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«Ernstfall» in Saarbrücken erfolgreich

Viktor Giacobbo (mitte) in seiner ersten grossen Filmrolle (links: Jürg Loew, rechts Mike Müller). Keystone Archive

Der Schweizer Film "Ernstfall in Havanna" von Komiker Viktor Giacobbo und Regisseurin Sabine Boss hat in Saarbrücken in der Gunst des Publikums obenauf geschwungen.

Dennoch wurde in Saarbrücken der Publikumspreis haarscharf verpasst. Beim Schweizer Filmpreis nächsten Mittwoch rechnen sie sich kaum Chancen aus.

Für die Havanna-Macher kam das grosse Interesse in Deutschland überraschend. Aus 62 Spielfilmen waren für den Max-Ophüls-Preis 17 Werke für den Wettbewerb ausgewählt worden. Die Schweiz ging mit der Komödie «Ernstfall in Havanna», dem Kino-Erstling von Regisseurin Sabine Boss, sowie mit «Oltre il confine» von Rolanda Colla an den Start. Der «Ernstfall» sollte weit kommen.

Vorstellung dreimal ausverkauft

Die «Havanna»-Vorstellungen am Filmfestival in Saarbrücken waren drei Mal ausverkauft. Während des Festivals wurde die Polit-Komödie als Anwärterin auf den Publikumspreis gehandelt, und nur sehr knapp sollte dem Schweizer Spielfilm dieser Erfolg am Samstagabend bei der Preisverleihung vergönnt bleiben.

Für Sabine Boss und Viktor Giacobbo, der in den letzten zehn Jahren mit seiner Satire-Sendung «Viktors Spätprogramm» am Schweizer Fernsehen und seinen Figuren «Harry Hasler» oder «Debbie Mötteli» Fernseh-Geschichte schrieb, ist dieser Publikumserfolg am Nachwuchs-Festival in Saarbrücken eine Bestätigung.

Auch ohne Giacobbo

Der Erfolg in Deutschland zeige, dass die Komödie nicht nur gut ankomme, weil der in der Schweiz superprominente Viktor mitspielt und er den Film mitkonzipiert und co-produziert hat. Das sei dem Film in der Schweiz oft vorgehalten worden, sagen Sabine Boss und Viktor Giacobbo im Gespräch mit swissinfo.

Keine Beziehungskomödie

Erfreulich ist für das Filmteam auch, dass das deutsche Publikum an den gleichen Stellen im Film gelacht habe wie das Filmpublikum in der Schweiz, erzählt Sabine Boss. Das zeige, dass die Komödie per se funktioniere, resümiert die Regisseurin.

«Der Witz, das Tempo haben überzeugt. Und auch, dass es keine Beziehungskomödie, sondern eine Polit-Komödie ist, was es heute nur noch selten gibt», erläutert Sabine Boss die Reaktionen. Die Leute seien auch überrascht gewesen, dass ein Schweizer Film ein so schnelles Tempo anschlagen könne.

«Durch die weltpolitischen Ereignisse hat der Film unfreiwillig immer wieder eine Art Brisanz. Die Szene in der Guantanamo-Bay zum Beispiel war ein Riesenheuler», erzählt die Regisseurin.

Keine Enttäuschung

Dass sie den Publikumspreis um eine Haaresbreite verpasst haben, darüber sind die Havanna-Macher nicht enttäuscht. «Dass wir so weit kommen, das hätten wir nie gedacht», freut sich Regisseurin Sabine Boss auf der Rückreise von Saarbrücken in die Schweiz. In der Tasche trägt sie unzählige viel- und weniger versprechende Visitenkarten heim – und Angebote für Regiearbeiten für das ARD-Fernsehen in Deutschland.

Vor allem aber eröffnet der grosse Publikumserfolg der bisher in Deutschland nicht gezeigten Politkomödie Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit einem geeigneten Filmverleih in dem Land. Zudem wurde «Ernstfall in Havanna» auf mehrere deutsche Filmfestivals eingeladen.

Geldwäscherei und Berlusconi

Eine Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinaus wird es auch in Sabine Boss› und Viktor Giacobbos neuem Polit-Streifen geben. Thema der kommenden Komödie, an deren Drehbuch der Satiriker zusammen mit Domenico Blass zur Zeit arbeitet, sind Geldwäscherei und «Berlusconi-Italien», wie es Giacobbo, der eine Affinität zum südlichen Nachbarn und auch italienische Wurzeln hat, nennt.

Keine Chancen in Solothurn

Für den Schweizer Filmpreis, der diese Woche in Solothurn verliehen wird, erhoffen sich sowohl Boss wie auch Giacobbo keine Gewinnchancen. Der Film hätte in der Schweiz zu viel Erfolg gehabt, er sei als zu «kommerziell» verschrien worden, so Boss, so dass er kaum den Filmpreis gewinnen werde.

In der Tat war «Ernstfall in Havanna» in den Schweizer Kinos der erfolgreichste Schweizer Film im 2002. Dies, obwohl die Komödie teilweise als zu oberflächlich kritisiert wurde. Ob «Ernstfall in Havanna» auch in Solothurn überraschend erfolgreich sein wird? Die Woche im Zeichen der Solothurner Filmtage wird es zeigen.

swissinfo, Anita Hugi

In der Polit-Komödie «Ernstfall in Havanna» löst ein überforderter Schweizer Ersatz-Botschafter aus Versehen um ein Haar eine neuerliche Kubakrise aus.

Im Film wird die Neutralität der Schweiz, ihre politischen Verstrickungen und auch Tabu-Themen Kubas und der USA satirisch behandelt.

Der Film wurde von Vega-Film prodziert. Co-Produzent und Co-Autor war der sehr populäre Schweizer Satiriker und Komiker Viktor Giacobbo.

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