Filmfestival Locarno – im Zeichen der Musik
Jazz und Menschenrechte: Diese zwei Bereiche spielen am 56. Internationalen Filmfestival Locarno eine wichtige Rolle.
Ansonsten präsentiert sich der grösste Schweizer Filmanlass als reichhaltig, will irritieren und provozieren.
«Es gibt viel Musik an diesem Festival», versprach Irene Bignardi, künstlerische Co-Direktorin am Mittwoch vor den Medien in Bern.
Und in der Tat zieht sich die Musik wie ein roter Faden durch das Festivalprogramm:
Den Auftakt auf der «Piazza Grande», dem beliebten Platz inmitten Locarnos, macht «The Band Wagon» von Vincente Minelli, ein Musical über das Show-Business mit Fred Astaire und Cyd Charisse.
Nebst der musikalischen Komödie «Raghu Romeo» von Rajat Kapoor hat auch der Spielfilm «Mein Name ist Bach» der Schweizer Regisseurin Dominique de Rivaz Knecht mit Musik zu tun.
All That Jazz
Auf grosses Interesse dürfte die umfangreiche Retrospektive «All That Jazz» stossen. Zu sehen sind weit über 100 Filme des 20. Jahrhunderts, in denen der Jazz eine wichtige Rolle spielt. «Darunter einige Raritäten», wie Direktorin Bignardi betonte.
«Wir haben den Jazz auch ausgewählt, weil er von Menschen gemacht wird, die mit Musik ihre unglücklichen Lebensbedingungen zum Ausdruck bringen», sagte Bignardi gegenüber swissinfo.
Die Mehrheit der Filme stammt verständlicherweise aus den USA, doch sind auch Beiträge aus Frankreich, Italien, Skandinavien und Japan zu finden.
Die Palette der Jazz-Filme reicht von biografischen Werken und Dokumentarfilmen, über Originalaufnahmen berühmter Künstler bis hin zu Animationsfilmen. Sowohl Walt Disney wie auch Warner produzierten äusserst spannende Streifen.
Schliesslich sind noch jene Filme zu erwähnen, die den Jazz zur Verschönerung, als Kuriosität oder als Köder für Liebhaber nutzten.
Parallel zur Retrospektive «All That Jazz» präsentiert das Festival in diesem Jahr in einem Forum fünf Komponisten, die für den Film von grösster Bedeutung sind, darunter Ennio Morricone, Gabriel Yared und Ludovico Einaudi.
Die Würde des Menschen
Den Organisatoren des Filmfestivals Locarno ist es im weiteren ein Anliegen, in diesen «Zeiten des Krieges, des Rassismus und der Intoleranz dem mutigen und oft bescheidenen Film einen Platz einzuräumen».
Immer wieder habe sich das Festival für die Unantastbarkeit der Menschenrechte eingesetzt, betonte Festivalpräsident Marco Solari.
Dank der politischen Abteilung zur Förderung der Menschenrechte im Departement für auswärtige Angelegenheiten können in diesem Jahr 100 Filme aus 46 Ländern gezeigt werden, welche die Menschenrechte thematisieren.
Zudem gibt das «Human Rights Panel» den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit, Persönlichkeiten zu treffen, die sich für die Menschenrechte engagieren, darunter die Schweizerin Carla del Ponte, Chefanklägerin beim Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.
Internationaler Wettbewerb
Um den grossen Preis, den Goldenen Leoparden, bewerben sich 20 Filme aus 17 Ländern, darunter sechs Erstlingswerke. Der afrikanische Kontinent ist als einziger nicht vertreten. Lediglich ein Film stammt aus der Schweiz: «Au Sud des Nuages» von Jean-François Amiguet.
Der Westschweizer erzählt die Geschichte einer Gruppe älterer Menschen im Kanton Waadt, die aus sanitären Gründen ihr Vieh schlachten muss. Einer von ihnen unternimmt danach eine Reise nach China und entdeckt dort, dass China seiner Welt nicht wirklich ungleich ist.
Die 20 Wettbewerbsfilme haben in ihrer Unterschiedlichkeit nur etwas gemeinsam: Es geht in allen irgend in einer Form um das Thema «Übergang» im Leben.
Filmbranche in der Krise
Es sei schwierig, nicht von einer Krise des Kinos zu sprechen, erklärte Co-Direktorin Teresa Cavina. Nur Frankreich kenne dieses Problem nicht. Trotz den finanziellen Problemen bei den Filmschaffenden gibt sich Co-Leiterin Bignardi zufrieden mit dem Programm:
«Not schärft die Sinne», so Bignardi zu swissinfo. In Kuba zum Beispiel gebe es kaum Geld. Wer etwas machen wolle, müsse neue Ideen finden.
Der Film «Video de familia», ein geniales Werk, habe lediglich 400 Dollar gekostet. «Wenn der Mangel an Geld so etwas hervorbringt, begrüssen wir das.»
swissinfo, Gaby Ochsenbein
Das Internationale Filmfestival Locarno dauert vom 6. – 16. August 2003
Im internationalen Wettbewerb stehen 20 Filme aus 17 Ländern.
Schweizer Filme in Locarno
Internationaler Wettbewerb:
Au Sud du Nuages – Jean-François Amiguet
Piazza Grande:
Genève – Marseille – Frédéric Choffat
Ixième – Pierre-Yves Borgeaud, Stéphane Blok
Cinéastes du Présent:
Skinhead Attitude – Daniel Schweizer
Human Rights-Sondervorführung:
Ni Olvido Ni Perdon – Richard Dindo
All That Jazz:
Tschäss – Daniel Helfer
Der Ehrenleopard 2003 geht an Ken Loach. Der britische Regisseur ist bekannt für sein Filmschaffen über soziale Ungerechtigkeiten.
Den Preis Raimondo Rezzonico, der in Erinnerung an den verstorbenen Ex-Festivalpräsidenten verliehen wird, bekommt Ruth Waldburger. Die Schweizerin wird damit als unabhängige Produzentin ausgezeichnet.
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