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Eishockey-WM als Höhepunkt des Schweizer Sportjahres

Keystone

Kaum zehn Monate nach der Euro 08 organisiert die Schweiz schon den nächsten sportlichen Grossanlass: Die Eishockey-Weltmeisterschaft, die vom 24. April bis zum 10. Mai in Bern und Zürich stattfindet.

Die Hockeyfans kommen im Frühling voll auf ihre Rechnung. Während 17 Tagen küren die besten Mannschaften den neuen Weltmeister. Von den 56 Spielen werden 32 in der Berner Postfinance-Arena über die Bühne gehen, die übrigen 24 Partien finden in der Klotener Kolping-Arena vor den Toren Zürichs statt.

Wenige Wochen vor dem Anpfiff der Weltmeisterschaft, dem Höhepunkt des Schweizer Sportjahres 2009, vermisst man noch etwas die Resonanz in der Bevölkerung. Doch dies war bei der Euro 2008 im letzten Sommer nicht anders gewesen. Die Organisatoren sind denn auch keineswegs beunruhigt.

«Das ist absolut normal», sagt Gian Gilli, Generalsekretär des Organisationskomitees, gegenüber swissinfo. «Das Publikum plant nicht so weit im Voraus. Andere Sportereignisse, die diesen Winter stattfanden, waren bisher im Vordergrund.» Sorgen macht sich der Bündner Gilli deswegen keine. «Die wahren Hockeyfans sind für das Sportfest bereit», ist er überzeugt.

450’000 Tickets im Verkauf

Von den 450’000 verfügbaren Karten waren Anfang März bereits über 220’000 abgesetzt. 300’000 Tickets müssen die Organisatoren verkaufen, um in der Gewinnzone zu landen. «Ich bin überzeugt, dass wie in Russland (2007), Lettland (2006) und Österreich (2005) erneut über 300’000 Zuschauer an die WM kommen werden», sagte René Fasel, der Schweizer Präsident des Internationalen Eishockey-Verbandes (IIHF).

Gian Gilli weiss, dass Eishockey punkto Popularität nicht ganz mit Fussball mithalten kann. Die beiden Grossanlässe sind aber auch aus anderen Gründen nicht miteinander zu vergleichen. «An der Eishockey-WM finden alle 56 Matches in der Schweiz statt. An der Euro waren es lediglich 15.» Aber Gilli räumt ein, dass der Ticketverkauf für weniger attraktive Begegnungen schwieriger sein werde.

Schweizer Cracks mit bösem Blick

Elf Jahre sind es her, seit in der Schweiz die letzte Weltmeisterschaft stattgefunden hatte. Nun gilt es, die Werbetrommel für den Grossanlass der zweitpopulärsten Mannschaftssport in unserem Land zu rühren. Den Auftakt macht eine landesweite Plakat-Kampagne, auf denen Schweizer Nati-Cracks mit «bösem Blick», das heisst rot eingefärbten Augen, auf die Gegner warten.

«Wir wollen den Eishockeysport in der Schweiz noch populärer machen», so das erklärte Ziel Gian Gillis. «Das Publikum hat die Gelegenheit, Eishockey auf höchstem Niveau mitzuerleben.»

Der jährliche Turnus des Turniers und die gleichzeitig stattfindenden Playoffs der NHL, der nordamerikanischen Meisterschaft, wo die besten Spieler der Welt engagiert sind, sind Handicaps, die auch der OK-Präsident nicht aus der Welt räumen kann. «Das sind Tatsachen, die wir akzeptieren müssen. Wir können als Organisatoren nichts dagegen unternehmen», sagt Gilli.

Die Schweizer Nati wie 1998?

Die Begeisterung für die Weltmeisterschaft hängt auch davon ab, wie sich die Schweizer Mannschaft unter Trainer Ralph Krueger schlägt. 1998, an der letzten Weltmeisterschaft im eigenen Land, wuchs die Equipe über sich hinaus und erreichte das Halbfinale. Dort war zwar Endstation, aber sie landete sensationell auf dem vierten Platz. Ein gutes Omen für 2009?

«Die Qualifikation für die Viertelfinals wird wie immer voller Tücken sein. Doch wenn wir diese Hürde genommen haben, dann wird uns das Publikum in Bern den nötigen Kick verschaffen, um Grosses zu vollbringen. Davon bin ich überzeugt!», skizziert die deutsch-kanadische Trainerlegende die Marschroute.

