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Auf der Spur der Propagandamaschine Erdogan: «Superdogan»

Erdogan-Flagge
22. Juni 2018. Das Bild von Präsident Erdogan ist in Istanbul überall zu sehen, während die 55 Millionen türkischen Wählerinnen und Wähler bald an die Urnen gerufen werden. Nicolas Righetti/Lundi13

Mitte Mai findet in der Türkei die Präsidentschaftswahl statt. Das neuste Buch "Superdogan" des Schweizer Fotografen Nicolas Righetti handelt von der Türkei unter dem amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Manche Menschen sammeln Briefmarken, Bowlingkugeln oder Kaffeerahmdeckel. Der Genfer Fotograf Nicolas Righetti interessiert sich eher für grössenwahnsinnige Präsidenten.

Im Verlauf seiner Karriere hat er sich in Länder begeben, die von solchen Persönlichkeiten mit eiserner Hand regiert werden.

Auf seiner Jagdliste stehen unter anderem Nordkorea unter Kim Jong-Il, Turkmenistan unter Saparmurat Nijasow, Syrien unter Bashar al-Assad, Weissrussland unter Alexander Lukaschenko – und seit kurzem die Türkei unter Recep Tayyip Erdogan.

Für sein neustes Werk mit dem Titel «Superdogan»Externer Link hat er sich mit dem Präsidenten der türkischen Republik befasst. Die Türkei befindet sich mitten im Wahlkampf und wählt am 14. Mai ihren nächsten Präsidenten.

Was Righetti an diesen unbekannten, oft als trist und fern wahrgenommenen Ländern fasziniert, sind nicht die autoritären Figuren, die sie regieren, sondern das Bild, das diese von sich vermitteln.

«Ich suche nicht die Figur, den Diktator selbst. Was ich suche, ist das Image des Diktators, das sich auf der Strasse, auf Plakaten oder Statuen widerspiegelt. Ob sitzend oder stehend, er kann unendlich oft und in allen Körperhaltungen reproduziert werden. Mich interessiert die Fantasie der Propaganda, was sie aussagt.»

Das BuchExterner Link wurde im Verlag Noir sur Blanc veröffentlicht, 112 Seiten, 50 Fotografien, mit Texten von Joerg Bader, Kenan Görgün und Nicolas Righetti. Es ist im Buchhandel erhältlich.

Die Ausstellung findet in der Galerie Focale, Nyon vom 20. April bis 4. Juni 2023 statt. Finissage und Diskussion in Anwesenheit des Fotografen am 4. Juni ab 14 Uhr.

Nicolas Righetti
Nicolas Righetti, Gründer der Agentur Lundi13, Fotograf und Autor des Buchs «Superdogan». RTS

Seine Arbeit über die Türkei führte ihn in ein Land, das weit entfernt ist von dem Totalitarismus, den er bei seinen Reisen nach Nordkorea oder Turkmenistan beobachten konnte.

Doch die Allgegenwart des Staatschefs Erdogan ist auch hier auffällig – mit einem Unterschied: «Erdogan tritt ziemlich einfach auf, banal, westlich, mit Anzug und Krawatte. Er ist immer sehr sauber. Er lebt nicht im gleichen Wahn wie Kim Jong-Il oder Nijasow. Er tritt immer intelligent auf.»

Dieses Gespür für Repräsentation bestätigte sich auch bei Righettis letzten Reise in die Türkei vor wenigen Wochen, als der Wahlkampf in dem Land auf Hochtouren lief.

«Erdogan hat darum gebeten, keine grossen Bilder mehr von ihm zu verwenden. Ein Wahlkampf ist normalerweise etwas sehr Fröhliches, aber nach dem schrecklichen Erdbeben Anfang Februar bat er um etwas ruhigere, zurückhaltendere Bilder», erzählt der Fotograf.

«Im Buch gibt es ein Foto, auf dem ein Türke mit einem Teppichmesser der Macht das Auge rausgeschnitten hat. Das bedeutet symbolisch sehr viel.»

«Ich finde das sehr klug. Erdogan ist ein politisches Tier, eine Art Chamäleon. Wenn er schlechtere Umfragewerte hat, kann er sich ändern. Sich auf einer 10 x 10 Meter grossen Plane zu präsentieren, wäre sicher kontraproduktiv. Und das hat er verstanden.»

Für den Fotografen bleibt Erdogan dennoch eine autoritäre Figur.

«Vor allem auf der Ebene der Presse und der Justiz, die er kontrolliert, ist er nicht weit von einer Diktatur entfernt.»

Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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