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«Expo thematisiert eine zentrale Menschheitsfrage»

Wo im nächsten Jahr die Weltausstellung stattfindet, herrscht in Mailand noch eine Riesenbaustelle. Keystone

Die Weltausstellung 2015 in Mailand macht es möglich, dass sich viele Länder und Abertausende von Besuchern mit einem brandaktuellen Thema wie der Ernährung beschäftigen. Davon ist Botschafter Dante Martinelli überzeugt, der Generalkommissär für die Schweiz an der Expo Milano 2015. Er sieht in diesem Ereignis zudem ein wichtiges Schaufenster für die Eidgenossenschaft.

Dante Martinelli war bereits Schweizer Botschafter in Italien, bei der Schweizer Mission in Brüssel und  in China, wo die letzte Weltausstellung im Jahr 2010 stattfand. Den Botschafter-Posten bekleidete er auch bei der UNO in Genf. 2012 wurde er vom Bundesrat zum Generalkommissär für die Schweiz an der Expo Milano 2015 ernannt.

Im Interview mit swissinfo.ch erläutert der Tessiner Diplomat seine Erwartungen in Hinblick auf die Weltausstellung, die dem Thema «Den Planeten ernähren – Energie für das Leben» gewidmet ist. Er ist überzeugt, dass die Präsenz der Schweiz an der Expo positive Auswirkungen auf das Image der Eidgenossenschaft hat.

swissinfo.ch

swissinfo.ch: Weltausstellungen sorgen stets für grosse Aufmerksamkeit, aber auch für viel Kritik. Welchen Sinn haben solche Mega-Events heutzutage?

Dante Martinelli: Ganz generell lässt sich sagen, dass die jüngsten Weltausstellungen viel Erfolg hatten und als Publikumsmagnet wirkten. Schanghai im Jahr 2010, zuvor Hannover 2000 und Sevilla 1992 zogen sehr viele Besucherinnen und Besucher an. Anlässlich einer Weltausstellung bietet sich nicht nur dem Gastland, sondern auch allen anderen Teilnehmerländern eine einmalige Chance, sich der ganzen Welt zu präsentieren.

Dazu kommt, dass die thematischen Vorgaben bei den Weltausstellungen zu einer steigenden Zahl von teilnehmenden Ländern und zu einem grossen medialen Echo geführt haben. Die Weltausstellungen sind keine kommerziellen Warenmessen mehr, sondern Veranstaltungen, die Debatten über wichtige Themen auslösen können und sollen. In Mailand geht es um das Thema «Den Planeten ernähren – Energie für das Leben». Das ist mit Sicherheit eine zentrale Frage für alle Länder und eine Herausforderung für die ganze Menschheit.

Der Schweizer Auftritt an der Expo Milano 2015 liegt in der Verantwortung von Präsenz Schweiz, einer Abteilung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), die für die Wahrnehmung der Schweiz im Ausland zuständig ist.

Regierung und Parlament haben einen Verpflichtungskredit von 23,1 Millionen Franken für die Teilnahme der Schweiz an der Weltausstellung 2015 in Mailand gesprochen. Dabei müssen 8 Millionen Franken über Drittmittel aus der Privatwirtschaft, den Kantonen und den Städten beschafft werden.

Umgesetzt wird das Projekt «Confooderation Helvetica». Der Schweizer Pavillon ist nach dem italienischen und deutschen der drittgrösste Pavillon an der Weltausstellung. Er umfasst vier Türme aus Glas und Holz, in denen Schweizer Lebensmittel gelagert werden.

Neben der Ausstellung zum Expo-Thema sind auf insgesamt 4433 Quadratmetern Fläche Ausstellungsmodule für Partner, ein Restaurant, ein Bereich für die Sponsoren und eine Verkaufsfläche vorgesehen.

Um eine nachhaltige Präsenz der Schweiz in Italien zu gewährleisten, ist vor, während und nach der Weltausstellung 2015 in Mailand ein Schweizer Rahmenprogramm mit dem Namen «Verso l’Expo Milano 2015» vorgesehen.

