Gedenkfeier für Tote und Vermissten
Angehörige, Kameraden, Vertreter von Armee und Einsatzkräften sowie Bundesrat Samuel Schmid haben am Dienstag in der Thuner Stadtkirche der Toten und Vermissten des Bootsunglücks auf der Kander gedacht. Schmid erwartet eine rasche Aufklärung.
In der vollbesetzten Stadtkirche wurden für die vier Todesopfer und den einen noch immer vermissten Obergefreiten fünf Kerzen entzündet. Verteidigungsminister Samuel Schmid sprach den Angehörigen und Kameraden sein Beileid aus.
Am Donnerstag waren auf der Kander im Berner Oberland zwei Militärschlauchboote mit zehn Mann Besatzung gekentert. Vier Männer kamen ums Leben. Einer wird noch vermisst; für ihn gibt es keine Überlebenschancen mehr.
Fünf weitere Armeeangehörige wurden verletzt, darunter der Kommandant der Kompanie.
Schon rasch nach dem Unglück war aus Fachkreisen Kritik laut geworden, die Kander sei an dieser Stelle für derartige Schlauchbootfahrten viel zu gefährlich.
Schmid will rasche Aufklärung
Es bestehe die Vermutung, dass bei dem Unfall Fehler begangen worden seien, sagte Schmid, «doch sicher wissen wir das noch nicht». Er verstehe die Ohnmacht und Wut angesichts des unfassbaren Unglücks und der offenen Fragen.
Er erwarte eine rasche Aufklärung, betonte Schmid. Die Armee habe bereits erste Massnahmen eingeleitet. «Doch jetzt ist nicht die Stunde der Kritik und Vorverurteilung.»
«Wir sind nicht die höchsten Richter. Unserem höchsten Richter begegnen wir nicht auf dieser Welt.» Heute sei vor allem die «Stunde der Trauer, der Tränen und der Stille».
Verantwortung wahrnehmen
Die Armee werde ihre Verantwortung gegenüber den Angehörigen wahrnehmen, betonte Armeechef Roland Nef. Den Betroffenen werde auch künftig eine persönliche Ansprechperson zur Verfügung stehen.
Seine Gedanken seien heute aber auch bei den Verletzten und allen Angehörigen der Kompanie, sagte Nef.
«Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn», zitierte der Armeechef den Apostel Paulus. «Unser Leben ist immer in der Hand Gottes geborgen, ganz besonders dann, wenn wir aus dem irdischen Leben hinaustreten.»
Keine «Plauschaufträge» mehr
Bereits am Wochenende hatte die Armeeleitung als Konsequenz des Unfalls erklärt, dass in Zukunft Übungen ohne direkten Bezug zum Kernauftrag eines Lehrverbandes verboten sind. Das hatte Nef am Sonntag in Spiez erklärt, in dessen Nähe sich der tödliche Unfall ereignet hatte.
In der Ausbildung sei das Risiko auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Ausbildungsprogramme seien speziell auf Sicherheit zu überprüfen.
Übungen, auch ausserdienstlicher Natur, müssten vom vorgesetzten Kommandanten namentlich auf das Risiko hin beurteilt werden, sagte Nef.
Voruntersuchung eingeleitet
Parallel zu den Such- und Bergungsarbeiten über das Wochenende waren auch die Ermittlungen der Militärjustiz angelaufen. Am Samstag hat der militärische Untersuchungsrichter eine Voruntersuchung gegen den Kompaniekommandanten eröffnet.
Es bestehe der Verdacht auf mehrfache, fahrlässige Tötung und Körperverletzung, sagte Silvia Schenker, Sprecherin der Militärjustiz.
Frage der Unabhängigkeit
Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK) lobte die Armeeführung für die Massnahmen nach der tödlichen Unfallfahrt. Sie wandte sich gegen eine Vorverurteilung des Kommandanten. Die Kommission will sich aber mit der Zukunft der Militärjustiz beschäftigen.
Die ständerätliche Rechtskommission hat bereits ein entsprechendes Postulat eingereicht. Darin wird der Bundesrat gebeten, die Übertragung von allen oder einzelnen Aufgaben der Militärjustiz an die zivilen Justizbehörden zu prüfen.
swissinfo und Agenturen
Die Armeeangehörigen gehörten zur Lufttransport-Abteilung 3. Der Standort der Lufttransport-Sicherungskompagnie 3 befindet sich im Wimmis. Sie sichert den Militärflugpaltz Alpnach und die Standorte der Abteilung.
Die zehn mit den beiden Schlauchbooten Verunglückten stammen alle aus der Deutschschweiz. Die Offiziere und Unteroffiziere im Alter zwischen 25 und 33 Jahren befanden sich im Wiederholungskurs.
Derzeit stehen rund 15’000 Armee-Angehörige im Dienst; 9000 davon für die Euro 2008.
Am 12.11.1997 sterben beim Absturz eines Pilatus-Porters bei Boltigen im Kanton Bern alle 5 Insassen.
Am 25.5.2001 werden beim Absturz eines Alouette-III-Helikopters der Luftwaffe bei Delsberg alle 4 Insassen getötet.
Am 12.10.2001 sterben die 4 Insassen beim Absturz eines Armeehelikopters vom Typ Alouette III oberhalb Crans-Montana im Wallis.
Am 12.7.2007 werden 6 Armeeangehörige beim Aufstieg zum Jungfraugipfel im Berner Oberland von einem Schneebrett in den Tod gerissen.
Am 23.1.2008 stürzt ein Rekrut in Winterthur von einem Armeefahrzeug auf die Autobahn und stirbt.
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