Forderung nach Vaterschaftsurlaub wird lauter
Aus Anlass des ersten Schweizer Vätertages am kommenden Sonntag verlangen Familien- und Männer-Organisationen, einen mehrwöchigen Vaterschaftsurlaub gesetzlich zu verankern.
Der Vätertag dient Organisationen wie Pro Familia und «männer.ch» als Start für eine Kampagne, um den politischen Druck zugunsten der Väter zu erhöhen – in einem Land, das bezüglich Vaterschaftsurlaub weit zurück liegt.
Ein Vaterschaftsurlaub lege die Basis dafür, dass ein Kind ein Leben lang von einer intensiveren Beziehung zum Vater profitieren könne, sagte der sozialdemokratische Waadtländer Nationalrat Roger Nordmann am Freitag in Bern.
Pro Familia-Präsident Laurent Wehrli sagte, dass Väter im Berufsleben oft dem Konkurrenzdruck anderer Männer ausgesetzt seien. Sie hätten auch mehr Schwierigkeiten, ihre beruflichen Ziele mit ihrem Familienleben in Übereinstimmung zu bringen.
Es sei deshalb an der Zeit, ein «echtes Teilen der Verantwortung» in der Gesellschaft zu unterstützen.
Vaterschaftsurlaub ähnlich wie Mutterschafts-Versicherung
Nordmann hatte in einer Motion einen mehrwöchigen Vaterschaftsurlaub gefordert, der wie die Mutterschaftsversicherung über die Erwerbsersatzordnung finanziert wird.
Am 8. März wurde der Vorstoss vom Nationalrat mit 78 zu 74 Stimmen angenommen. Die kleine Kammer wird voraussichtlich in der Herbstsession über das Geschäft entscheiden.
In einer Absichtserklärung haben Pro Familia und männer.ch am Freitag ihre Argumente für einen Vaterschaftsurlaub dargelegt.
Bis zur Debatte über Nordmanns Motion im Ständerat wollen die Organisationen eine politische Mehrheit für ihr Anliegen gewinnen.
Engagierte Väter gefragt
Die Geburt eines Kindes sei ein Moment der Freude, aber auch eine Phase, in der viele Schwierigkeiten zu bewältigen seien, sagte Nordmann, selber Vater zweier kleiner Kinder.
Um diesen kritischen Übergang zu bewältigen, sei ein engagierter Vater gefragt.
Angesichts der steigenden Anforderungen im Beruf gelinge es vielen Vätern jedoch nicht oder nicht mehr, die dafür notwendige Zeit aufzubringen.
Mittel- und langfristig habe ein Vaterschaftsurlaub zudem die Folge, dass Väter lernten, selbständig für das Kind zu sorgen.
Dies sei eine unerlässliche Bedingung dafür, dass die elterliche Fürsorge fair verteilt werde und die Mutter wieder ins Erwerbsleben einsteigen könne.
Mangel an einer Väterpolitik
Männer wendeten heute dreimal weniger Zeit für Familien- und Hausarbeit auf als Frauen, sagte Markus Theunert, Präsident von männer.ch.
Politisch mangle es an einer eigentlichen Väterpolitik. Die gesetzliche Verankerung eines Vaterschaftsurlaubs wäre eine Möglichkeit zum Tatbeweis.
Bewusst kein «Vatertag»
Theunert betonte, man umgehe mit dem Ausdruck «Vätertag» statt «Vatertag» bewusst die Assoziation «Muttertag». Es gehe unter anderem darum, die zwischen Männern und Frauen heute schiefe Verteilung von Familien- und Hausarbeit sowie Berufstätigkeit zu ändern.
Theunert wies die verbreitete Ansicht zurück, engagierte Vaterschaft sei eine Absage an echte Leistungsbereitschaft und zeuge von mangelndem Commitment gegenüber der Firma.
Eine familienfreundliche Personalpolitik sei betriebs- und volkswirtschaftlich rentabel.
Wertschätzung für engagierte Väter
Dennoch sei beachtlich, wieviele Väter sich auch mit stetig steigender Belastung im Beruf für ihre Kinder einsetzten, sagte Theunert weiter. Mit dem Schweizer Vätertag wolle man dem gegenüber Wertschätzung zum Ausdruck bringen.
Es gehe darum die öffentliche Diskussion neu zu lancieren, sagte Andreas Borter von der Koordination Vätertag.
Weder seien heute für Väter gezielte Beratungs- und Unterstützungsstrukturen vorhanden noch seien Väter ein eigenständiges Thema in der Familienpolitik.
Der 1. Vätertag soll laut Borter jedoch auch ein Erlebnistag werden. Zahlreiche Veranstaltungen im ganzen Land wie Schifffahrten, ein Zmorge mit den Kindern oder Fussballspielen sollen «die Lust auf Vaterschaft» wecken.
swissinfo und Agenturen
Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt den Rückstand der Schweiz auf, die Vätern überhaupt keine Urlaubsrechte einräumt.
So ermöglicht Deutschland ein Maximum von 14 Monaten bezahlten Elternurlaub, unter der Bedingung, dass der Vater mindestens 2 Monate Urlaub nimmt.
Finnland offeriert den Vätern drei Urlaubswochen in den ersten vier Monaten.
Spanien räumt Vätern ebenfalls drei Wochen ein, Frankreich und Grossbritannien zwei.
In Österreich dürfen Väter bis zum zweiten Geburtstag des Kindes unbezahlten Urlaub nehmen.
Schweden sieht 15 Monate Elternurlaub vor, wovon mindestens 1 Monat für den Vater vorgesehen ist.
Am kommenden Sonntag wird in der Schweiz erstmals der Vätertag lanciert.
In der Schweiz existiert nur im Kanton Tessin am 19. März eine «Festa del papà», also ein Vatertag.
Einer der Köpfe hinter dem Vätertag-Projekt ist Andreas Borter von den Dachorganisationen Pro familia und männer.ch.
Laut Borter sollen sich «Väter untereinander mit ihrer Rolle auseinandersetzen.»
Gemäss Markus Theunert, Präsident von männer.ch, wäre der Vätertag eine gute Gelegenheit, um das Vatersein zu diskutieren – heute, wo traditionelle Rollenmodelle nicht mehr dieselben sind und das Übereinstimmen von Karriere mit Familie auch zur Sorge der Männer geworden ist.
Verschiedene Anlässe zum Begehen dieses Vätertags finden im ganzen Land statt, inklusive einer Dampfschifffahrt und einem Fussball-Match für Väter und ihre Kinder.
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