Innerhalb dieses Rahmenprogramms beginnt am 1. Mai 2014 der «Giro del gusto» (Gastro-Tour). In Städten Mailand, Rom und Turin werden Schweizer gastronomische Spezialitäten präsentiert, aber auch mehrere kulturelle, wissenschaftliche und ökonomische Aktivitäten durchgeführt.

swissinfo.ch: Sollten diese Themen nicht eher im Rahmen der Vereinten Nationen oder bei internationalen Konferenzen debattiert werden?

D.M.: Diese Fragen werden auch im Rahmen der UNO debattiert. Denken wir nur an die Millenniumsziele, bei denen Ernährungsfragen und die Bekämpfung des Hungers in der Welt ganz zentral sind. Zudem kümmern sich die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sowie das Welternährungsprogramm (PAM) und weitere UNO-Organe ganz spezifisch um diese Themen.  Ernährungsfragen betreffen auch Themenbereiche wie Gesundheit, Entwicklung, Handel oder geistiges Eigentum.

Viele Spezialisten kümmern sich um diese Probleme, doch für den Grossteil der Bevölkerung bleiben sie unfassbar. Den Weltausstellungen kommt somit die Aufgabe zu, diese Themen auch den «normalen Bürgern» näher zu bringen. Was an einer Weltausstellung thematisiert wird, ist für Besucherinnen und Besuchern leichter zu verdauen als beispielsweise die Lektüre eines UNO-Berichts.

swissinfo.ch: Welche Bedeutung hat die Teilnahme für die Schweiz?

D.M.: Wie für alle anderen Teilnehmerländer stellt die Expo auch für die Schweiz ein gutes Schaufenster dar, um uns der Welt zu zeigen. Wir können aufzeigen, was die öffentliche Hand, aber auch Private im Bereich von Ernährungsfragen zu leisten vermögen: Von der Kooperation über die Entwicklung bis zur wissenschaftlichen Forschung, von der biologischen Landwirtschaft bis zur gesunden Ernährung. Es sind Bereiche, in denen die Schweiz häufig zur weltweiten Avantgarde gehört.

Mailand 2015 ist für die Schweiz zudem wichtig, weil diese Weltausstellung vor unserer Haustür stattfindet, gerade mal 50 Kilometer von der Grenze entfernt. Es werden 20 Millionen Besucher erwartet. Und daher wird die Weltausstellung mit Sicherheit auch positive Auswirkungen auf den Tourismus und die Wirtschaft in den Grenzregionen haben, insbesondere für den Kanton Tessin.

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swissinfo.ch: Der Schweizer Pavillon «Confooderation Helvetica» ist der drittgrösste Pavillon der Ausstellung. Welches Bild von der Schweiz soll vermittelt werden?

.M.: Ein zentrales Element des Schweizer Pavillons sind vier Türme, die mit Esswaren gefüllt sein werden. Die Besucher können sich nach Belieben mit diesen Nahrungsmitteln eindecken. Doch wir machen die Besucher darauf aufmerksam, dass die Vorräte in den Türmen mit der Zeit zur Neige gehen. Es hängt also vom Konsumverhalten des Einzelnen ab, wie lange die Vorräte reichen. Wir wollen das Bild einer Schweiz zeigen, welche sich im Umgang mit Ernährung und natürlichen Ressourcen verantwortlich und solidarisch verhält.

Dante Martinelli wurde 1947 in Faido (Kanton Tessin) geboren. Er schloss seine Studien mit dem Diplom des Institut d’Etudes Politiques Paris (I.E.P.) ab.

1979 trat er in den Dienst des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Es begann eine lange diplomatische Karriere. 1985 kam er nach Washington, wo er mit internationalen Finanzangelegenheiten betraut wurde. 1989 wurde er als Botschaftsrat nach Paris versetzt, zuständig für wirtschaftliche Fragen.

Ab 1993 war er diplomatischer Berater des Vorstehers des EDA. 1996 ernannte ihn der Bundesrat zum Botschafter in Italien, in Malta und in der Republik San Marino, mit Sitz in Rom. Ab 1999 war er Botschafter und Chef der Schweizerischen Mission bei den Europäischen Gemeinschaften in Brüssel.

Ab 2004 war Dante Martinelli Botschafter der Schweiz in der Volksrepublik China, in der Demokratischen Volksrepublik Korea und in der Mongolei, mit Sitz in Peking. Ab 2008 war er Chef der Schweizer Mission bei den Vereinten Nationen in Genf.

