Einzigartige Architektur für neuen Hauptsitz
Die Verwandlung des Fabrik-Geländes in einen Forschungs-Standort: Das ist das Grossprojekt "Campus" des Pharmakonzerns Novartis in Basel.
Der neue Firmen-Hauptsitz mit spektakulären Bauten internationaler Spitzenarchitekten wird auch einen Stadtteil entscheidend verändern und zum Rhein hin öffnen.
Wer zu Novartis will, der muss zur Zeit über die Hüningerstrasse. Diese ist tagelang verstopft von Lastwagen, welche den lediglich einen Steinwurf entfernten Zoll von und nach Frankreich passieren. Das Konglomerat aus grauen Industriebauten ist so repräsentativ wie die Abbruchruinen.
St. Johann – ein Quartier im Umbruch – erstickt im Verkehr. Ende 2007 wird die Nordtangente, eine unterirdische Stadtautobahn, das Verkehrschaos beenden.
Mit neuen Gebäuden der Schweizer Architekten Diener & Diener und Peter Märkli, des Wieners Adolf Krischanitz, der Japaner Frank Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa (sanaa) und des Kanadiers Frank Gehry auf dem Novartis-Areal, steigt Basel definitiv in die Top-Liga der europäischen Architekturhauptstädte auf.
Dennoch kein Mekka zeitgenössischer Architektur
Felix Raeber, bei Novartis zuständig für die Kommunikation zum Campus, ist nicht begeistert von dieser Feststellung. «Manchmal reisen ganze Busse von Architekturfans an und wollen die Bauten besichtigen. Doch das ist nicht einfach möglich. Zurzeit herrscht hier eine rege Bautätigkeit. Das Gelände wird noch einige Jahre ein Produktionsstandort bleiben und wir müssen deshalb auch alle Sicherheitsvorschriften einhalten», sagt er im Gespräch mit swissinfo.
«Der Campus ist kein Architekturprojekt, sondern Voraussetzung für eine neue Philosophie des Arbeitens in Forschung, Entwicklung und Innovation. Novartis hat auch über viele Jahre keine baulichen Investitionen mehr vorgenommen und hat darum grossen Nachholbedarf, den funktionalen Anforderungen bezüglich Labor- und Büroräumen nachzukommen.»
Zurzeit arbeiten rund 5000 Menschen am Novartis Hauptsitz. In 10 Jahren sollen es 10’000 sein. «Hier entstehen attraktive, innovationsfördernde Arbeitsräume. Forscher werden näher mit Marketingleuten zusammenarbeiten. Sitzungen können auch in den Restaurants oder Parks stattfinden.»
Hohe gestalterische Ansprüche
Seit 1906 ist das Areal ein Industriestandort. Nach 1996 – dem Jahr der Fusion von Ciba mit Sandoz – mutierten die Sandoz-Fabriken zum Konzern-Hauptsitz. Die alten Gebäude werden nach und nach abgerissen und durch architektonisch hochkarätige Neubauten ersetzt oder restauriert. Dies geschieht jedoch nicht im Rahmen eines einheitlichen Bauverfahrens. Vielmehr ist für jedes einzelne Gebäude ein anderer Architekt verantwortlich.
Novartis-CEO Daniel Vasella ist die treibende Kraft hinter dem ambitionierten Projekt. «Er entscheidet jedoch nicht alleine über die Wahl der Architekten. Dafür gibt es interne und externe Gremien», hält Felix Raeber fest. «Wir suchen weltweit die qualifiziertesten Architekten, die für das jeweilige Projekt am besten geeignet sind. Das ist weniger zeitintensiv als wettbewerbsähnliche Verfahren.»
Zum externen Gremium gehören Vittorio Lampugnani, Professor für die Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich. Er hat den Masterplan entworfen. International anerkannte Experten sind für die Landschaftsgestaltung (Peter Walker), die Beleuchtung (Andreas Schulz) und das grafische Erscheinungsbild (Alan Fletcher) verantwortlich.
Fussgänger – statt Kräne und Kähne
Der Pharmakonzern plant nicht lediglich eine komplette Neugestaltung des bestehenden Areals, sondern zusätzlich dessen räumliche Erweiterung. Das Projekt trägt den Titel «Neunutzung Hafen St. Johann – Campus Plus». Es sieht vor, den Hafen St. Johann aufzugeben und den Rhein weiter abwärts zu verlegen.
Der Stadtteil St. Johann wird sich damit gegen den Fluss hin öffnen. Auf dem aktuellen Hafenareal planen die Behörden eine Fussgänger- und Veloverbindung sowie Grünflächen bis zur Landesgrenze.
Das Basler Kantonsparlament wird sich in der kommenden Frühjahrssession mit dem Vorschlag der Regierung befassen.
Regierung: Magnetwirkung
Ähnliche Pläne sind bisher an den Kosten gescheitert. «Das gemeinsame Projekt mit dem Pharmariesen bietet eine realistische Lösung zu tragbaren Kosten», betont die Basler Regierung.
Sie wertet die Absichten von Novartis als positives Zeichen zum Wirtschaftsstandort Basel. «Das Projekt wird auch eine Magnetwirkung auf neue Unternehmen der Pharmabranche und der Life Sciences-Industrie sowie deren Zulieferer haben.»
Im Gegenzug könnte Novartis baufällige, nicht mehr bewohnte städtische Liegenschaften, welche die Stadt wegen Baufälligkeit abbrechen muss, übernehmen. Die Hünigerstrasse würde aufgehoben, der Campus nicht mehr von einer öffentlichen Strasse durchschnitten.
«Damit würde der Campus zu einer gestalterischen und urbanen Einheit und die Verbindungen zwischen den einzelnen Gebäuden und Abteilungen wesentlich angenehmer», so Felix Raeber.
swissinfo, Andreas Keiser, Basel
In einem Zeitraum von 7 Jahren investiert Novartis 2 Mrd. Franken in die Umwandlung seines Hauptsitzes.
Zurzeit arbeiten dort 5000 Personen. Bis in 10 Jahren sollen es 10’000 sein.
Im ersten Halbjahr 2005 erwirtschaftete der Konzern einen Reingewinn von 3,123 Mrd. Dollar und setzte 15, 140 Mrd. Dollar um.
In den kommenden Jahren baut Novartis das Areal St. Johann in Basel in mehreren Etappen um.
Seit 1996 befindet sich hier der Hauptsitz des weltweit tätigen Pharmakonzerns.
Das ehemalige Fabrikareal wird in einen Standort für Forschung, Entwicklung, Marketing und Verwaltung umgewandelt.
Der St. Johann-Hafen soll rheinabwärts verlegt werden.
Auf dem Hafenareal plant die Stadt Grünflächen und einen Fussgänger- und Veloweg direkt am Rhein.
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