Fotogedächtnis nicht nur für Berner Fotografen
Das Online-Lexikon fotoBe bietet einen Überblick über fotografisches Schaffen von heute bis zurück ins Jahr 1840. Es beherbergt Informationen zu über 1600 Berner Fotografinnen und Fotografen und Fotobeständen aus der ganzen Schweiz.
Werden auch Hobbyknipser ins Online-Lexikon fotoBE aufgenommen? Markus Schürpf vom Berner Büro für Fotografiegeschichte grinst.
«Das kommt darauf an. Wenn wir Farbaufnahmen sehen, die in einer Zeit entstanden sind, in der das nicht verbreitet war, oder wenn Bausubstanz dokumentiert wurde, die sich sonst nirgends findet, werden auch diese Hobbyknipser erwähnt.»
Jemand, der einfach Zehntausende Blumenstillleben aufgenommen hat, ist dagegen für die Macher des Online-Lexikons weniger erheblich.
«Das Lexikon sammelt vor allem Daten über Fotografen, die entweder kommerziell oder professionell gearbeitet und eine gewisse Resonanz erreicht haben», sagt Schürpf.
Längere Geschichte
Das kürzlich lancierte Fotolexikon hat eine längere Geschichte. Markus Schürpf beschäftigt sich seit 15 Jahren mit der Fotografiegeschichte im Kanton Bern. In dieser Zeit ist bei ihm und seinem Büro für Fotografiegeschichte eine stattliche Anzahl von Daten und Beständen zusammengekommen, aus der ganzen Schweiz.
Neben der Dokumentation und der Sicherung bearbeitet das Büro für Fotografiegeschichte auch alte Fotobestände. «Wir sind im Kontakt mit Archiven, Museen, Bibliotheken. Wir reinigen die Bestände, erschliessen sie und machen sie so wieder zugänglich», sagt Schürpf.
Fotografie ist ein Breitenmedium
Der Berner Fotohistoriker will dokumentieren, dass die Fotografie ein Breitenmedium ist. «Damit das hier bestehende Wissen weiter vermittelt werden kann, haben wir mit der Universitätsbibliothek Bern dieses Lexikon lanciert», erklärt Schürpf.
«In Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Bern haben wir einige sehr wichtige Sammlungen sichern können. Vertreten sind neben den Stars der Szene auch Atelier- und Wanderfotografen. Die einen decken das städtische fotografische Schaffen ab, die anderen das ländliche», so Schürpf.
«Darunter finden sich auch herausragende Fotografen wie die Reporter Paul Senn und Hans Steiner oder der Bauer Arthur Zeller, der als Wanderfotograf während dreissig Jahren das Leben im Simmental dokumentierte.»
Ein Fotolexikon ohne Fotos
Im Fotolexikon sind keine Fotos abrufbar. Ist das nicht ein Widerspruch in sich selbst? «Nicht unbedingt», antwortet Markus Schürpf.
«Im Bereich der Manuskripte ist der grösste Teil der Archive in der Schweiz ins ‹Repertorium der handschriftlichen Nachlässe› aufgenommen worden. Dort finden Sie kein einziges Manuskript, keinen einzigen Brief. Sie finden nur Angaben, wo Sie diese finden können.»
Bei fotoBE findet eine Verknüpfung mit Fotografen und Fotografinnen statt, respektive mit deren Webseiten. Dort kommt man relativ rasch an Bildmaterial heran.
«Für die von uns verzeichneten Bestandeseigner möchten wir eine Portalfunktion wahrnehmen», sagt Schürpf. «Wir haben eine Verlinkung vorgesehen bis auf die Ebene der einzelnen Fotografien, die online gestellt sind.»
Problematische Digitalisierung
Drängt es sich in der heutigen Zeit nicht auf, die alten Fotos zu digitalisieren und sie so der Nachwelt zu erhalten? Markus Schürpf winkt ab: «Digitalisierung spielt bei uns eine untergeordnete Rolle.» Sie sei ein probates Mittel bei der Vermittlung von Beständen. Man könne sie drucken oder ins Internet stellen.
«Für die Langzeitsicherung eignet sich die Digitalisierung allerdings nicht so gut. Digitalisierung ist teuer, besonders die Kosten, die anfallen, wenn die digitalisierten Daten über längere Zeit verfügbar sein müssen.»
Ausweitung auf die ganze Schweiz
Das Büro für Fotografiegeschichte will mit seiner Plattform mittelfristig die ganze Schweiz abdecken. In einem ersten Schritt werden die Daten des Kantons Bern auch auf Französisch angeboten. Im Endausbau soll die gesamtschweizerische Ausgabe in den vier Landessprachen sowie Englisch vorliegen.
Schürpf will mit seinem Projekt nicht etwa gegen das von der Fotostiftung in Winterthur für die gesamte Schweiz erarbeitete Lexikon antreten: «Dort sind jedoch nur die Besten der Besten verzeichnet. Wir haben den Rahmen da weiter gesteckt.»
Der Berner Fotohistoriker will ein Standardwerk für die Fotografiegeschichte schaffen. «2009 werden wir rund 5000 Fotografen für die ganze Schweiz anbieten. Für den Kanton Bern sind es heute rund 1600. Im Endausbau erwarten wir für die ganze Schweiz etwa 13’000 Fotografen,» erklärt Markus Schürpf.
swissinfo, Etienne Strebel
Geboren 1961 im Kanton Aargau.
Schule für Gestaltung Luzern, dann Kunstgeschichtestudium.
Das Thema Fotografiegeschichte läuft immer neben dem Studium her.
Bereits in seinen Studienjahren organisiert Schürpf Ausstellungen und publiziert zum Thema Fotografie.
Seit zehn Jahren realisiert Schürpf als Gründer des Fotobüro Bern Fotoausstellungen und veröffentlicht Publikationen zu fotohistorischen Themen.
Weiter berät das Fotobüro Bern Archive, Bibliotheken, Firmen und Privatpersonen bei der Foto-Archivierung.
2009 erhält das Projekt fotoBE zum ersten Mal Geld vom Bundesamt für Kultur für die Ausweitung seiner Daten auf die nationale Ebene.
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