Kurz vor seiner Pensionierung im Jahr 2012 wurde Dante Martinelli vom Bundesrat zum Generalkommissär für die Schweiz an der Expo Milano 2015 ernannt.

swissinfo.ch: Doch gerade die Schweizer haben einen sehr hohen Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen und gehören eher zu den Verschwendern. Können wir wirklich Lektionen in Hinblick auf die Nutzung und Verteilung von Ressourcen erteilen?

D.M.: Wir wollen nicht anderen eine Lektion erteilen, sondern die Aufmerksamkeit auf ein Thema von brennender Aktualität lenken, das allgemein von Interesse ist. Wir können zeigen, welchen Beitrag wir selbst leisten. Die Schweiz ist ein innovatives Land in Hinblick auf nachhaltige Entwicklung, Ökologie, den Respekt für die Umwelt, die Förderung von Biodiversität und die Promotion einer gesunden Ernährung.

Für die Schweizer Regierung ist die Expo Mailand auch von grosser Wichtigkeit, um die Schweiz stärker in das Bewusstsein des italienischen Publikums zu rücken. Obwohl die beiden Länder enge Beziehungen unterhalten, scheint die Schweizer Realität in Italien wenig bekannt zu sein.

Es passiert häufig, dass sich sogar zwei Nachbarländer, die historisch, politisch, wirtschaftlich und sozial eng verbunden sind, in der gegenseitigen Wahrnehmung auf Klischees reduzieren, statt das Wissen um das andere Land wirklich zu vertiefen.

Eine Studie von Präsenz Schweiz aus dem Jahr 2011 hat aufgezeigt, dass das Image der Schweiz in Italien auf wenige Klischees reduziert wird. In vielen Fällen handelt es sich dabei durchaus um positive Einschätzungen: Die Schweiz wird als ordentliches, sauberes, gut funktionierendes und schönes Land gesehen.

Mit unserer Präsenz an der Weltausstellung und dem Rahmenprogramm «Verso l’Expo Milano 2015» wollen wir die Wahrnehmung der Schweizer Realität schärfen. Wir wollen aufzeigen, dass die Schweiz in den Bereichen Bildung und Forschung einen Spitzenplatz einnimmt, aber auch in den Bereichen Technologie, Dienstleistungen und industrieller Produktion führend ist. Wir wollen zudem das Bild eines Landes vermitteln, das offen ist und am Leben der internationalen Gemeinschaft aktiv teilnimmt.

swissinfo.ch: Doch in Italien und in anderen EU-Ländern erscheint die Schweiz eher als isoliertes und eingeigeltes Land. Die Abstimmung vom 9.Februar mit der Annahme der SVP-Einwanderungsinitiative stiessen auf Unverständnis. Hat die Schweiz ein Problem mit ihren Nachbarn?

D.M.: Ich bin überzeugt, dass die Schweiz in vielerlei Hinsicht nach wie vor ein positives Image hat. Denken wir an die politische Stabilität, an die Wirtschaftskraft, an die Qualität ihrer Produkte oder auch an das Modell der halbdirekten Demokratie und den Föderalismus. Es gibt aber auch Image-Probleme, die nicht nur mit unseren eigenen politischen Entscheidungen zusammenhängen, sondern mit den jüngsten Entwicklungen in Europa.

Unsere europäischen Partner mussten in den letzten Jahren grosse Schwierigkeiten bewältigen. Gleichzeitig ist die EU im letzten Jahrzehnt stark gewachsen. Vor 10 oder 20 Jahren gab es mehr Bereitschaft, sich mit den Eigenheiten der Schweiz zu befassen. Die wachsende Zahl von Mitgliedsstaaten führt bei der EU dazu, sich weniger auf den Sonderfall Schweiz einlassen zu wollen.

Auf die Schweiz kommt daher in den nächsten Jahren sehr viel Arbeit zu, um ihre Entscheide zu erklären und durchzusetzen. Dies gilt auch für die Beziehungen mit den europäischen Partnern. Gerade deshalb stellt die Expo Mailand 2015 eine wichtige Plattform dar, um ein positives und differenziertes Bild der Schweiz in Italien und Europa zu zeigen.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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