Seit Krueger vor 12 Jahren die Mannschaft übernahm, qualifizierte sie sich acht Mal für die Viertelfinals einer Weltmeisterschaft. Das heisst, sie gehört zu den acht besten Eishockey-Nationen der Welt. Ein weiterer Unterschied zum Fussball…

Trotzdem: Ohne Exploit kann das Abenteuer vor eigenem Publikum schnell zu Ende sein. Analog dem enttäuschenden Abschneiden der Schweizer Kicker bei der Heim-Euro im letzten Sommer.

Die Schweiz kann über das ganze Turnier hinweg nur bestehen, wenn sie den Rückstand auf die besten Teams – also Russland, Kanada, USA, Finnland, Schweden, Tschechien und die Slowakei – so gering wie möglich halten kann.

Mehr Konstanz gefragt

In der Vergangenheit ist der Schweiz an Grossanlässen schon mehrmals ein solcher Exploit gelungen. Die Siege gegen Russland an der Weltmeisterschaft 2000 in St. Petersburg oder die Erfolge an den Olympischen Spielen 2006 in Turin gegen Kanada und Tschechien gingen in die Schweizer Sporthistorie ein.

Mit einer defensiven-soliden Verteidigung und einer Offensive, die auf Konterangriffe baut, gelingt es den Schweizern seit mehreren Jahren, den besten Mannschaften die Stirn zu bieten. Zumindest in einzelnen Partien, seit elf Jahren aber nicht mehr über die gesamte Turnierdauer hinweg.

Taten sollen sprechen

Krueger-Kritiker monieren, das Spiel der Schweizer sei zu passiv. Der Coach aber hat bewiesen, dass sein Spielsystem effizient ist. Er hat das Eishockey in der Schweiz auf internationales Spitzenniveau gehoben, wie es hierzulande keine andere Mannschaftssportart erreicht. Die Weltmeisterschaft 2009 ist die grosse Chance, die Nörgeler definitiv zum Schweigen zu bringen.

Für die Nationalspieler ist das Turnier im eigenen Land eine tolle Gelegenheit, sich den Scouts aus aller Welt in bestem Licht zu präsentieren und davon zu träumen, einmal in der NHL zu spielen. Ganz nach dem Vorbild von Mark Streit, Jonas Hiller, Martin Gerber oder Luca Sbisa.

Geringe Auswirkungen

«Die Weltmeisterschaft wird das Image des Schweizer Eishockeys und dessen Infrastruktur stärken», ist Gian Gilli überzeugt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dagegen würden nicht sehr bedeutend ausfallen. «In der Umgebung von Bern und Zürich wird es viele Übernachtungen geben. Aber seien wir doch ehrlich: längerfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Tourismus wird es kaum geben». Damit sind wir aber wieder bei den Gemeinsamkeiten der beiden Mannschaftssportarten, denn auch die Fussball-Europameisterschaft von letztem Sommer werde keine nachhaltigen Auswirkungen zeitigen, wie Studien ergaben.

Was für Gilli mehr zählt als wirtschaftlicher Profit, ist die Art und Weise, wie sich die Schweiz als Organisatorin von aussergewöhnlichen Sportanlässen präsentiert. Und da ist ihr der Sieg kaum zu nehmen.

In der Geschichte der Eishockey-Weltmeisterschaft ist es seit 73 Jahren nie zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Das Organisationskomitee kann also in aller Ruhe dem Ansturm der Hockeyfans aus der ganzen Welt entgegensehen.

swissinfo, Samuel Jaberg
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Die Eishockeyweltmeisterschaft findet vom 24. April bis zum 10. Mai 2009 in Bern und Zürich statt.

Die Eishalle in Bern hat Platz für 11’600 Zuschauer , das Stadion Schluefweg in Kloten kann 6800 Leute aufnehmen.

16 Mannschaften nehmen am WM-Turnier teil. Die Schweiz trägt ihre drei ersten Begegnungen in der Gruppe B aus; die Gegner sind Russland, Deutschland und Frankreich.

Die drei besten Mannschaften der vier Gruppen spielen dann eine Zwischenrunde in zwei Gruppen zu sechs Mannschaften, je vier Mannschaften qualifizieren sich für die Viertelfinals.

Ab den Viertelfinals scheidet die Verlierermannschaft aus.

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