der Wunsch, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen und seine Träume zu verwirklichen, sei auch heute aktuell. «Es war sehr interessant für mich, mich mit einer Person zu beschäftigen, die hundertprozentig genau wusste, was sie wollte.»

swissinfo, Christian Raaflaub, Locarno

Joseph (Jo) Siffert wurde 1936 in Freiburg geboren.
Er bestritt 96 grosse Preise.
Ausser Le Mans hat er weltweit jedes Sportwagen-Langstreckenrennen gewonnen.
Zweimal stand er in der Formel 1 zuoberst auf dem Podest.
Am 24. Oktober 1971 starb Jo Siffert an einem Rennen im englischen Brands Hatch wegen eines Schadens an seiner Rennmaschine.

«Jo Siffert: live fast – die young» ist ein neuer Dokumentarfilm über den Aufstieg und frühen Tod der Schweizer Rennfahrer-Legende aus Freiburg.

Er wurde am Mittwoch Abend am Filmfestival Locarno auf der Piazza Grande erstmals dem Publikum gezeigt.

Der Film kommt am 26. Oktober in die Westschweizer Kinos, ab Januar 2006 auch in die Deutschschweiz.

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