Eine ruhelose Seele findet Inspiration in Irland
Der Schweizer Autor Rolf Lappert, der mit seinem jüngsten Roman "Nach Hause schwimmen" den 2008 erstmals vergebenen Schweizer Buchpreis erhalten hat, ist zurzeit auf einer Lesetour durch seine alte Heimat. swissinfo hat ihn in Olten getroffen.
«Nach Hause schwimmen» ist die oft traurige Lebensgeschichte von Wilbur, der bei seinen Grosseltern in Irland aufwächst, nachdem seine Mutter bei der Geburt gestorben, der Vater verschwunden war.
Zu den Roman-Schauplätzen gehören neben Irland auch die USA, die schon in anderen Werken Lapperts eine Rolle spielten, und die er von eigenen Reisen her kennt.
Egal ob in der Wüste Arizonas, im afrikanischen Busch oder an der irischen Atlantikküste, Rolf Lappert hat sich für sein Schreiben immer abgeschiedene und ruhige Orte gesucht.
Lappert ist ein Weltenbummler. Seit er erwachsen ist, lebte er meistens nicht in der Schweiz.
Inseltraum
Vor zehn Jahren suchte Lappert, der neben dem literarischen Schreiben unter anderem einen Jazz-Club betrieben hatte und als Drehbuchautor für das Fernsehen tätig gewesen war, nach einem Ort, an dem er sich niederlassen könnte. «Ich hatte in Deutschland, Frankreich und in den USA gelebt, nun wollte ich ein Haus bauen, mir eine Basis schaffen.»
Im Sommer 1999 reiste Lappert durch Irland. Und obschon er einen allgemein wärmeren Ort im Kopf hatte, verliebte er sich in die Gegend um Kenmare in der Grafschaft Kerry im irischen Südwesten.
«Ich hatte schon immer davon geträumt, auf einer Insel zu leben. Und obwohl Irland keine exotische Insel ist, ist es eine Insel und ich liebe sie – trotz dem Wetter.»
Lappert hatte damals in Irland seinen Landsmann und Berufskollegen Hansjörg Schertenleib besucht, der schon dort lebte. Dass Künstler in Irland keine Einkommenssteuer zahlen, machte die Niederlassung dort zusätzlich attraktiv. Und so kaufte sich der Neuzuzüger ein Stück Land und begann mit dem Bau seines Traumhauses an der Küste.
Schriftsteller statt Maler
Als Jugendlicher hatte Lappert Maler werden wollen und machte daher eine Lehre als Grafiker. «Meine Eltern unterstützten mein Interesse an einem Künstler-Dasein, doch sie wollten, dass ich zuerst einen Abschluss machte.»
Mit der Zeit wandte sich Lappert immer mehr dem Schreiben zu. Im Alter von 22 Jahren wurde sein erster Roman veröffentlicht, es folgten Gedichtbände und 1994 und 1995 die ersten zwei Teile einer Amerika-Trilogie.
Im Alter von 30 verwarf er ein längeres Manuskript, eine Erfahrung, die er heute als frustrierend, aber letztlich befreiend bezeichnet. «Man sollte sich selber nicht allzu wichtig nehmen. Es war wahrscheinlich gut, dass dieses Werk nicht veröffentlicht wurde.»
Die Idee von «Nach Hause schwimmen» hatte Lappert länger mit sich herumgetragen, bevor er mit dem Schreiben anfing.
«Als ich damit begann, hatte ich noch keine feste Vorstellung von den meisten Charakteren, den Details oder dem Schluss des Buches. Hätte ich alles schon gewusst, wäre das Schreiben langweilig geworden.»
Inspiration
Woher kommt seine Inspiration? Der 50-Jährige nutzt vor allem Schauplätze, die er von seinen Reisen her kennt. Bisher wählte er weder seine Gestalten noch Schauplätze aus der Schweiz aus, doch das könnte sich ändern, sagt er.
Viele Ideen findet er durch Beobachtungen. «Ich gehe mit offenen Augen und Ohren durchs Leben, lasse Dinge in meinen Kopf gelangen – einiges bleibt hängen. Nach einer Weile, wenn ich eine Idee ein, zwei Jahre mit mir herumgetragen habe, schreibe ich sie nieder.»
Der Autor, ein Mann der leisen Töne, ist bescheiden über seinen Erfolg. Dass «Nach Hause schwimmen» 2008 für den Deutschen Buchpreis nominiert worden war, bezeichnete er als «riesige Überraschung». Im November 2008 erhielt der Roman dann den Schweizer Buchpreis.
«Im Verlag hatten alle gesagt, der Roman werde ein grosser Erfolg, aber das weiss man nie wirklich. Wenn ein paar gute Bücher gleichzeitig auf den Markt kommen, kann es immer passieren, dass ein Werk kaum wahrgenommen wird. Es gibt Tausende hervorragender Bücher, von denen niemand etwas weiss.»
Übersetzungen?
Lappert freut sich, dass seine zwei Romane aus den 1990er-Jahren, die heute vergriffen sind, als Taschenbücher von einem deutschen Verlag erneut herausgegeben werden.
«Nach Hause schwimmen», erschienen im Münchner Verlag Carl Hanser, wird ins Dänische und ins Niederländische übersetzt. Ob eine englische Ausgabe folgen wird, ist noch offen.
Zur Finanzierung der Übersetzung stünden Gelder der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia zur Verfügung, doch Bücher aus fremden Sprachkreisen haben es bis heute schwer, auf den englischsprachigen Markt vorzudringen.
«Man wartet in den USA nicht auf ein Buch von einem Schweizer Autor, das auch ein Amerikaner hätte schreiben können», erklärt Lappert.
Er geniesst seinen Erfolg in Europa und ist bereits mit dem Schreiben seines nächsten Romans beschäftigt, mit ein bisschen Hilfe seiner irischen Protagonisten.
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
Rolf Lappert wurde 1958 in Zürich geboren und machte eine Ausbildung zum Grafiker.
1982 erschien sein erster Roman. Ein paar Jahre später unterbrach er seine literarische Karriere für eine Zeitlang und gründete mit einem Freund einen Jazz-Club, bevor er Mitte der 1990er-Jahre zum Schreiben zurückkehrte.
Zwischen 1996 und 2004 arbeitete er auch als Drehbuchautor, unter anderem für eine Serie des Schweizer Fernsehens. Seit 2000 lebt Rolf Lappert in Listowel, County Kerry, Irland.
2008 erhält sein Roman «Nach Hause schwimmen» den 1. Schweizer Buchpreis.
Nach Hause Schwimmen
Roman, 2008
Carl Hanser Verlag
Die Gesänge der Verlierer
Roman, 1995
Nagel & Kimche Verlag
Der Himmel der perfekten Poeten
Roman, 1994
Nagel & Kimche Verlag
Im Blickfeld des Schwimmers
Gedichte, 1986
Nachtmaschine Verlag, Basel
Passer
Roman, 1984
Nachtmaschine Verlag, Basel
Die Erotik der Hotelzimmer
Gedichte, 1982
Nachtmaschine Verlag, Basel
Folgende Tage
Roman, 1982
Nachtmaschine Verlag, Basel
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