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Filmfestival Locarno: Filme eher Nebensache

Freiluftkino auf Locarnos Piazza Grande. www.pardo.ch

Mit der Uraufführung des Bollywood-Epos "The Rising" ist das 58. Filmfestival Locarno eröffnet worden. Während 11 Tagen sind rund 300 Filme zu sehen.

Die abtretende Festival-Direktorin Irene Bignardi präsentiert 2005 ein schlankeres Programm als in den Vorjahren. Insider spekulieren über ihre Nachfolge.

Schlank heisst für Locarno 2005: 15 Filme aus 13 Ländern im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden und 13 Filme aus 9 Ländern auf der Piazza Grande. Zwölf Beiträge im Wettbewerb und zwei auf der Piazza sind Uraufführungen.

Bignardi, die ihr fünftes und letztes Locarno-Programm präsentiert, spricht von einem «besonders komplexen und schwierigen Jahr für die internationale Produktion». Es sei «sehr schwierig» gewesen, Autorenfilme zu finden.

Mit 13 vertretenen Filmnationen, darunter sieben europäischen sowie Libanon, Indien, Iran, Japan, Kanada und den USA ausserhalb Europas, ist der Wettbewerb breit gefächert. Drei Werke sind erste Filme, fünf sind zweite Filme. Erstmals ist, ausser Konkurrenz, ein Dokumentarfilm im Wettbewerb zu sehen.

Auftakt mit indischem Film

Mit dem indischen Film «The Rising – Ballad of Mangal Pandey» von Ketan Mehta wurde das Festival am Mittwoch-Abend offiziell eröffnet. «The Rising» spielt Mitte des 19. Jahrhunderts, als der indische Subkontinent von der britischen Ostindien-Kompanie regiert wird. Der historische Film erzählt vom aufkeimenden revolutionären Bewusstsein, aber auch von Freundschaft, Liebe und Verrat.

Unter den Ehrengästen am Lago Maggiore ist der deutsche Filmregisseur Wim Wenders, der am Samstag den Ehren-Leoparden für sein Lebenswerk entgegennehmen wird. Auch die Regisseure Terry Gilliam und Abbas Kiarostami sowie die Schauspieler John Malkovich und Susan Sarandon werden in diesem Jahr in Locarno erwartet und mit Preisen ausgezeichnet.

Schweizer Wettbewerbsbeitrag: «Snow White»

Die Schweiz ist im Wettbewerb mit «Snow White» des Zürchers Samir vertreten. Prominentester Beitrag im Wettbewerb dürfte «Nine Lives» mit Glenn Close und Holly Hunter sein. Aus Japan läuft «Un couple parfait» mit Valeria Bruni-Tedeschi, eine Koproduktion mit Frankreich.

Auf der Piazza Grande stammen zwei Filme aus Indien, darunter die 160-minütige Bollywood-Produktion «The Rising – Ballad of Mangal Pandey» mit Aamir Khan, der 2001, im ersten Festivaljahr von Irene Bignardi, ebenfalls die Hauptrolle im Piazza-Erfolgsfilm «Lagaan» gespielt hatte.

Fünf Piazza-Filme stammen aus den USA, darunter jedoch keine Grossproduktion. Aus Grossbritannien kommt «On a Clear Day», aus Südafrika «The Flyer», aus Thailand «Citizen Dog», und aus den USA etwa «Rize» von David LaChappelle oder «Don’t Come Knocking» des Deutschen Wim Wenders.

Fünf Filme auf der Piazza Grande sind retrospektive Werke. Eine Retrospektive ist dem amerikanischen Regisseur Orson Welles (1915-1985) gewidmet.

Zwei Programmschienen zeigen das afrikanische Kino. Die Sektion «Offene Türen» ist diesmal dem Maghreb gewidmet; Tunesien, Marokko und Algerien werden vorgestellt. Die Kurzfilm-Sektion «Leoparden von Morgen» zeigt Filme aus dem ganzen afrikanischen Kontinent.

Gerüchte um Bignardi-Nachfolge

Das erste Filmfestival in Locarno hatte 1946 stattgefunden. Am 23. August lief im Hof des Grand Hotel der Film «O sole mio» von Giacomo Gentiluomo. Heute ist Locarno das grösste Filmfestival der Schweiz.

Doch in diesem Jahr will sich niemand so recht mit dem Programm auseinander setzen. Der Abgang von Irene Bignardi wird vor allem unter den zahlreichen Journalistinnen und Journalisten – mehr oder weniger offen – diskutiert.

Dabei geht es auch um die Nachfolge der Italienerin. Ein Gerücht: Der Diektor des Filmfestivals von Lyon, Stéphane Thénoz, werde ins Tessin wechseln. Andere wiederum fragen sich, wie stark Bignardi am diesjährigen Programm noch beteiligt war.

Generell hat es Locarno nicht einfach. Dem Festival wurde vor drei Jahren der A-Status zuerkannt. Damit steht es in direkter Konkurrenz zu Venedig, das rund drei Wochen später beginnt.

Dabei darf nicht vergessen werden: Der jetzige Leiter von Venedig heisst Marco Müller und war Vorgänger von Irene Bignardi in Locarno.

Eintrittspeise wie im Kino

Wer sich in Locarno einen Film anschauen will, bezahlt für einen Einzeleintritt in ein Festivalkino 15 Franken. Der Eintritt für die Abendvorstellung auf der Piazza Grande ist für 20 Franken zu haben, bei zwei Filmen kostet er 30 Franken.

Eine Tageskarte für die Kinos kostet 40 Franken, inklusive Piazza 45 Franken. Das Generalabonnement für das ganze Festival kostet 290 Franken.

swissinfo und Agenturen

Irene Bignardi wurde am 10.August 1953 in Mantua geboren und wuchs in Mailand auf.

Sie studierte Literaturwissenschaften an der staatlichen Universität in Mailand und Kommunikation an der Stanford University (USA).

Später arbeitete Bignardi bei Olivetti und bei der RAI, bevor sie als Filmkritikerin zum Magazin «L’espresso» stiess und später zur neu gegründeten Tageszeitung «La Repubblica» wechselte.

58. Filmfestival Locarno: 3. bis 13. August 2005
15 Filme im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden
14 Filme auf der Piazza Grande
Der Bund garantiert für die kommenden drei Jahre 3,6 Mio Franken Subventionen für das Festival.
Im Jahr 2004 berichteten weltweit 900 Zeitungen in 39 Ländern über das Filmfestival Locarno.

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